ÖFFENTLICH BESTELLTE UND VEREIDIGTE SACHVERSTÄNDIGE

Spannender Job mit Nachwuchsproblemen

Wie hoch ist der Schaden in Folge des Hochwassers? Wer ist schuld am Ausfall der neu installierten Anlage? Ist auf dem Grundstück, das zum Verkauf steht, mit Altlasten zu rechnen? Sind die Regressforderungen meines Kunden berechtigt? Wer hat den Verkehrsunfall verursacht? Wie viel ist meine Firma Wert? – Wenn man mal nicht weiter weiß … 
… ist nicht immer ein Arbeitskreis die beste Lösung, mitunter ist es erfolgversprechender, Rat und Unterstützung eines Experten einzuholen. Von IHKs öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sind meist die erste Wahl, wenn es um die Suche nach dem passenden Experten geht. Birgit Feistel begleitet interessierte Experten auf dem Weg dahin. 
Eine öffentliche Bestellung und Vereidigung ist ein Gütesiegel.
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Birgit Feistel © IHK
Was unterscheidet öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige von anderen – außer dem offiziellen und zugegebenermaßen sehr sperrigen Titel?
„Sachverständiger“ ist kein geschützter Begriff. Jeder, der sein Fachwissen anderen zur Verfügung stellen will – zum Beispiel für Gutachten oder Schadensbeurteilungen – darf sich so nennen. Die meisten von ihnen machen sicherlich auch einen guten Job. Aber: eine öffentliche Bestellung und Vereidigung ist ein Gütesiegel. Nur wer seine persönliche Integrität und in einer Prüfung seine besonderen fachlichen Kenntnisse nachgewiesen hat, bekommt den begehrten Rundstempel.



Mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren haben wir ein echtes Nachwuchsproblem.
Wie viele Sachverständige gibt es denn im Ostthüringer IHK-Bereich?
Derzeit sind es 53, die auf 20 Themengebieten agieren. Bei Anfragen können wir auf die bundesweite Datenbank zugreifen, in der 8.000 Sachverständige für 200 Sachgebiete registriert sind. Das klingt auf den ersten Blick viel. Was mir aber echte Sorgen macht, ist die Altersstruktur. Der jüngste ist 49 Jahre alt, der älteste 78. Mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren haben wir ein echtes Nachwuchsproblem.

Wo sind die Sorgen besonders drückend?
Nachwuchssorgen gibt es in allen Sachgebieten, egal ob bei „Schäden an Gebäuden“, der Grundstückswertermittlung, im Straßenbau, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik, Straßenverkehrsunfälle oder in der IT, um die am häufigsten gefragten zu nennen. Wir suchen dringend Nachwuchs mit profunder Ausbildung und Berufserfahrung, die sich dem herausfordernden, aber gleichzeitig spannenden und krisensicheren Job stellen.

Wer konkret ist angesprochen?
Im Prinzip jeder, der die gerade genannten Kriterien erfüllt – unabhängig davon, ob er ein eigenes Unternehmen, zum Beispiel ein Ingenieurbüro führt, als Selbstständiger ein weiteres Standbein aufbauen will oder „nur“ Angestellter ist. Wichtig ist, er muss weisungsfrei und frei von finanziellen und anderen Abhängigkeiten arbeiten und seine Gutachten erstellen können. 
Es lohnt sich auch für Unternehmen, wenn Mitarbeiter öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sind.
Also kann auch ein Unternehmer seinen Mitarbeiter als Sachverständigen motivieren? 
Prinzipiell ja. Das kann sich durchaus wirtschaftlich auszahlen, ein weiteres Standbein im Unternehmen aufzubauen, zum Beispiel um konjunkturelle Schwankungen besser ausgleichen zu können. Die wichtigste Bedingung ist, dass der Mitarbeiter die Gutachten frei und unabhängig erstellen kann, der Chef sich also nicht einmischt.

Vor der öffentlichen Bestellung steht die Prüfung …
… ja, denn es geht um mehr als einen Eintrag in eine Liste. Die fachlichen Anforderungen sind durchaus umfangreich. Ohne viel juristische Formulierungen auf den Punkt gebracht: Der Bewerber muss fundiertes, überdurchschnittliches Fachwissen nachweisen und dieses auch für Laien allgemeinverständlich formulieren können. Er muss unabhängig arbeiten können und auch als Persönlichkeit überzeugen, z.B. in einer mündlichen Verhandlung vor Gericht. All das wird von einem Fachgremium geprüft. 
Es geht um mehr als einen Eintrag in eine Liste.
Die IHK übernimmt diese Prüfungen?
Ja, in Thüringen für den gesamten Bereich der Wirtschaft. Daneben bestellen auch die Handwerkskammern im handwerklichen Bereich und das Landesverwaltungsamt in Land-und Fortwirtschaft. Wir sehen unsere Aufgabe zusätzlich auch darin, interessierte Fachleute zu finden, über die Anforderungen zu informieren, sie im Prozess der Vorbereitung zu unterstützen.

Hat schon mal ein Bewerber die Prüfung nicht bestanden oder mussten Sie schon mal jemanden abweisen?
Ja, auch das ist schon passiert. So gab es als Folge kurz zurückliegender Insolvenzen offene Forderungen im Kreise der künftigen „Kunden“, so dass die Gefahr von Befangenheit bestand. Auch hat der ein oder andere Bewerber die fachlichen Anforderungen unterschätzt, die vorzulegenden Gutachten nicht gründlich genug vorbereitet, sein Sachgebiet nicht umfassend beherrscht oder konnte sein Wissen nicht nachvollziehbar „rüberbringen“. Wer sich engagiert der Herausforderung stellt, kann die Prüfung meistern. 
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