Replik zur Sommertour - "Zukunft gestalten - Wirtschaft im Dialog"
Die Sommertour der IHK Erfurt führte in der zweiten Augusthälfte 2025 durch den Kammerbezirk der IHK Erfurt. Präsident Peter Zaiß und Hauptgeschäftsführerin Dr. Cornelia Haase-Lerch suchten in zwölf Unternehmensbesuchen sowie sieben Sitzungen der IHK-Wirtschaftsbeiräte den direkten Austausch mit der regionalen Wirtschaft. Insgesamt konnten über 200 persönliche Kontakte geknüpft werden.
Das Ziel: Stimmungen aufnehmen, Zukunftsthemen diskutieren, konkrete Handlungsbedarfe identifizieren. Ein halbes Jahr nach den Wahlen in Land und Bund war es zudem der erste Realitätscheck der neuen politischen Rahmenbedingungen aus Sicht der Unternehmen.
Zentrale Beobachtungen
- Wirtschaftliche Lage
Die wirtschaftliche Situation der Unternehmen im Kammerbezirk stellt sich sehr unterschiedlich dar. Während einige Betriebe von soliden Auftragslagen berichten und ihre Kapazitäten bis weit ins Jahr 2026 auslasten können, herrscht in anderen Branchen große Zurückhaltung bei Investitionen. Belastend wirken weiterhin hohe Energie- und Lohnkosten sowie steigende Sozialabgaben, die in Kombination mit einer anhaltend schwachen Konjunktur die Wettbewerbsfähigkeit unter Druck setzen. Besonders deutlich wurde jedoch: Über alle Branchen hinweg empfinden Unternehmen die zunehmende Bürokratie als die gravierendste Belastung.
- Anreize für Arbeit
Die Rückmeldungen aus den Betrieben machen deutlich: Arbeit lohnt sich in Deutschland immer weniger. Das aktuelle Gefüge aus Bürgergeld, hohen Sozialleistungen und zugleich nivellierten und erodierenden Lohnabständen durch Mindestlohngesetze setzt fatale Fehlanreize. Viele Unternehmen berichten, dass Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, weil Jugendliche im Bürgergeld-System sich besser abgesichert fühlen als in einer dualen Ausbildung, die auch international wertvolle Perspektiven eröffnet. Ebenso berichten Betriebe, dass einfache Tätigkeiten immer häufiger nicht mehr besetzt werden, da der Abstand zwischen Transferleistungen und Erwerbseinkommen zu gering ist bzw. der Mindestlohn bei solchen einfachen Tätigkeiten nicht erwirtschaftet werden kann und damit vom Unternehmen subventioniert werden müsste. Damit landen zusätzliche Personen im Sozialsystem. Hinzu kommt, dass das Leistungsprinzip durch politische Eingriffe zunehmend entwertet wird: Wer mehr leistet oder sich qualifiziert, hat kaum noch einen spürbaren Vorteil. Wenn Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit sichern will, muss Arbeit wieder attraktiver sein als Nichtstun. Das erfordert eine klare Reform sozialstaatlicher Leistungen und eine Stärkung der Anreizstrukturen für Beschäftigung und Qualifizierung – sonst droht dem Standort ein weiterer Verlust an Arbeits- und Leistungsbereitschaft.
- Energie und Infrastruktur
Im Energiebereich zeigt sich ein gemischtes Bild. Einige Unternehmen profitieren von leicht gesunkenen Strompreisen, die mit rund 17 Cent pro Kilowattstunde jedoch weiterhin weit über den Preisen im internationalen Wettbewerb rangieren. Energiepreise bleiben ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Viele Betriebe haben in Photovoltaikanlagen und Speichertechnologien investiert, werden jedoch durch langwierige Genehmigungsverfahren ausgebremst. Auch im Bereich Infrastruktur bestehen erhebliche Herausforderungen. Große Verkehrsprojekte stocken wegen fehlender Planungskapazitäten in den Behörden. Im Tourismus werden fehlende Anbindungen (ÖPNV Straße und Schiene) – etwa in Bad Sulza – als gravierende Standortnachteile empfunden.
- Bürokratie und Regulierung
Quer durch alle Gespräche zieht sich die Klage über überbordende Bürokratie. Ob Vergabeprozesse mit umfangreichen Mindestlohn- und Zertifizierungspflichten, ESG- und Datenschutzauflagen oder zusätzliche Nachweise aus dem Hinweisgeberschutzgesetz – der Aufwand bindet enorme Kapazitäten, ohne zur Wertschöpfung beizutragen. Auch im Energiebereich berichten Unternehmen von Nachweis- und Berichtspflichten, die mittelständische Strukturen überfordern. Besonders kritisch wird das sogenannte Gold-Plating beurteilt, also die Verschärfung nationaler Regelungen gegenüber EU-Vorgaben. So wird insbesondere die Deutsche Umsetzung der DSGVO gegenüber dem EU-Standard bemängelt, die aufgrund der strikten Trennung oft eine mehrfache Datenübermittlung gleichen Inhalts an unterschiedliche Behörden erfordert.
