WIRTSCHAFTSFAKTOR STANDORTATTRAKTIVITÄT

„Lebensqualität macht Städte für Menschen und Firmen anziehend“

Wenn es darum geht, Fachkräfte und Azubis zu gewinnen und zu binden, setzen Firmen auf attraktive Arbeitsbedingungen, ein positives Betriebsklima und Entwicklungschancen. Für viele Menschen ist jedoch ein lebenswertes Umfeld ein ebenso wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen einen Arbeitsplatz. Anke Weithase-Hupfer engagiert sich als Wirtschaftsförderin der Stadt Zeulenroda-Triebes deshalb intensiv auch für die Themen Stadtentwicklung und Citymanagement.
Lebensqualität und Wirtschaftsförderung sind für sie zwei Seiten derselben Medaille. „Attraktive Innenstadt, gut funktionierende Infrastruktur, vielfältige Angebote für Familien und Freizeit sind wichtige Standortfaktoren – nicht nur für die Industrieunternehmen, sondern auch für Händler, Gastronomen, Dienstleister, deren Angebote und Leistungen das Image einer Stadt entscheidend mitprägen“, sagt sie. Ganz entscheidend ist für Anke Weithase-Hupfer ein offener Dialog zwischen allen Akteuren und vor allem mit den Menschen, die in „ihrer“ Stadt leben.

Von ÖPNV bis Perspektive für den Einzelhandel

So hört sie genau hin, wenn Unternehmer ihr beispielsweise schildern, dass Mitarbeiter und Azubis ohne Auto die Firma nur schlecht erreichen können, lange Fahr- und Wartezeiten in Kauf nehmen müssen – und sie kümmert sich, setzt sich für eine bessere ÖPNV-Anbindung ein oder für passende Wohnraumangebote für Azubis. „Es ist ein großer Standortnachteil, wenn die Infrastruktur nicht stimmt – erst recht für kleine Städte, wie Zeulenroda.“ Neben guter Erreichbarkeit nennt sie noch weitere Faktoren: „Vieles gehört heute zum Standard wie Breitbandanbindung, öffentliches WLAN in der Innenstadt oder Lademöglichkeiten fürs Handy.“ 
Zeulenroda hat mit vielen Problemen zu kämpfen, die wohl jede andere Stadt teilt: Leerstand von Geschäften in der Innenstadt, Sanierungsbedarf der Bausubstanz, ausbleibende Besucher und somit Kunden für Handel, Gastronomie und Dienstleistungen. Ideen sind gefragt, um Alternativen und Perspektiven zu schaffen – und Ideen hat Anke Weithase-Hupfer viele. „Warum nicht leerstehende Ladenlokale nutzen, um Gründern mit neuen frischen Ideen einen Platz zu geben, sich auszuprobieren? Günstige Konditionen könnten den Start erleichtern“, beschreibt sie einen der Lösungsansätze, die sie verfolgen will. Ein Vermieter war schnell gefunden, der die Idee mittragen wollte. Doch die Umsetzung scheiterte bisher an bürokratischen Hürden. Aus leerstehenden Räumen Co-Working-Spaces zu machen, ist eine andere Idee. „So können wir jungen Leuten, die flexibel arbeiten wollen, in unserer Stadt Chancen bieten. Vielleicht überzeugen sie attraktive Arbeitsbedingungen in einem landschaftlich und touristisch interessanten Umfeld.“ Doch auch hier sind noch viele Hürden zu nehmen. „Mir ist deshalb der ständige Dialog mit den verschiedenen Partnern wichtig, um neue Ideen zu entwickeln und vor allem Umsetzungsmöglichkeiten zu finden.“

Lebendigen Lebensraum schaffen – Menschen einbeziehen

Das wichtigste für die Zukunft der Innenstadt aber sei, einen lebendigen Lebensraum zu schaffen, sodass sich die Einwohner mit ihrer Stadt identifizieren können und ein positives Image nach außen tragen. „Menschen wollen Begegnungsmöglichkeiten. Das zeigt uns das große Interesse und Engagement an Aktionstagen oder kulturellen Angeboten“, sagt sie und verweist beispielsweise auf „Heimat shoppen“ im August. „Ich war begeistert, wie viele Menschen in der Stadt unterwegs waren. Viele trugen die blauen ‚Heimat shoppen‘-Tüten, die bei jedem Einkauf mitgegeben wurden.“ Der Tag sei also nicht nur bei den Besuchern und Bürgern gut angekommen, sondern war auch ein Erfolg für die Einzelhändler der Stadt. Gute Resonanz findet auch die „Kultur am roten Sofa“, eine Aktion mit Künstlern der Region, die regelmäßig an unterschiedlichen Orten in der Stadt stattfindet. Viele Besucher hat die Veranstaltung „halb 8 im Park“ mit Auftritten von Bands angezogen. „Das wollen wir künftig regelmäßig anbieten.“
Ein Platz mitten in der Innenstadt, wo man sich treffen und austauschen kann, bei einem Kaffee in grüner Umgebung oder bei kleinen Events - im kommenden Jahr entsteht in einer Baulücke genauso ein Treffpunkt. Ideen und Anregungen dazu haben die Bürger der Stadt selbst geliefert. „Ich habe mich sehr gefreut über das große Interesse und die vielen Anregungen. Das zeigt, wie wichtig den Zeulenrodaern ihre Stadt ist und sie diese aktiv mitgestalten wollen.“ Aktionen, wie „Heimat shoppen“ oder unser „lebendiger Adventskalender“ wären ebenfalls ohne das Engagement von Unternehmern und Vereinen nicht denkbar und schon gar nicht so erfolgreich.

