THEMA JUNI

ÖPNV und Flexibilität muss kein Widerspruch sein

Fahrplan- und Streckenbindung des ÖPNV stehen flexibler Mobilität nicht im Weg, ist Dr. Stefan Meißner überzeugt. Der Geschäftsführer zweier regionaler Busunternehmen im Landkreis Greiz stellt der schwindenden Akzeptanz der „Öffentlichen“ innovative Konzepte entgegen und hat damit Erfolg. Fahrgastzahlen und Auslastung steigen. Zwar könnten die enorm gestiegenen Kosten damit nicht kompensiert werden, aber die Lücke werde kleiner. 
Seit 2017 ist der studierte Verkehrsingenieur für den Bereich Nahverkehr der RVG Regionalverkehr Gera/Land GmbH und PRG Personen- und Reiseverkehrs GmbH Greiz verantwortlich. 2018 hat er die Geschäftsführung in beiden Firmen übernommen. Mit 78 Bussen, neun Stadtbus- und 25 Regionalbuslinien sind RVG und PRG die größten Anbieter im Landkreis Greiz. „Wir bewegen uns in einem ständigen Spannungsfeld. Zwischen Daseinsvorsorge und Wirtschaftlichkeit. Zwischen umweltfreundlicher Mobilität und sinkender Nachfrage“, sagt er. Der ÖPNV sei nun mal ein kollektives Beförderungsmittel, das auf feste Linien und Fahrzeiten angewiesen ist. „Das schränkt die Möglichkeiten für Flexibilität ein und macht ihn für einige unattraktiv, auch wenn das Fahrgastpotenzial eigentlich da ist. Dafür haben wir sinnvolle Lösungen gesucht und umgesetzt.“ 

Mehrere Linien umsteigefrei vernetzt

PlusBus heißt ein solches Angebot. Die Strecken von drei Buslinien werden miteinander verknüpft und von einem Fahrzeug durchgehend bedient. „Wer beispielsweise von Triptis nach Reichenbach fahren will, kann einfach sitzenbleiben und muss nicht zweimal umsteigen. Außerdem sind die Fahrzeiten für Anschlüsse, beispielsweise zur Bahn, optimiert“, stellt er das Konzept vor, das seit 2018 umgesetzt wird. „Das Angebot kommt gut bei unseren Fahrgästen an. Zwischen 14 und 20 Prozent mehr Menschen nutzen diese Strecke. In einigen Regionen sind es auch doppelt so viele“, verweist er auf den Erfolg des Konzeptes. Inzwischen gäbe es zwei PlusBus-Linien im Landkreis Greiz. Ab Jahresende sollen es vier sein.

Bei Anruf Bus

„Während der PlusBus vor allem für stark frequentierte Strecken attraktiv ist, haben wir in Regionen mit geringem Fahrgastaufkommen unser Rufbusprojekt erfolgreich umgesetzt. Ohne Fahrplan, zeitlich flexibel per Anruf einen Bus bestellen – das wird gut angenommen. Wir haben bis zu dreimal mehr Fahrgäste in dieser Region.“ Es sei gelungen, so die Verfügbarkeit von ÖPNV auch auf der „letzten Meile“ zu sichern. Das Angebot sei gegenwärtig nur regional beschränkt auf den Bereich Greiz-Elsterberg. 

Steigenden Kosten etwas entgegensetzen

Die bedarfsorientierte Planung von Angeboten ist eine Möglichkeit, den steigenden Kosten bei Kraftstoff, Energie und Material etwas entgegen zu setzen, auch wenn sie die Lücke nicht schließen könne. „Durch die Tarifgenehmigungspflicht ist eine Weitergabe der explodierenden Kosten an Kunden nicht ohne weiteres möglich und auch aus politischen Gründen schwierig. Gestiegene Fahrpreise schmälern die Attraktivität des ÖPNV, der eine wichtige Rolle bei umwelt- und klimaschutzorientierten Mobilitätskonzepten spielt“, schätzt Dr. Stefan Meißner die Situation ein. Ein Umstieg auf alternative Antriebe, wie Elektromobilität oder Wasserstoff, sei derzeit keine Option. „Bei einer Fahrleistung pro Bus von durchschnittlich 580 km täglich müsste ein Dieselfahrzeug durch zwei Elektrobusse ersetzt werden. Das ist gegenwärtig nicht zu leisten“, rechnet er vor. Wasserstoffantriebe seien zwar langfristig eine echte Alternative, doch die hohen Investitionskosten und die lückenhafte Infrastruktur für Tankmöglichkeiten stünden dem im Wege.

Freie Stellen zeitnah neu besetzt

Optimistischer ist das Unternehmer beim Thema Personalplanung. Mit attraktiven Ausbildungsmöglichkeiten, Umschulungsangeboten für Quereinsteiger und guten Arbeitsbedingungen gelinge es, freie Stellen zeitnah neu zu besetzen, auch wenn die Verfügbarkeit von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt immer geringer sei. „Wir haben Mitarbeiter, die ihr 40. oder 45. Betriebsjubiläum feiern.“ Das spräche für das Betriebsklima, das auch Schulabgänger und Quereinsteiger überzeuge. „Wir bilden selbst Busfahrer und Kfz-Mechatroniker aus und bieten in unserer eigenen Fahrschule auch die Möglichkeit zur Umschulung“, sagt er. Dennoch wünscht er sich von der Politik, die Zugangshürden für die Ausbildung zum Busfahrer zu verbessern. „Wenn Schulabgänger mit 16 Jahren zu uns kommen, aber erst ab 18 fahren dürfen, ist das viel verschenkte Ausbildungszeit, die für die Vermittlung der wichtigsten Berufskompetenzen nicht zur Verfügung steht.“

Immer aktuell über Neues im Onlinemagazin informiert sein? Abonnieren Sie unseren Newsletter „News Ostthüringer Wirtschaft“
Jetzt hier anmelden
Sie haben Fragen, kritische Hinweise, Verbesserungsvorschläge oder eine Idee für einen Artikel? Schreiben Sie uns: magazin@gera.ihk.de.
Mit Namen oder Initialen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der IHK wider.
Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir Status-  und Funktionsbezeichnungen in der Regel in der männlichen Form. Sie gelten jedoch für alle Geschlechter gleichermaßen.