- Fach- und Arbeitskräfte
Die Fachkräftesituation ist ebenfalls zweigeteilt. Einzelne Unternehmen sehen sich aktuell noch gut versorgt und können genügend Bewerbungen verzeichnen. Andere Betriebe – insbesondere in der Industrie und in der Logistik – stoßen jedoch an Grenzen, vor allem wenn es um Schichtarbeit, Wochenendarbeit oder weniger attraktive Tätigkeiten geht. Hinzu kommt, dass die Integration ausländischer Fachkräfte häufig an Sprachbarrieren, komplizierten Anerkennungsverfahren und unsicheren Bleiberechten scheitert. Mehrfach wurde zudem kritisiert, dass das Bürgergeld die Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung unattraktiv mache und damit dringend benötigte Arbeitskräfte dem Markt entziehe.Ein zusätzlicher Belastungsfaktor für die Unternehmen sind hohe Krankenstände in den Belegschaften. Neben den direkten Ausfallzeiten schlagen insbesondere die damit verbundenen Lohnfortzahlungskosten erheblich zu Buche. Verschärft wird die Situation durch die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung, die nach Einschätzung vieler Unternehmer die Hemmschwelle für Krankmeldungen weiter gesenkt hat. In der Wirtschaft werden daher verstärkt Stimmen laut, die Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag zu überdenken. Ziel ist es, Fehlzeiten zu reduzieren, die Belastung für Arbeitgeber kalkulierbarer zu machen und das System insgesamt fairer zu gestalten.
- Bildung und Ausbildung
Im Bildungsbereich reicht die Resonanz von positiven Erfahrungen mit Projekten wie den „IHK-Praxistagen“ bis hin zu deutlicher Sorge über sinkende Bildungsqualität. Immer häufiger berichten Unternehmen von unzureichender Ausbildungsreife der Jugendlichen. Lehrermangel führt zu Stundenausfällen, teilweise sogar zu Vier-Tage-Wochen an Schulen. Dies schwächt die Vorbereitung auf den Berufseinstieg. Unternehmen fordern daher eine stärkere Vermittlung von Grundkompetenzen, verlässliche schulische Strukturen sowie eine klare Aufwertung praktischer Berufe, um junge Menschen besser auf die Arbeitswelt vorzubereiten.
Politische Handlungsbedarfe - auf einen Blick:
Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung
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Spürbares Entlastungsprogramm für Unternehmen
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Abbau unnötiger Berichtspflichten und Nachweise
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Schnellere Genehmigungen, keine Übererfüllung von EU-Recht („Gold-Plating“)
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Verwaltung mit verbindlichen Service-Standards und durchgängigen Digitalprozessen
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Nutzung von Ermessensspielräumen bei Verwaltungsentscheidungen
Arbeitsmarktpolitik und Fachkräftesicherung
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Schulen und Berufsschulen stabilisieren, Unterrichtsausfälle reduzieren
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Grundkompetenzen und praxisnahe Berufsorientierung stärken
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Einfachere Anerkennung und verlässliche Bleiberechtsregelungen für internationale Fachkräfte
Anreize für Arbeit
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Bürgergeld- und Sozialleistungsstrukturen reformieren, damit Arbeit attraktiver ist als Nichtstun
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Mindestlohneffekte kritisch überprüfen: keine Verwischung von Lohnabständen, keine untragbaren Belastungen für einfache Tätigkeiten
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Leistungsprinzip stärken: Arbeitsaufnahme und Qualifizierung müssen klar erkennbar belohnt werden
Umgang mit hohen Krankenständen
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Belastung durch krankheitsbedingte Fehlzeiten und Lohnfortzahlung reduzieren
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Telefonische Krankschreibung kritisch hinterfragen
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Diskussion über Anpassungen bei Lohnfortzahlung/Karenztagen anregen, um Fehlzeiten fairer zu gestalten
Energie und Transformation
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Genehmigungsverfahren für PV, Wind und Speicher deutlich beschleunigen
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Planungssicherheit schaffen, Doppelbelastungen bei CO₂-Kosten vermeiden
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Transformationspfade (z. B. Wasserstoff) mit Übergangsregelungen flankieren, um Kostenschocks zu verhindern
Infrastrukturentwicklung
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Verkehrsprojekte schneller realisieren
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Bessere SPNV- und ÖPNV-Anbindungen im ländlichen Raum
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Verlässliche Erreichbarkeit und Wegeleitung für touristische Destinationen
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Ausbau digitaler Infrastruktur und Aufbau einer leistungsfähigen E-Lkw-Lade- und Netzinfrastruktur
Fazit
Die Sommertour 2025 macht deutlich: Die Wirtschaft in Nord-, Mittel- und Westthüringen ist leistungsstark, investitionsbereit und hoch engagiert. Unternehmen setzen auf Innovation, Ausbildung und regionale Verantwortung – und zeigen damit, dass sie ihren Teil zur Zukunftsfähigkeit des Standortes leisten. Gleichzeitig wurde klar: Bürokratie, schwache Arbeitsanreize und schleppende Verfahren bei Energie- und Infrastrukturprojekten bremsen das vorhandene Potenzial aus.
Das Bild ist eindeutig: Wer heute unternehmerisch tätig ist, stößt weniger an die Grenzen seiner eigenen Leistungsfähigkeit als an die Grenzen staatlicher Strukturen. Wenn sich hier nichts ändert, wird Thüringen wertvolle Zeit, Investitionen und Fachkräfte verlieren.
Die Botschaft aus der Praxis ist klar: Arbeit muss sich wieder lohnen, Genehmigungen müssen schneller erteilt und Regeln konsequent vereinfacht werden. Nur so können wir den Wirtschaftsstandort sichern, die Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen und die Potenziale unserer Region ausschöpfen.
Es liegt jetzt an der Politik, die richtigen Weichen zu stellen. Weniger reden, mehr machen – die Unternehmen sind bereit.
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