Die Kultur von Betriebsprüfungen optimieren
v.l.n.r.: Torsten Herrmann (Präsident der IHK Südthüringen), Katja Wolf (Thüringer Finanzministerin), Peter Zaiß (Präsident der IHK Erfurt) und Dr. Ralf-Uwe Bauer (Präsident der IHK Ostthüringen zu Gera) unterzeichneten das gemeinsame Thüringer Positionspapier
Die Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHK Erfurt, IHK Südthüringen, IHK Ostthüringen zu Gera) und das Thüringer Finanzministerium sind der Ansicht, dass ein wirkungsvolles, transparentes und fachgerechtes Besteuerungsverfahren im beiderseitigen Interesse von Verwaltung und Wirtschaft liegt.
Die Thüringer Unternehmen erwarten eine neutrale, sachlichen Grundsätzen folgende Außenprüfung. Sie sind sich eines verantwortungsvollen Umgangs mit den steuerlichen Pflichten und der rechtlichen Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen bewusst.
Die Bediensteten der Finanzämter erfüllen ihren gesetzlichen Auftrag. Sie ermitteln und beurteilen steuerliche Sachverhalte nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit, Gleichmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit und leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit.
Ein optimiertes Verfahren in der steuerlichen Außenprüfung ist entscheidend, um die Herausforderungen des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und der wirtschaftlichen Dynamik zu bewältigen. Effizienzsteigerungen in der Außenprüfung entlasten sowohl die Wirtschaft als auch die Verwaltung, indem sie Ressourcen sparen und rasch Rechtssicherheit schaffen, was wiederum Investitionen und Wachstum fördert.
Grundvoraussetzungen für eine verbesserte Zusammenarbeit
Alle Seiten sind kooperationsbereit und arbeiten transparent.
Kooperative Beziehungen sind die Basis, um das gegenseitige Verständnis zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung zu stärken. Diese Grundhaltung erleichtert den Umgang mit komplexen Steuersachverhalten und unterstützt die präzise Umsetzung steuerlicher Regelungen. Im Bewusstsein, dass es sich bei der Steuerverwaltung um eine Eingriffsverwaltung handelt, ist es wichtig, dass alle Parteien den jeweils anderen als Partner im Besteuerungsverfahren sehen.
Unsere Kommunikationskultur ist von einem vertrauensvollen und wertschätzenden Miteinander getragen. Dies reduziert Konflikte und Missverständnisse und fördert eine Atmosphäre, in der Bedenken und Fragen offen angesprochen und konstruktiv geklärt werden können. Dies ist besonders relevant in den steuerlichen Außenprüfungen, bei denen sich die Unternehmen mit umfassenden gesetzlichen Mitwirkungspflichten konfrontiert sehen. Ein beiderseitiger respektvoller Umgang sichert eine konstruktive Auseinandersetzung auf Augenhöhe und erleichtert eine effiziente und zielorientierte Prüfungsdurchführung.
Die Finanzbehörde ist an Recht und Gesetz gebunden. Die Außenprüfung stützt sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf geltendes Recht und ist an die gültigen Verwaltungsanweisungen gebunden, die eine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellen.
Die Prüferinnen und Prüfer haben die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, umfassend zu prüfen. Eine einheitliche rechtliche Beurteilung steuerlicher Sachverhalte unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit der Prüfungsdienste sorgt für Rechtssicherheit. Diese Einheitlichkeit der Rechtsanwendung ist grundlegend für die Fairness des Besteuerungssystems und stärkt das Vertrauen der Unternehmen in die Steuerverwaltung.
Zielsetzungen und Maßnahmen
- Zeitnahe und schnellere Prüfungen
Grundlage für die Prüfung sind die Steuererklärungen. Um den Prüfungsbeginn zu beschleunigen, ist Voraussetzung, dass Unternehmen und ihre steuerlichen Berater die Steuererklärungen zeitgerecht einreichen. Um einen zügigen Prüfungsverlauf zu erreichen, ist kooperatives Verhalten der Prüferinnen und Prüfer sowie der Steuerpflichtigen erforderlich. Außenprüfungen sollen zügiger abgeschlossen werden, wenn sich im Verlauf der Prüfung abzeichnet, dass die steuerlichen Verhältnisse im Großen und Ganzen in Ordnung sind oder dass der Prüfungsaufwand bei einer Fortführung der Prüfung voraussichtlich nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu einer möglichen Änderung der Besteuerungsgrundlagen stehen würde. Gerade in kleineren Unternehmen stellt eine Außenprüfung eine erhebliche Belastung für die betrieblichen Abläufe dar, so dass großes Interesse an einer kurzen Prüfungsdauer besteht.
