Neue Vorgaben durch die EU-Verordnung zu entwaldungs-freien Lieferketten

Viele Unternehmen fallen ab Ende 2025 unter die Vorgaben der – leider sehr bürokratischen und kaum praktikablen - EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten („EUDR“). Betroffen sind nicht nur Importeure, sondern auch Hersteller und Händler verschiedener Erzeugnisse innerhalb der EU, z. B. aus Holz und Papier, Naturkautschuk, Palmöl und Soja.
Alle Betroffenen (mit Ausnahme von KMU-Händlern) müssen u. a. Sorgfaltserklärungen in einer neuen EU-Plattform abgeben, wofür sie Daten ihrer Lieferanten benötigen, die zum Teil nur schwer zu beschaffen sind.
Ausführliche Informationen (u. a. viele FAQ) finden sich auf der Homepage der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (www.ble.de, dort unter „Unsere Themen“). Weitere Fragen nimmt die BLE entgegen unter „anfragen@entwaldungsfreie-produkte.de“.
Auch die IHK kann manche Fragen beantworten (wilfried.baumann@freiburg.ihk.de, Tel. 0761 3858-265), wobei es leider zu manchen Sachverhalten noch keine hilfreichen Antworten gibt (z. B. bei fehlenden Geodaten aus China).
Auf folgende Punkte sei besonders hingewiesen:
  1. Betroffen sind nicht nur der Import in die EU hinein und der Export aus der EU heraus, sondern auch die Produktion und der Vertrieb innerhalb der EU (z. B. eine Papierproduktion, obwohl das dafür verwendete Holz ausschließlich in europäischen Wäldern gewachsen ist)!
  2. Welche Erzeugnisse aus den sieben betroffenen Rohstoffen konkret unter die EUDR fallen, wird im Anhang I der EUDR anhand von Zoll-Nummern (KN-Nummern, Kombinierte Nomenklatur) aufgelistet auf den Seiten 243 bis 246 hier im EU-Amtsblatt L 150 vom 9.06.2023: Verordnung - 2023/1115 - DE - EUR-Lex (europa.eu)
  3. Alle Unternehmen sollten deshalb sorgfältig prüfen, ob ihre Produkte unter eine der KN-Nummern in Anhang I fallen oder stattdessen anderen KN-Nummern zuzuordnen sind. Alle geltenden KN-Nummern findet man hier im EU-Amtsblatt (auf 1100 Seiten) oder beim Statistischen Bundesamt hier in einer Suchmaschine. Dort kann z.B. mit Suchworten ermittelt werden, ob es andere KN-Nummern gibt, die das eigene Produkt besser bzw. genauer beschreiben. Die Auswahl der zutreffenden KN-Nummer liegt in der Verantwortung des Unternehmers.
  4. Holz ist einer der sieben betroffenen Rohstoffe und war bisher in der EU-Holzhandelsverordnung (EU) Nr. 995/2010 geregelt. Diese wird durch die EUDR ersetzt, aber letztere betrifft mehr Holzprodukte als die bisherige Regelung. Deshalb gilt folgende Unterscheidung:
    • Falls ein Holzerzeugnis nicht unter die alte Verordnung fällt, gilt ab Ende 2025 die neue Verordnung, falls es dort in Anhang I genannt wird.
    • Falls ein Holzerzeugnis schon unter die alte Verordnung fällt und nach dem 30.06.2023 erzeugt wurde oder dieses Jahr noch erzeugt wird, gilt bis Ende 2025 die alte Verordnung und ab Silvester 2025 die neue.
    • Falls ein Holzerzeugnis schon unter die alte Verordnung fiel und schon vor dem 29.06.2023 erzeugt wurde, gilt aufgrund einer mehrjährigen Übergangsfrist bis Ende 2027 die alte Verordnung und ab Silvester 2027 die neue.
  5. In folgender IHK-Auflistung werden alle Holzerzeugnisse aus Anhang I genannt und dabei die neu betroffenen Holzerzeugnisse fett markiert: Link zur Auflistung
  6. Die in Anhang I beim KN-Code 4415 formulierte Ausnahme für Holzverpackungen gilt nach allgemeiner Lesart nur dann, wenn diese Holzverpackungen mit anderweitigen Erzeugnissen befüllt sind (z. B. Import einer Maschine in einer Holzkiste). Sie gilt dagegen nicht für den Import oder die Herstellung leerer Verpackungen, die dann als Verpackungsmaterial verkauft werden, d. h. in diesen Fällen ist die Verordnung zu beachten.
