FLÄCHENERMITTLUNG | GRUNDSTEUER

Das richtige (Auf)Maß ist entscheidend

Fragen an Ronny Fieber, Geschäftsführer der iisy GmbH, einem Jenaer Startup für bundesweite Aufmaßerstellungen. Hintergrund: Bis spätestens 31. Oktober 2022 sollen Immobilieneigentümer die Angaben für die Feststellungserklärung zur neuen Grundsteuer elektronisch über die Anwendung “ELSTER” an die Finanzbehörden übermitteln. Zur Feststellung des Grundsteuerwertes für Immobilien sind auch Wohn-/Gewerbeflächen von Bedeutung.

Was steckt hinter den aktuellen Schreiben der Finanzämter zur Neuordnung der Grundsteuer?

Die Einheitswerte auf den 1. Januar 1935 (neue Bundsländer) und 1. Januar 1964 (alte Bundsländer) verlieren im Zuge der Grundsteuerreform am 31. Dezember 2024 ihre Gültigkeit und dürfen ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr als Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer herangezogen werden. Ab dann soll die neue Grundsteuer greifen.
LINKTIPP: Mehr zur „Grundsteuerreform“
Zu diesem Zweck haben die Finanzbehörden in diesem Jahr nach Ostern Informationsschreiben mit den von den Immobilieneigentümern benötigten Angaben versendet. Seit dem 1. Juli und bis spätestens bis 31. Oktober 2022 sollen Eigentümer die Angaben für die Feststellungserklärung elektronisch über die Anwendung “ELSTER” an die Finanzbehörden übermitteln. Insbesondere für Ältere und in Regionen ohne Internet sind die „technischen Hürden“ hoch. Inwieweit es deshalb eine Fristverlängerung geben wird, ist derzeit nicht absehbar.
Die IHK-Organisation setzt sich für eine Frist-Verlängerung um 6 Monate ein. Lesen Sie dazu auch das DIHK-Thema der Woche.
Zur Feststellung des Grundsteuerwertes für Immobilien sind neben der Grundstücksfläche, dem Bodenrichtwert sowie der Gebäudeart und dem Baujahr des Gebäudes insbesondere auch Wohn-/Gewerbeflächen von Bedeutung.

Für wen ist die genaue Flächenermittlung jetzt wichtig und warum?

Handlungsbedarf haben vor allem Immobilienbesitzer, denen keine verifizierten Unterlagen zur Verfügung stehen, aus denen die korrekte Wohn-/Gewerbefläche hervorgeht. Aber auch für Kreditinstitute, Investoren und Unternehmen mit Kapitalbedarf sind valide Flächenberechnungen interessant, um beispielsweise als Kreditsicherheit zu dienen. Wenn die Wohnfläche unmittelbar in ein Beleihungswertgutachten der Bank einfließt, ist es sehr wichtig, die genaue Fläche zu kennen, um Risiken des Kreditgebers zu mindern und bestenfalls einen höheren Beleihungswert zu erhalten.
Bei der Ermittlung der Flächen sollte man sich nicht auf alte oder ungenaue Pläne verlassen, die nach alten Standards erstellt wurden. Beispielsweise gilt die Wohnflächenverordnung (WoFlV) seit dem 1. Januar 2004. Berechnungen, die vor 2004 auf Basis alter Regelungen erstellt wurden behalten zwar ihre Gültigkeit, aber nur, wenn keine baulichen Veränderungen vorgenommen wurden. Auch Technik und Präzision haben sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt, sodass mit moderner Lasertechnologie, der passenden Software und einem zertifizierten Dienstleister auch immer präzisere Angaben ermittelt werden können, die dann in unterschiedlichen Bereichen Sicherheit geben (z.B. bei Verträgen, Versicherungen, Ämtern und vor Gericht) und mit denen erlaubte Spielräume bestmöglich genutzt werden.
Darüber hinaus läuft man auch Gefahr, dem Finanzamt zu viel oder zu wenig Fläche zu melden und sich somit schlimmstenfalls des Steuerbetrugs strafbar zu machen.
Durch präzise Aufmaßdaten lassen sich Mehrwerte generieren und Steuern sparen!

Ronny Fieber, iisy GmbH

Warum sollte ein Profi beauftragt werden?

