ENERGIE UND WIRTSCHAFT

JETZT ist die Zeit zu handeln!

Energieeffizienz, CO2-Einsparung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz gehören für Marcel Michele-Naussed als Fachbereichsleiter Umwelt im Stahlwerk Thüringen zu den täglichen Herausforderungen. Auch im IHK-Energie- und Umweltausschuss engagiert er sich für diese Themen. Im Interview zeigt er auf, was die Ausschussarbeit bestimmt, spricht darüber, was Unternehmen in der jetzigen Situation tun können, hat aber auch eine deutliche Botschaft an die Politik.


Bereits 2021 sind die Energiepreise enorm gestiegen. Welche Empfehlungen hatte der IHK-Energie- und Umweltausschuss für die Unternehmen?

Wir haben in unserer Arbeit insbesondere auf den direkt wirkenden Effekt hingewiesen, den individuell umsetzbare Energieeffizienzmaßnahmen den Unternehmen bieten. Des Weiteren war es uns ein Anliegen, den Nutzen von Investitionen in alternative Energieerzeugungsanlagen, am Standort oder im überregionalen Verbund, für den Eigenverbrauch hervorzuheben.
Ein wichtiges Werkzeug zum Wissenstransfer beim Thema Energieeinsparung ist das Netzwerk Energie-Effizienz Ostthüringen II (NEEO II), in dem 20 Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammenarbeiten. 
Im IHK-Projekt „Azubis als Energiescouts 2022“ engagieren sich auch zwei Unternehmen, die im IHK-Energie- und Umweltausschuss mitarbeiten.
Für die Politikgespräche der IHK haben wir Vorschläge zur Sicherung einer bezahlbaren, grundlastfähigen Energieversorgung erarbeitet.


Welche Aktivitäten sind konkret aus dem IHK-Ausschuss heraus angestoßen worden?

Im Ausschuss haben wir einen Katalog mit konkreten Vorschlägen zum Themenkomplex Sicherung einer bezahlbaren grundlastfähigen Energieversorgung erarbeitet und diese Maßnahmen in der IHK-Vollversammlung diskutiert. Schwerpunkt dabei waren die zügige Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Vereinfachung der Regelungen für den zwingend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese Beschlüsse bildeten dann die Grundlage für die weiteren Politikgespräche der IHK.
Von diesen Initiativen leiteten sich wichtige Erfolge ab, unter anderem die Anpassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes für eine schnellere Brennstoffumstellung, über die die IHK auch in mehreren Webinaren informierte. Auch die vorfristige Aussetzung der EEG-Umlage zum Juli 2022 ist für die Unternehmen eine wichtige Entlastung.


Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine sind die Energiepreise förmlich explodiert. Die Bundesregierung hat den Notfallplan Gas ausgerufen. Was änderte sich dadurch?

Die Erklärung der Gasmangellage führte in einem ersten Schritt dazu, dass viele Unternehmen Schutzanträge an die Bundesnetzagentur stellten, um im Notfall den ansonsten drohenden Zwangsabschaltungen zu entgehen. Die Kündigung von Gasversorgungsverträgen brachte einige Unternehmen in eine sehr schwierige, teils existenzbedrohende ökonomische Lage.
Insgesamt ist jedoch aufgrund der grundsätzlichen Diversität der Gasversorgungsverträge die Situation in den Unternehmen sehr differenziert. Die IHK bietet deshalb regelmäßig breit gefächerte Informationen und Unterstützungsangebote für die Unternehmen der Region an (Webinare, individuelle Beratung, Kontaktvermittlung, Politikgespräche etc.).
Das oberste Gebot für Unternehmen ist, ihre Energieeinsparpotenziale zu nutzen.


Wie geht es jetzt nach Ihrer Einschätzung weiter? Was können Unternehmen tun?

Das oberste Gebot ist weiterhin, die im Unternehmen vorhandenen Energieeinsparpotenziale zu nutzen und die Energieeffizienz zu erhöhen, auch wenn sich die Rentabilität nicht sofort einstellt. 
Ein enger und offener Kontakt mit dem Energieversorger ist unerlässlich, um mögliche kurzfristige finanzielle Engpässe kooperativ zu meistern. 
Jedes Unternehmen sollte für sich prüfen, welche Möglichkeiten es hat, die Energieeigenversorgung für sich und mit regionalen Partnerschaften auf- und auszubauen. Heute ist die Zeit für kreative Ideen.
Die Beratungsangebote der IHK unterstützen die Unternehmen sowohl bei dem Thema Energieeinsparung als auch alternative Energieerzeugung, ergänzt mit den dafür bereitstehenden Förderprogrammen verschiedener Projektträger.
Der realitätsorientierte, technologieoffene und ideologiefreie Ausbau der erneuerbaren Energien ist elementar.


Welche Botschaft haben Sie an die Politik?

Eines ist ganz klar. JETZT ist die Zeit zu handeln! Jetzt müssen den Unternehmen offene Rahmenbedingungen in gesetzlichen Regelungen und Förderstrukturen geschaffen werden, um das Thema Dekarbonisierung, Energieeffizienz und Strukturwandel kreativ und individuell angepasst an die Bedürfnisse des Unternehmens umzusetzen – fern aller parteipolitischen ideologischen Zwänge. Nur gemeinsames zielorientiertes Gestalten der Politik gemeinsam mit der Industrie sichert die Unternehmen nachhaltig und damit auch die sozialen Strukturen der Gesellschaft. Dazu zählen kurzfristig unter anderem Unterstützungs- und Härtefallregelungen.
 
JETZT ist die Zeit zu handeln!
In der mindestens mittelfristigen Perspektive ist die sichere, planbare und bezahlbare Energieversorgung das Kernthema. Damit direkt verbunden ist der beschleunigte sowie realitätsorientierte, technologieoffene und ideologiefreie Ausbau der erneuerbaren Energien elementar, um unsere Industriestandorte zu sichern. Förderprogramme zur Dekarbonisierung sollten nicht nur auf die maximale CO2-Einsparung als Bewertungskriterium abzielen, sondern auch den sozialen regionalen Ankerpunkt eines Unternehmens für die dortige Zivilgesellschaft mit berücksichtigen, um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren.
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