TITELTHEMA NOVEMBER 2024

Transformation mit Weitsicht: Warum technische Lösungen allein nicht reichen

Den Herausforderungen einer defossilisierten und klimafreundlichen Wirtschaft lässt sich nicht allein mit technischen Lösungen begegnen. Das Projekt „Dekarbonisierung für eine Resiliente Wirtschaft Beschleunigen“ (DekaRB) nimmt die nicht-technischen Hemmnisse der Dekarbonisierung in den Blick. Ziel ist es, technische und organisatorische Ansätze mit kooperativen Strategien zu verknüpfen, die die Transformation beschleunigen und gleichzeitig die Resilienz der Wirtschaft stärken.
Die Dekarbonisierung ist eine der dringendsten Aufgaben unserer Zeit. Während Politik und Gesellschaft den Rahmen für die Energiewende setzen, steht insbesondere die Industrie – allen voran das produzierende Gewerbe – im Mittelpunkt dieser Transformation. Warum? Mit einem Anteil von über einem Drittel am nationalen Energieverbrauch (laut Bundeswirtschaftsministerium) und den damit verbundenen Treibhausgasemissionen tragen Unternehmen eine enorme Verantwortung. Doch der Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist steinig: Gesetzliche Vorgaben, steigende Energiepreise und Unsicherheiten durch internationale Konflikte erschweren die Umsetzung.
Diesen Herausforderungen auf dem Weg zu einer defossilisierten und klimafreundlichen Wirtschaft lassen sich nicht allein mit technischen Lösungen begegnen. Im Projekt „Dekarbonisierung für eine Resiliente Wirtschaft Beschleunigen“ (DekaRB) nimmt das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme gemeinsam mit dem Arbeitsbereich für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) e.V. die nicht-technischen Hemmnissen der Dekarbonisierung in den Blick. Bis August 2027 ermöglicht die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz die intensive Arbeit an praxisnahen Lösungsansätzen. Ziel ist es, technische und organisatorische Ansätze mit kooperativen Strategien zu verknüpfen, die die Transformation beschleunigen und gleichzeitig die Resilienz der Wirtschaft stärken.

Hemmnisse verstehen, Lösungen entwickeln

Obwohl bereits viele erfolgversprechende Technologien zur Verfügung stehen, schreitet die Dekarbonisierung langsamer voran als notwendig. Woran liegt das? „Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen, dass Unsicherheiten, mangelndes Vertrauen und fehlende Akzeptanz zentrale Hemmnisse bei der lokalen Entwicklung und Umsetzung hin zur Klimaneutralität darstellen“, sagt Projektleiterin Dr. Stefanie Seitz. Unternehmen sehen sich oft mit einer Vielzahl offener Fragen konfrontiert: Wie sicher sind Entscheidungen in unsicheren Zeiten? Wer trägt die Kosten, wenn neue Technologien scheitern? Kann ich notwendige Maßnahmen allein stemmen? Und wenn nicht, wie gelingt die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren? Wie können politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen gestaltet werden?
„Zur Beantwortung dieser Fragen erstellen wir eine solide Wissensbasis: Interviews mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis helfen uns, ein tiefgreifendes Verständnis der Hemmnisse zu gewinnen. Unterstützt werden wir dabei durch Praxispartner wie den Saalewirtschaft e.V., Hermsdorf e.V. und die Initiative Erfurter Kreuz e.V. Gemeinsam mit diesen Partnern entwickeln wir Ansätze, um diese Unsicherheiten abzubauen.“ Besonders im Fokus stünden dabei kooperative Strategien: Dezentrale Versorgungsnetze, lokale Kreislaufsysteme und gegenseitige Unterstützung in Netzwerken. „Denn wir sind überzeugt, dass die Dekarbonisierung der Wirtschaft nicht isoliert, sondern im Schulterschluss mit anderen Akteuren gelingt.“

Thüringen als Modellregion

Thüringen sei für ein geeignetes Modell, weil es eine große Bandbreite an Industrie aufweist: Neben einer Vielzahl an kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) haben auch internationale Firmen ihre Produktionsstandorte hier angesiedelt. Diese konzentrieren sich zeitgleich aber in eher kleineren Industriegebieten mit heterogenem Produktportfolio meist im ländlichen Raum. Zudem handelt es sich bei Thüringen um ein Bundesland, dessen strukturelles Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. „Im Heranziehen von Best-Practice-Beispielen des Ausbaus CO2-neutraler, resilienter energieeffizienter Produktionsstandorte zusammen mit den innovativen Ansätzen aus der Region sollen praxisnahe Lösungen entwickelt werden, die gleichzeitig die Resilienz der Wirtschaft stärken“, so Dr. Stefanie Seitz. „Beispielsweise durch höhere Wertschöpfungstiefe und Wertschöpfungsnetzwerke“, nennt sie erste Ansätze. Dabei werde die Transformation ganzheitlich betrachtet: Auch gesellschaftliche Verhältnisse dürfen nicht vernachlässigt, sondern müssen in diesen Strukturwandel mit einbezogen werden. Dazu gehört die Situation des Arbeitsmarktes ebenso wie Ängste und Bedenken von Anwohnern und Belegschaften.

Mitmachen und profitieren

„Unser Projekt bietet eine Plattform, auf der Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand, aktiv mitwirken können“, lädt sie regionale Firmen zur Teilnahme ein. „Ihre Perspektiven, Erfahrungen und Ideen sind entscheidend, um Lösungen zu entwickeln, die wirklich greifen. Sei es durch Interviews, Workshops oder die Pilotierung neuer Ansätze – Ihre Beteiligung trägt nicht nur zur Entwicklung passfähiger Transformationskonzepte in ihrer Region bei, sondern eröffnet Ihnen ggf. auch neue Geschäftschancen. Wir laden Sie ein auf den gemeinsamen Weg zu einer klimaneutralen und gleichzeitig resilienten Wirtschaft.“


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