Replik Sommertour 2024
Ein Stimmungsbild der regionalen Wirtschaft
Auch in diesem Jahr unternahmen der Präsident der Industrie- und Handelskammer Erfurt, Herr Dieter Bauhaus, und die Hauptgeschäftsführerin, Frau Dr. Cornelia Haase-Lerch, vom 12. bis 22. August 2024 ihre traditionelle Sommertour durch den Kammerbezirk der IHK Erfurt. Die Sommertour 2024 stand unter dem Motto „Wirtschaftliche Resilienz und Zukunftsfähigkeit – Herausforderungen und Lösungen im Mittelstand“. Insgesamt wurden 16 Mitgliedsbetriebe besucht. Auch mit den Spitzen der Landkreise und kreisfreien Städte wurden Gespräche geführt. Dabei wurde eine breite Themenpalette von Digitalisierung über Fachkräftemangel bis hin zu wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen adressiert. Die Tour ermöglichte intensive Einblicke in die aktuelle Lage der Betriebe und bot eine Plattform, um wirtschaftspolitische Themen und betriebliche Herausforderungen zu diskutieren.
- Wirtschaftliche Lage und Stimmung der Unternehmen
Die Gespräche spiegelten eine Mischung aus Resignation und Pragmatismus wider. Noch nie waren die Gespräche derart politisch geprägt. Dazu beigetragen haben sicher der Zeitraum der Sommertour im unmittelbaren Vorfeld der Thüringer Landtagswahl und ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit aktuellen politischen Entscheidungen und Entwicklungen auf der Bundesebene sowie im Freistaat Thüringen. In den Gesprächen wurde durchweg bestätigt, dass der Mittelstand weiterhin vor großen Herausforderungen steht, wobei der Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und der wachsende Bürokratieaufwand dominierende Themen waren. Dennoch zeichneten sich viele Unternehmen durch ihre Anpassungsfähigkeit aus und suchten aktiv nach neuen Wegen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Gleichzeitig besteht in der Unternehmerschaft ein wachsendes Unbehagen über die politische Führung auf Landes- und Bundesebene, insbesondere in Bezug auf fehlende langfristige Planbarkeit und überbordende Regulierung.
- Fachkräfte – Ein drängendes und größer werdendes Problem
Der Fachkräftemangel bleibt eines der größten Hindernisse für den langfristigen Erfolg der Unternehmen. Während einige Unternehmen kurzzeitig Entlastung durch freiwerdende Arbeitskräfte von konkurrierenden Betrieben verspüren und sich diese Entwicklung mit Blick auf die aktuelle Insolvenzentwicklung fortsetzen wird, ist die mittel- und langfristige Sicherstellung von qualifizierten Fachkräften weiterhin eine enorme Herausforderung. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang sowohl in der Quantität als auch der Qualität von Bewerbern in allen Bereichen, von der beruflichen Ausbildung bis hin zu hochspezialisierten Fachkräften. Auch Quereinsteiger und internationale Mitarbeiter konnten diese Lücke bisher nur bedingt schließen, da die Ausbildung und Einarbeitung oft zeit- und ressourcenintensiv sind. Die Sprachertüchtigung bei zugewanderten Fach- und Arbeitskräften darf nicht auf die 2 Unternehmen abgewälzt werden. Ein adäquates Sprachniveau ist Voraussetzung für einen effizienten und unter Kapazitätsgesichtspunkten in den Unternehmen darstellbaren Anstellungsvorgang. Die hohe Anzahl an unbesetzten Lehr- und Arbeitsstellen steht dabei aber auch im Widerspruch zur wahrgenommenen Zurückhaltung der Unternehmen bei der Anstellung ausländischer Auszubildenden und Arbeitskräften. Einige Unternehmen berichteten, dass staatliche Programme zur Integration internationaler Fachkräfte zwar finanziell angereizt werden, die tatsächliche Umsetzung in den Betrieben jedoch viel Personal bindet und die Effektivität der Programme oft zu wünschen übriglässt. Hier wurden insbesondere die zeitaufwendigen Visa- und Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte und Qualifikationen kritisiert, die in Thüringen nach wie vor zu lange dauern. Aus unserer Sicht bedarf es für die koordinierte Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften in den hiesigen Arbeitsmarkt unbedingt einen nachhaltigen Vorstoß und schnelle Umsetzungen sowie eine mit den Landkreisen und kreisfreien Städten geeinte Zentralisierung von Leistungen im Bereich der Anerkennung und Zuwanderung. Besonders besorgniserregend ist die Erkenntnis, dass Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels sich eher arrangieren, weniger Aufträge anzunehmen, anstatt eine aufwendige Akquise von Auszubildenden, Fach- und Arbeitskräften zu betreiben. Die aktuell angespannte und weiter rückläufige Auftragslage verschärft diesen Umstand weiter. Es ist daher zu befürchten, dass wir ein leises, aber stetiges „Herausschleichen“ von Unternehmen aus dem Markt erleben werden.