  7. Die besagte Ausnahme für Holzverpackungen mit Waren darin gilt auch für Verpackungen aus Karton oder ähnlichem (gemäß den FAQ und Leitlinien der EU sowie der FAQ-Seite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung "Bedienungsanleitungen, die Sendungen beiliegen, fallen ebenfalls unter diese Ausnahme, es sei denn, sie werden eigenständig erworben.“
  8. Die EUDR unterscheidet sprachlich etwas unglücklich zwischen „Marktteilnehmern“ und Händlern (obwohl diese umgangssprachlich sicherlich auch „am Markt teilnehmen“). Entscheidend ist laut den EUDR-Begriffsbestimmungen, dass „Marktteilnehmer“ jeweils die ersten in der EU-Lieferkette (oder Exporteure) sind, d. h. sie bringen betroffene Rohstoffe oder betroffene Erzeugnisse erstmals in der EU in Verkehr (durch Import oder eigene Herstellung). Dagegen sind „Händler“ niemals die ersten in der EU-Lieferkette, sondern die zweiten oder nachfolgenden Unternehmen. Außerdem sind nur die Händler von in der Verordnung genannten Erzeugnissen betroffen, also nicht die Händler von Erzeugnissen mit anderer KN-Nummer. Auch bei Rohstoff-Importeuren in die EU sind die KN-Nummern entscheidend.
  9. Bei Händlern wird unterschieden, ob sie kleine bzw. mittlere Unternehmen („KMU“) oder „Nicht-KMU“ (also größer) sind, was im Hinblick auf die ihnen zugeordneten Pflichten wichtig ist. Außerdem wird für Kleinst- und kleine Unternehmen (also nicht für mittlere und nicht für größere) eine zusätzliche halbjährige Frist eingeführt, d. h. sie müssen die Pflichten nicht ab 30.12.2025, sondern ab 30.06.2026 einhalten. Diese halbjährige Verlängerung gilt laut Artikel 38 der neuen EUDR jedoch nur für Holz, dass nicht schon unter die Vorgänger-Verordnung EUTR (EU-Holzhandelsverordnung, EU 995/2010) fiel!
  10. Kleine und mittlere Unternehmen werden durch den Verweis auf die Richtlinie 2013/34/EU wie folgt definiert:
    • Kleine Unternehmen unterschreiten min. zwei der folgenden Grenzen: 50 Mitarbeiter, Bilanzsumme 5 Mio. €, Nettoumsatzerlöse 10 Mio. €;
    • Mittlere Unternehmen unterschreiten min. zwei der folgenden Grenzen: 250 Mitarbeiter, Bilanzsumme 25 Mio. €, Nettoumsatzerlöse 50 Mio. €
    • Bei den hier zitierten Werten ist bereits berücksichtigt, dass diese in der besagten Bilanz-Richtlinie 2013/34 mittels der Delegierten Richtlinie 2023/2775 ab dem Geschäftsjahr 2024 erhöht wurden.
  11. Eine der Kernforderungen der EUDR an Importeure ist die Einhaltung praktisch aller Rechtsvorschriften im Ursprungsland. Dies kann in der Praxis wohl kaum lückenlos erreicht werden, weshalb es vermutlich auf eine Flut von gegenseitigen „Bestätigungen“ hinausläuft, deren Verlässlichkeit zweifelhaft sein dürfte.
  12. Gemäß Artikel 29 der Verordnung wurde ein dreistufiges System zur Bewertung aller Staaten bzw. von deren Landesteilen eingeführt (geringes, normales, hohes Risiko). Die EU-Kommission hat dazu im Mai 2025 eine entsprechende Staatenliste veröffentlicht (vgl. auf dieser Homepage hier)
    Nur für Staaten mit geringem Risiko greifen die Vereinfachungen aus Artikel 13 („vereinfachte Sorgfaltspflicht“). Aber dies bedeutet leider nicht, dass Sorgfaltserklärungen incl. Geodaten entfallen könnten.
  13. Eine denkbare Alternative zu diesem dreistufigen System wäre für Holz und Holzerzeugnisse gewesen, nur Importe aus Wäldern mit anerkannten Zertifizierungen (z. B. FSC, PEFC) zu gestatten. Dies allein genügt aber leider nicht, um die wesentlichen Vorgaben der Verordnung zu erfüllen, denn gemäß Artikel 10 („Risikobewertung“) sind mögliche vorhandene Zertifizierungen nur eins von vierzehn zu berücksichtigenden Kriterien.
  14. Das neue Informationssystem für die Registrierung, die Sorgfaltserklärungen, deren Referenznummern etc. ist über folgenden Link zum EU-Portal zu finden.
  15. Eine Auflistung von Softwarelösungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) findet sich hier: Entwaldungsfreie Lieferketten: IT-Tools
Insgesamt erscheint die Verordnung zwar gut gemeint im Hinblick auf den Schutz des Regenwalds, aber sehr schlecht gemacht und teilweise weder praktikabel noch zumutbar. Insofern ist auf Kulanz nicht nur von Seiten der Behörden, sondern auch innerhalb der Lieferketten zu hoffen, damit sich Unternehmen nicht gegenseitig überfordern.