Kommunikation und offener Austausch

„Was macht eine Innenstadt attraktiv und lebenswert?“, diese Frage diskutiert sie gern und offen ressortübergreifend im Rathaus, mit anderen Stadtentwicklern der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing (bei der sie Thüringen vertritt), vor allem aber mit den Unternehmern vor Ort. Zwei Dinge stehen für Anke Weithase-Hupfer dabei an erster Stelle. Erstens: Innenstädte werden immer mehr zum Lebens- und Erlebensraum und somit immer weniger von klassischen Funktionen definiert. Zweitens: Diese Transformation kann nur im offenen Austausch mit allen Beteiligten gelingen. „Der Job eines Wirtschaftsförderers und Stadtentwicklers ist vor allem Kommunikation.“
Erfahrungen austauschen, Probleme diskutieren und gemeinsam Lösungen finden, das ist auch das Ziel des erst vor kurzem gegründeten „Gastronomenstammtisches“. Die Gastronomie hätte ebenso wie der Handel mit vielen Problemen zu kämpfen: Personalmangel, Kostenentwicklung und auch Konsumzurückhaltung, so die Wirtschaftsförderin. „Für unsere touristisch und landschaftlich attraktive Region sind Restaurants, Cafés und Imbissangebote wichtige Komponenten, damit Gäste sich hier wohlfühlen und vor allem wiederkommen. Deshalb haben wir eine Möglichkeit zum Austausch geschaffen, wo Probleme auf den Tisch gelegt und diskutiert werden können, wo sich vielleicht auch Lösungsansätze finden lassen und sich Anknüpfungspunkte für Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung ergeben.“ Gute Erfahrungen mit einer solchen Austauschplattform hatte man schon mit dem „Vermieterstammtisch“ sammeln können.

Mehr Freiräume für Ideen und Entscheidungen schaffen

„Als Wirtschaftsförderer ist man ein wichtiges Bindeglied zwischen Verwaltung, Unternehmen und Bürgern.“ – So sieht Anke Weithase-Hupfer ihre Aufgabe. Das ist eine Herausforderung, der sie sich mit viel Ideenreichtum und Engagement stellt: „Viel Kommunikation mit allen Beteiligten und immer dranbleiben“, ist ihr Motto. Dabei erfährt sie viel Unterstützung, aber auch viele Hürden. „Oft erschweren Vorschriften, wie bei Schließung von Baulücken in der Innenstadt, die Umsetzung von Ideen“, nennt sie ein Beispiel und wünscht sich mehr Gestaltungsspielraum für Kommunen. So auch beim Thema Ladenöffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntage. „Die Bindung an bestimmte Anlässe ist zu starr. Mehr Flexibilität wäre ein Gewinn für alle.“ Auch weniger Projektbürokratie und mehr Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln würden ihr die Arbeit erleichtern. „Es gibt viele spannende und interessante Angebote. Leider sind die Bewerbungsfristen oft zu kurz. Gerade für kleine Kommunen mit dünner Personaldecke ist es daher unmöglich, alle geforderten Unterlagen rechtzeitig zusammenzustellen. Effektive Beratung und Unterstützung wäre eine große Hilfe, um mehr Ideen für eine lebenswerte Innenstadt umsetzen zu können.“ 
Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (bcsd)
Die bcsd wurde 1996 in Berlin gegründet und hat über 580 Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet. Die bcsd fördert und unterstützt alle, die sich in den Städten in jeder Form des City- und Stadtmarketings gemeinsam mit den Menschen für eine vitale und funktionierende Innenstadt einsetzen. Sie bietet Expertise und schafft Netzwerke für Diskussion und Austausch um die Stadt der Zukunft. Die bcsd bietet auch Beratungsleistungen sowie Informationen an. 
Darüber hinaus versteht sich die Bundesvereinigung als Berufsverband und vertritt die Interessen des Stadtmarketings gegenüber den wichtigsten Einrichtungen auf der Bundes- und Landesebene, auch durch die bcsd-Landesverbände.

bcsd.de

 
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