- Energie – Hohe Kosten, geringe Planungssicherheit
Wie auch im vergangenen Jahr stellt die Energiefrage für viele Betriebe ein zentrales Thema dar. Während kurzfristige Maßnahmen zur Energieeinsparung, wie die Optimierung von Beleuchtungssystemen, erfolgreich umgesetzt wurden, bleibt die Umstellung auf CO2- neutrale Energiequellen eine große Herausforderung. Hierbei spielen vor allem fehlende Speichertechnologien, hohe Investitionskosten und die Unsicherheiten im politischen Umfeld eine hemmende Rolle. Unternehmen berichteten von stockenden Genehmigungsverfahren, insbesondere im Zusammenhang mit der Installation von Photovoltaikanlagen und dem Anschluss ans Stromnetz. Diese bürokratischen Hürden behindern den Ausbau erneuerbarer Energien und erhöhen die Frustration bei den Unternehmen, die prinzipiell bereit sind, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Es wurde deutlich, dass der schnelle und kostengünstige Zugang zu grüner Energie entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Industrie ist.
- Bürokratie – Der große Hemmschuh
Ein zentrales Thema der Sommertour 2024 war der zunehmende Bürokratieaufwand, der die Unternehmen in ihrer Arbeit behindert. Viele Unternehmer bemängelten die wachsende Komplexität bei Anträgen, Genehmigungen und Meldepflichten, die einen unverhältnismäßig hohen Zeit- und Kostenaufwand verursachen. Kritisiert wurden ebenso überzogene Anforderungen an die Unternehmen im Bereich des Datenschutzes. Besonders die kleinen 3 und mittleren Unternehmen sehen sich durch diese Entwicklungen stark benachteiligt, da ihnen oft die personellen und finanziellen Ressourcen fehlen, um die regulatorischen und bürokratischen Anforderungen zu erfüllen. Ein häufig geäußerter Wunsch war eine Entlastung durch einfachere und effizientere Verfahren sowie eine bessere Unterstützung und notwendige Digitalisierung durch die öffentliche Verwaltung. Ein stärkerer Einsatz aller beteiligten Akteure für den Abbau von Bürokratie wurde allseits gefordert, insbesondere in Bereichen wie Bau- und Umweltauflagen. Auch die Verfahren der öffentlichen Vergabe wurden als zu kompliziert und realitätsfremd, mit immer strengeren und steigenden Anforderungen, bewertet.
- Digitalisierung und Innovation
Positiv wurde die zunehmende Digitalisierung vieler Unternehmen aufgenommen. Einige Betriebe berichteten von erfolgreichen Projekten in den Bereichen IT-Sicherheit, Digitalisierung interner Prozesse und der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Besonders im IT-Sektor wurde die Bedeutung von Datensicherheit und der Einsatz eigener Produktentwicklungen betont. So positionierten sich einige regionale IT-Unternehmen erfolgreich als zuverlässige Partner für große, überregional und international agierende Kunden. Dennoch wurde auch hier das Thema Bürokratie genannt, da viele digitale Projekte durch komplizierte rechtliche Vorgaben ausgebremst werden.
- Verwaltungsdigitalisierung – Ein Hemmschuh für Effizienz und Wachstum
Die schleppende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bleibt ein großes Ärgernis für Unternehmen in Thüringen. Trotz politischer Versprechen, Prozesse zu vereinfachen und digital zugänglich zu machen, erleben viele Betriebe weiterhin langsame, ineffiziente Abläufe.