Die Flächenberechnung ist ein wichtiger Bestandteil, wenn es darum geht, eine Immobilie kaufen oder verkaufen zu wollen. Händisch erstellte oder ältere und meist unvollständige Grundrisse, die nicht mehr den aktuellen Realitäten entsprechen zum Beispiel auf Grund veralteter Messmethoden, erfolgten An-, Ab- oder Umbauten und Abweichungen von der Bauzeichnung werden von Kreditinstituten nicht akzeptiert. Abhilfe kann oft nur ein Fachmann schaffen, welcher sich im Detail mit einer exakten Flächenberechnung auskennt und zertifizierte Verfahren anwendet. Bei gewerblich genutzten Flächen erfolgt die Flächenermittlung in der Regel nach der DIN277 (Grundflächen und Rauminhalte im Hochbau). Ausgewiesen werden dann natürlich auch die Nutz-, Verkehrs- und Gewerbeflächen.
Auch wenn bei einer Immobilie keine bemaßten Pläne mehr vorhanden sind, bieten zertifizierte Dienstleister Immobilienbesitzern die Möglichkeit, die entsprechenden Werte für die Grundsteuererklärung von Fachleuten ermitteln zu lassen. Zudem sind oft viele verschiedene Parameter gleichzeitig zu beachten: Raum- und Deckenhöhen, Vorsprünge, Gauben, Schrägen, Winkel, Vorschriften der Landesbauordnung bzw. Wohnflächenverordnung, etc. Vor allem bei Immobilien mit vielen Schrägen oder Abzugsflächen kann die korrekte An- und Berechnung ein langwieriges und schwieriges Unterfangen sein.
Kurzum: Eine anspruchsvolle Aufgabe, die man am besten einem zertifizierten Profi überlässt.

Doch Vorsicht!

Aktuell tummeln sich auch Anbieter auf dem Markt, denen die nötige Zertifizierung fehlt und die zum Teil auch vom Kunden selbst erstellte Flächenermittlungen „abstempeln“, ohne jemals vor Ort gewesen zu sein. Solche Unterlagen halten im Zweifel keiner Prüfung stand und führen zur Ablehnung. Vor allem Kreditinstitute prüfen aufgrund aufsichtsrechtlicher Regularien (wie der Beleihungswertermittlungsverordnung) und vor dem Hintergrund steigender Zinsen und höherer Anforderungen nach Sicherheiten sehr genau, wie und von wem eine entsprechende Flächenermittlung vorgenommen wurde.

Welchen Nutzen hat eine korrekte Flächenberechnung noch?

Das Interesse an einer stichtagsbezogenen und genauen Flächenberechnung ist groß. Zum Einen wird eine korrekte Berechnung vor allem angesichts kontinuierlich steigender Miet- und Kaufpreise in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Häufig reichen pauschalierte und grobe Flächenberechnungen mit „ca.-Angaben“ dann nicht mehr aus. Selbst der TÜV geht davon aus, dass über 2/3 der ermittelten Flächen in Deutschland falsch sind.
Aber nicht nur der Mietzins und der Kaufpreis richten sich nach der Wohnfläche, sondern auch die Versicherungen. Wer eine Hausrat- oder Gebäudeversicherung abschließt, wird vor Vertragsabschluss immer nach der Wohn- bzw. zu versichernder Fläche gefragt. Danach richtet sich unter anderem der Versicherungsbeitrag und die Versicherungssumme.
Eine Baufinanzierung richtet sich ebenfalls nach der Wohnfläche. Anhand dieses Wertes ist es möglich, die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. In der kreditwirtschaftlichen Immobilienbewertung ist der Beleihungswert von großer Bedeutung und stellt den Wert als Kreditsicherheit dar. Beim Beleihungsobjekt werden auf die langfristigen und nachhaltigen Eigenschaften unter anderem auch auf die korrekte Wohnfläche abgestellt und die spekulativen Aspekte ausgeschlossen.
Eine Immobilie dient der Bank als Sicherheit Der Beleihungswert gemäß § 16 Abs. 2 PfandBG darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Der Beleihungswert darf einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen.
Bei gewerblich genutzten Flächen erfolgt die Flächenermittlung in der Regel nach der DIN277 – ausgewiesen werden dann natürlich auch die Nutz-, Verkehrs- und Gewerbeflächen.


Zur Person
Diplom-Betriebswirt Ronny Fieber gründete Im Jahre 2008 das Unternehmen immobilienbesucher.de. Die DEKRA-zertifizierte Firma mit Sitz in Jena arbeitet bundesweit mit einem angeschlossenen Sachverständigen- und Gutachtersystem für Objektbewertungen zusammen. Seit 2021 ist er Geschäftsführer der iisy GmbH – einem Startup für bundesweite Aufmaßerstellungen nach WoFlV bzw. DIN277.

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