Vergaberechtsreform mit Chance für mehr Tempo und Beteiligung

Mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge verfolgt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Ziel, die öffentliche Beschaffung zu vereinfachen, effizienter zu gestalten und besser an die Herausforderungen der Zeit anzupassen. Die IHK Erfurt hat im Verbund mit den Thüringer Industrie- und Handelskammern eine gemeinsame Stellungnahme eingereicht. In der Summe erkennt die IHK Erfurt im Gesetzentwurf ein wichtiges Reformvorhaben mit spürbarem Potenzial zur Verbesserung der öffentlichen Auftragsvergabe. Die Reduktion bürokratischer Hürden, die Flexibilisierung der Verfahren und die Stärkung innovativer Anbieter sind richtige Signale. Gleichzeitig bedarf es jedoch klarer Nachbesserungen bei zentralen Punkten wie dem Schutz des Losprinzips und der Wahrung effektiven Rechtsschutzes.

Öffentliche Vergabe muss einfacher und mittelstandsfreundlicher werden

Die IHK Erfurt begrüßt das grundlegende Reformziel des Entwurfs, die Komplexität des Vergaberechts zu verringern. Die Praxis zeigt: Viele Regelungen führen zu übermäßiger Bürokratie, hemmen die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und stehen oft im Widerspruch zu den Kernzielen der Vergabe – nämlich Wettbewerb, Transparenz und Wirtschaftlichkeit. Insbesondere in Zeiten multipler Krisen müssen staatliche Aufträge schneller vergeben und zugleich mehr Betriebe erreicht werden. Die Reform sollte daher den Mittelstand aktiv stärken und jungen innovativen Unternehmen den Marktzugang erleichtern.

Begrüßenswerte Schritte: Eigenerklärungen, Direktvergaben und mehr Flexibilität

Zahlreiche Punkte des Gesetzentwurfs stoßen auf Zustimmung der Thüringer IHKs:
  • Eigenerklärungen statt aufwendiger Nachweise: Die Möglichkeit, Eignungskriterien künftig durch Eigenerklärungen zu belegen (§ 122 Abs. 3 GWB), wird ausdrücklich begrüßt. Damit können Unternehmen – insbesondere KMU – Zeit und Aufwand bei der Angebotsabgabe deutlich reduzieren.
  • Mehr Verfahrensfreiheit: Die Ausweitung der Verfahrensarten (z. B. Verhandlungsvergaben) im Haushaltsgrundsätzegesetz (§ 30 HGrG) und in der Bundeshaushaltsordnung (§ 55 BHO) erhöht die Flexibilität für Auftraggeber und könnte neue Teilnehmergruppen aktivieren.
  • Höhere Direktvergabegrenzen: Die Anhebung der Wertgrenze auf 50.000 Euro für Direktvergaben (§ 55 Abs. 3 BHO) ist sinnvoll, da sie kleine Beschaffungen vereinfacht. Allerdings wäre ein mutigerer Schritt – etwa im Einklang mit länderspezifischen Regelungen – wünschenswert gewesen.
  • Stärkung junger Unternehmen: Die geplante Privilegierung junger und kleiner Unternehmen in der Vergabeverordnung (VgV) kann Impulse für mehr Wettbewerb setzen, sofern sie praxistauglich ausgestaltet wird.

Kritik: Losverzicht und Rechtswegbeschränkung belasten KMU

Trotz vieler positiver Ansätze enthält der Entwurf auch Regelungen, die kritisch gesehen werden:
  • Losverzicht beim Sondervermögen schadet Wettbewerb: Die vorgesehene Möglichkeit, Teil- und Fachlose bei bestimmten Großprojekten zusammenzufassen (§ 97 Abs. 4 GWB), gefährdet die bewährte Praxis mittelstandsfreundlicher Losvergabe. Für viele kleine und spezialisierte Unternehmen bedeutet dies eine De-facto-Ausschlussklausel – mit negativen Folgen für Wettbewerb und Marktvielfalt.
  • Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln: Die Abschaffung der aufschiebenden Wirkung bei Nachprüfungsverfahren wird von den IHKs sowie auch von der Vergabekammer Thüringen im Thüringer Landesverwaltungsamt kritisch gesehen. Sie birgt verfassungsrechtliche Risiken und könnte das Vertrauen in rechtsstaatliche Verfahren schwächen – ohne tatsächlichen Beschleunigungseffekt.