Genehmigungsverfahren, Meldepflichten und administrative Vorgänge sind oft noch
papierbasiert und komplex. Unternehmen berichten von einer fehlenden Bereitschaft der Verwaltung, eine harmonisierte, kundenfreundliche Digitalisierung voranzutreiben, die den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht wird. Kritisiert wurde zudem, dass insbesondere das Land nicht auf lösungsorientierte Angebote der hiesigen Unternehmen zur Verwaltungsdigitalisierung zurückgreift, obwohl dies schnell und unkompliziert möglich wäre. Statt Lösungen zu schaffen, die Zeit und Kosten sparen, werden digitale Projekte oft fragmentiert und ohne klare Struktur umgesetzt, was zu Verzögerungen und weiterer Frustration führt. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet dies einen unnötigen Mehraufwand, der wertvolle Ressourcen bindet. Um den Wirtschaftsstandort Thüringen wettbewerbsfähig zu halten, ist es dringend erforderlich, dass die Landes- und
Kommunalverwaltungen die Digitalisierung als Priorität verstehen und eine reibungslose, harmonisierte und unternehmensfreundliche digitale Infrastruktur aufbauen, die sowohl kreis- als auch landesübergreifend einheitliche Strukturen aufweist. - Baubranche – Ein Sektor unter Druck
Die Baubranche in Thüringen steht aktuell vor erheblichen Herausforderungen, die nicht nur die betroffenen Unternehmen, sondern auch die gesamte regionale Wirtschaft beeinflussen. 4 Gestiegene Baupreise, lange Genehmigungsverfahren und zunehmend komplexe Vorschriften erschweren es den Unternehmen, Projekte wirtschaftlich umzusetzen oder neue Projekte oder gar Planungen zu beginnen. Besonders in der Wohnungsbaubranche ist ein deutlicher Rückgang der Bautätigkeit zu verzeichnen, da Bauherren aufgrund der steigenden Kosten und Liquiditätsengpässe Projekte aufschieben oder gänzlich absagen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die regionale Bauwirtschaft und Zulieferer, die einen erheblichen Teil ihrer Aufträge aus der Immobilien- und Wohnungsbauindustrie beziehen. Die schwächelnde Baukonjunktur führt zu einer allgemeinen Zurückhaltung bei Investitionen, was sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt und die Betriebe auswirkt. Es wird zunehmend deutlich, dass die Baubranche dringend Vereinfachungen im Genehmigungsprozess und finanzielle Anreize sowie langfristige Planungssicherheit benötigt, um den wirtschaftlichen Stillstand zu durchbrechen und neue Impulse für die regionale Wirtschaft zu setzen.
- Kommunalpolitik und deren Außenwirkung
Viele Unternehmen pflegen einen regelmäßigen und wertschätzenden Austausch mit den kommunalpolitischen Verantwortlichen im Freistaat. Dennoch haben einige Unternehmen auch über Problemlagen berichtet, die hier aufgeführt werden müssen. Im Zuge einer Gemeindefusion wurden sowohl der Gemeindename und auch die Unternehmensanschriften geändert, ohne dass eine entsprechend zeitige Information an das Unternehmen erfolgte. Die daraus resultierende Kapazitätsbindung in den Unternehmen hätte bei frühzeitiger Einbindung
wirtschaftlich vertretbar erfolgen können. Auch führten neue Gemeindenamen zu
Unverständnis, Irritationen bei Geschäftspartnern und Kunden sowie sinkender
Identitätsförderung mit der Heimatkommune. Im Bereich der Vermarktung und Unterstützung von Tourismusunternehmen braucht es an einigen Stellen auch in den kommunalen Verwaltungen ein Umdenken. Erleichterungen und größere Freiheiten für Unternehmen bei Beschilderungen im Verkehr oder ÖPNV-Anbindungen müssen dabei stärker berücksichtigt werden als bisher. - Fördermittel sinnvoll und effizient einsetzen
Der Einsatz von Fördermitteln für Unternehmen und Kommunen in Thüringen muss evaluiert werden. An einigen Stellen wurde Unverständnis über die Wirtschaftlichkeit von Förderprogrammen geäußert. Wenn das Verfahren an sich die eingesetzten Kosten von Förderprogrammen übersteigt, dann müssen diese Programme hinterfragt werden. Auch das Nicht-Abrufen von im Haushalt eingestellten Mitteln zur Untersetzung von Förderprogrammen, insbesondere im kommunalen Bereich bedarf dringend einer Nachjustierung und Fehleranalyse.
- Wirtschaftspolitische Einschätzungen
Die wirtschaftspolitische Lage wurde von den meisten Unternehmen sehr kritisch betrachtet. Es herrscht Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik, die als zu bürokratisch, wenig wirtschaftsfreundlich und in vielen Bereichen realitätsfern wahrgenommen wird. Besonders in der Energie- und Klimapolitik gibt es Zweifel an der Umsetzbarkeit der ehrgeizigen politischen 5 Ziele. Hier wird eine größere Planbarkeit und Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen gefordert, um langfristige Investitionen und eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu ermöglichen. Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Unsicherheit auf den Märkten, die sich auch auf das Investitionsverhalten vieler Unternehmen auswirkt. Einige Betriebe berichteten von zurückgefahrenen oder aufgeschobenen Investitionen, da die langfristige Wirtschaftsentwicklung schwer einzuschätzen ist.
Fazit
Die Sommertour 2024 der IHK Erfurt hat erneut gezeigt, dass die Unternehmen in Thüringen vor großen Herausforderungen stehen, insbesondere im Bereich Fachkräfte, Energie und Bürokratie. Dennoch beweisen die Betriebe große Resilienz und Innovationskraft. Sie benötigen jedoch dringend bessere Rahmenbedingungen und eine stärkere Unterstützung seitens der Politik, um ihre Zukunftsfähigkeit langfristig zu sichern. Der Dialog zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Politik muss intensiviert werden, um gemeinsam Lösungen zu finden, die den Standort Thüringen stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen sichern.
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