- Prüfungsschwerpunkte bilden und mitteilen
Die Finanzverwaltung wirkt auf eine angemessene, zeitlich zumutbare Prüfungsdauer hin. Die Prüfungsschwerpunkte sollen im Vorfeld der Prüfung festgelegt sowie kommuniziert werden, wenn alle angeforderten erforderlichen Unterlagen und Daten vorliegen, wobei die Ausdehnung des Prüfungsgeschehens auf weitere Sachverhalte möglich bleibt. Auf diese Weise können Prüfungen zügig abgeschlossen werden; es wird frühzeitig Rechtssicherheit erlangt und die Unternehmen können zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zurückkehren.
- Prüfungsrelevanz
Die Durchführung von Außenprüfungen orientiert sich ausschließlich an der jeweiligen Prüfungsrelevanz. Prüfungszeiträume können auf unter drei Jahre verkürzt werden, wenn sich der zu prüfende Sachverhalt beispielsweise nur auf ein einzelnes Jahr bezieht. Bei Großbetrieben kann auf eine direkte Anschlussprüfung verzichtet werden, wenn nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im konkreten Fall keine wesentlichen Änderungen der steuerlichen Verhältnisse zu erwarten sind.
- Absprachen zum Prüfungsablauf und zur Zusammenarbeit
Vereinbarungen über den zeitlichen Ablauf der Prüfung, sachkundige Auskunftspersonen, gegenseitige Erreichbarkeit, nutzbare Räumlichkeiten vor Ort im Unternehmen und Fristen für die Bearbeitung von Prüfungsanfragen werden gemeinsam im Eröffnungsgespräch getroffen. Verstärkte Vor-Ort-Prüfungen in den Unternehmen, eine kooperative Mitwirkung der Steuerpflichtigen und eine fristgerechte und vollständige Vorlage der von den Prüferinnen und Prüfern angeforderten Daten und Unterlagen verkürzen die Prüfungslaufzeit. Dagegen werden eine mangelhafte Mitwirkung, Verzögerungen bei der Beantwortung von Prüfungsanfragen und der Vorlage von Unterlagen sowie mehrfache Fristverlängerungsanträge von Seiten der Steuerpflichtigen den Prüfungsablauf verlängern.
- Effizienzsteigerung bei Außenprüfungen
Durch den Einsatz risikoorientierter Prüfungsansätze können Ressourcen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen erbringen. Dies führt zu einer besseren Ausschöpfung der personellen Kapazitäten und minimiert die Belastung für Unternehmen.
- Moderne Kommunikations- und Datenaustauschmethoden sowie Prüfungstechniken
Der Einsatz moderner Technologien beschleunigt den Informations- und Datenaustausch und reduziert die physischen und zeitlichen Hürden bei der Datenerhebung und -prüfung. Moderne Technologien verbessern nicht nur die Effizienz, sondern unterstützen auch die risikobasierte Ausrichtung der Steuerprüfungen.
- Berücksichtigung besonderer Unternehmenssituationen
Zeitliche Flexibilität in der steuerlichen Außenprüfung beispielsweise in Krisenzeiten ist notwendig, um den realen Gegebenheiten der Unternehmen gerecht zu werden. Individuell vereinbarte Lösungen zum zeitlichen Ablauf einer Außenprüfung helfen Unternehmen (beispielsweise bei Neugründungen), Phasen der Unsicherheit besser zu managen und fördern eine stabile wirtschaftliche Entwicklung.Bei der Anwendung hybrider Arbeitsformen wie Homeoffice und bei anderen modernen und zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen ist darauf zu achten, dass die Prüferinnen und Prüfer grundsätzlich im Unternehmen vor Ort prüfen können und Auskunftspersonen der Unternehmen vor Ort zur Verfügung stehen. Hierbei sollen für die Unternehmen Medienbrüche vermieden werden.
Evaluierung, Abschluss und Ausblick
Die Umsetzung dieses Positionspapiers erfordert ein fortlaufendes Engagement und die Bereitschaft zur Anpassung an neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen. Die vereinbarten Leitlinien und Maßnahmen sollen in einem zweijährigen Turnus evaluiert werden. Dazu wird ein gemeinsames Monitoring zwischen den Thüringer IHKs und der Finanzverwaltung etabliert. Ziel ist es, die Entwicklung der Prüfungspraxis und der Mitwirkung der Steuerpflichtigen - soweit möglich datenbasiert - zu verfolgen.
Dieses Positionspapier ist damit Teil eines längerfristigen Prozesses und dient als Rahmen für die kontinuierliche Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen und Prozesse in der Steuerpraxis in Thüringen.
Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit den Außenprüfungen der Finanzbehörden gemacht? Sehen Sie weitere Änderungsbedarfe, die wir im Rahmen unserer Interessenvertretung für Sie ansprechen können? Teilen Sie uns diese gern mit.