RECYCLINGBAUSTOFFE

Was der Staat vorschreibt, muss er zuallererst bei sich selbst umsetzen!

Seit 1. August 2023 ist der Einsatz von recycelten Baustoffen bundeseinheitlich gesetzlich geregelt. Die Ersatzbaustoffverordnung löst die bisherigen oft abweichenden Länderregelungen ab. Viele Detailfragen müssen geklärt werden. Die größte Hürde aber ist die fehlende Akzeptanz dieser Baustoffe, vor allem bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand. In einem Appell an die Landesregierung fordern die Thüringer IHKs deshalb, dass der Einsatz von alternativen Baustoffen verbindlich berücksichtigt wird. „Was der Staat vorschreibt, muss er zuallererst bei sich selbst umsetzen!“

Vorteil: Einheitliche Regelungen für alle mit verbindlichen Qualitätsstandards

Die Ersatzbaustoffverordnung regelt unter anderem Qualitätsansprüche, Zulassung und Einsatzmöglichkeiten von Bau- und Abbruchmaterial oder Schlacken und Aschen – und das bundeseinheitlich. Ein großer Vorteil im Vergleich zu den bisher geltenden 16 unterschiedlichen Länderregelungen. Das Verordnungspaket legt die Spielregeln für ein besseres Wirtschaften in Kreisläufen fest, soll die Recyclingquoten erhöhen, Boden und Grundwasser schützen und die Nachhaltigkeit stärken. Gerade einheitliche Qualitätsstandards sind wichtig, um die Potenziale von recycelten Baustoffen besser erschließen zu können.

Nachteil: Schärfere Regulierung schränkt schon bestehende Verwendungen ein

Allerdings wird dadurch die Zulassung von Ersatzbaustoffen noch stärker reguliert und die Unternehmen müssen insgesamt umfangreichere Vorgaben umsetzen, um die hohen Qualitätsansprüche umzusetzen und nachzuweisen. Aber nicht die dadurch entstehende zusätzliche Bürokratie sei das Problem, sondern die deutlich verschärften Analysemethoden und niedrigeren Grenzwerte, dazu mehr Parameter, sagt Bauunternehmer Uwe Meißner. Der Geschäftsführer der Adelheid Meißner GmbH aus Gera macht eine einfache Rechnung auf: „Wir nutzen Bodenaushub, um beispielsweise Kies- und Tongruben zu verfüllen. Mit den seit 1. August geltenden Parametern und Grenzwerten ist aber nach meiner Meinung nur noch die Hälfte der mineralischen Abfälle dafür zulässig. Die andere Hälfte muss in Technischen Bauwerken nach Vorgaben der EBV verwertet oder auf Deponien gebracht werden. Das heißt zusätzliche Transportkosten und CO2-Ausstoß, abgesehen davon, dass die notwendige Deponiekapazität nicht verfügbar ist.“ Was ihm besonders Sorgen macht: So würden dringend für die Wiedernutzbarmachung benötigte mineralische Abfälle unattraktiver und ihre Einsatzmöglichkeiten eingeschränkt. „Man erreicht also das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war.“
Ein weiterer Kritikpunkt von Uwe Meißner ist, dass in Vorbereitung der Einführung der Verordnung erst sehr spät, ca. sechs Wochen vorher, dringend notwendige Vollzugshinweise der Landesbehörden bekannt gegeben wurden. Dadurch hatten weder Behörden noch Firmen Zeit, sich rechtzeitig auf die neue Situation einzustellen. So würden ihn weiterhin Ausschreibungen mit den bisher geltenden Qualitätsparametern erreichen, die er nicht bedienen könne, ohne gegen jetzt geltendes Recht zu verstoßen.

Ausgestaltung: Möglichst bürokratiearme und praktikable Umsetzung

Die vielen noch offenen Umsetzungsdetails wie: Übergangsfristen, Umgang mit bestehenden BImSchV-Genehmigungen, Einrichtung der Kataster und Prüfstellen, Aufbewahrungsfristen, Umgang mit Ausnahmen, Wiedereinsatz von Abrissmaterial auf derselben Baustelle sind Thema intensiver Arbeitsgespräche, die Unternehmer und IHK derzeit mit dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) führen. Ziel ist eine möglichst bürokratiearme und praktikable Umsetzung der Verordnung in Thüringen.

Forderung: Ersatzbaustoffe auch bei öffentlichen Bauprojekten akzeptieren

„Es fehlt in Thüringen noch immer das klare Bekenntnis der öffentlichen Hand, Recyclingbaustoffe auch bei eigenen Bauprojekten einzusetzen“, verweist Dr. Wieland Kögel, Geschäftsführer der BIT Tiefbauplanung GmbH und Vorsitzender des IHK-Ausschusses Energie und Umwelt der IHK Ostthüringen auf einen weiteren Kritikpunkt. „Dieses Problem wird mit der neuen Verordnung weiterhin nicht gelöst“, betont er. Er hat in der Vergangenheit oft erlebt, dass bei öffentlichen Ausschreibungen, zum Beispiel zum Bau von Radwegen, der Einsatz von Recyclingbaustoffen ausdrücklich ausgeschlossen wurde. „Das ist nicht länger hinnehmbar, gerade wenn die Politik Recycling und Kreislaufwirtschaft einfordert, aber selbst nicht einsetzt.“ Dabei wird dem Staat im Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Vorbildrolle bei der Umsetzung von Recyclingprozessen zugeschrieben. „Was der Staat vorschreibt, muss er zuallererst bei sich selbst umsetzen!“, ist daher eine zentrale Forderung der Thüringer IHKs an die Landespolitik. 
Hintergrund
Mineralische Ersatzbaustoffe sind Abfälle oder Nebenprodukte, die als Baustoffe verwendet werden können. Sie sind mit mehr als 260 Mio. Tonnen (2017) der mengenmäßig größte Abfallstrom in Deutschland. Sie können zum Beispiel im Straßen- oder Erdbau eingesetzt werden. Ziel ist es, natürliche Ressourcen zu schonen und die Umweltbelastung zu verringern. Ersatzbaustoffe können zum Beispiel aus Bauschutt, Schlacke, Asche oder Kunststoffen bestehen.
Betroffen von der neuen Verordnung sind also unter anderem Baufirmen, Bauherren und hier insbesondere die öffentliche Hand, Betreiber von Aufbereitungsanlagen für Recyclingbaustoffe, metallerzeugende Industriebetriebe und Abfallverbrennungsanlagen. Neue Aufgaben ergeben sich aber auch für die Prüf- und Zulassungsstellen und die Umweltbehörden des Landes.

ihk.de/gera
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