Positionspapier „12 Thesen zur Energieversorgung"
12 Thesen zur Energieversorgung
- These 1: Energieversorgung
Die zukünftige Energieversorgung wird durch einen breiten Mix verschiedener Energieformen und Energieträger gewährleistet. Neben den Kosten sind Versorgungssicherheit und Verfügbarkeit entscheidend.Eine wichtige Lehre aus der Energiekrise ist: Nur ein diversifiziertes Energiesystem mit einem breiten Mix aus verschiedenen intelligent vernetzten Energieträgern sowie Lieferanten ist stabil gegenüber äußeren Einflüssen hinsichtlich Versorgungssicherheit und Preis. Der Sektor Wärme bleibt die größte Baustelle einer klimafreundlichen Energieversorgung. In Thüringen gehen 58,3 Prozent der gesamt eingesetzten Energie in diesem Bereich und lediglich 15 Prozent davon sind klimaneutral. Vier verschiedene Technologien sind aus unserer Sicht relevant.Umweltwärme-Geothermie:
Die Potenziale insbesondere der oberflächennahen und tiefen Geothermie sind in Mittel-, Nord- und Westthüringen erheblich. Erdwärme kann eine wesentliche Rolle in der Versorgung mit Wärme und Kälte spielen. Zudem existieren saisonale Speichermöglichkeiten (in.Ret 2021).Abwärme:
Auch hier ist das Potenzial sehr groß, leider entspricht die angebotene Menge oder das Wärmeniveau oftmals nicht dem örtlichen Bedarf und der Transport lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Zusätzlich gibt es zahlreiche offene Fragen zu Vertragsgestaltung, Regressansprüchen und Organisation seitens der Unternehmen.Biogas/ Biomasse/ Bioenergie:
Biogas ist als Technologie einem aktuellen Wandel unterworfen. Da es ausgehend von einer reinen Strom- und Wärmeproduktion in Kraft-Wärme-Kopplung, immer mehr als Biomethan fossiles Erdgas ersetzt. Von dieser Entwicklung profitieren insbesondere industrielle und gewerbliche Nutzer von Brenngas zur Bereitstellung von Prozesswärme (in.Ret 2021).Wasserstoff:
Die Rolle von Wasserstoff als Sekundärenergieträger in einem zukünftigen Energiesystem ist noch offen. Entscheidende Faktoren sind dabei der Wasserstoffbedarf des Mobilitätssektors sowie der Umfang des überregionalen Energieaustauschs/ Sektorkopplung. Wir gehen davon aus, dass Wasserstoff wichtig für eine integrierte und regional orientierte Transformation des Energiesektors ist. - These 2: Energieformen und Energieträger
Welche Energieformen oder Energieträger die Hauptlast einer zukünftigen Energieversorgung tragen, sollte vorrangig eine technologische Entscheidung sein.Die deutsche Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die gesamte Energieversorgung bis zum Jahr 2045 klimaneutral umzubauen. Erneuerbare Energien tragen dabei die Hauptlast. Im Zuge der Energiekrise gibt es sehr viele Diskussionen und Kritik an diesem Weg, vor allem hinsichtlich Kosten und Versorgungssicherheit. In der öffentlichen Wahrnehmung spielen drei System eine Rolle: erneuerbare Energien, Kernenergie und fossile Energieträger (in Deutschland vorrangig Braunkohle). Alle drei Systeme sind grundsätzlich fähig, klimafreundliche Energie bereitzustellen. Bei fossilen Energieträgern bedeutet dies den Einsatz zusätzlicher Technologien zum Abscheiden und Speichern von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage – CCS). Auch Versorgungssicherheit können alle drei Systeme gewährleisten, wenn die erforderlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Insbesondere ist bei Erneuerbaren Energien der Ausbau der Netzinfrastruktur sehr kritisch (BNetzA 2023).Der Vergleich verschiedener Studien zu Kosten der einzelnen Energieerzeugungstechnologien ergibt kein einheitliches Bild, dass eine Technologie über alle Grenzen hinweg günstiger ist (WDBD 2022). Für Erneuerbare Energien prognostiziert der überwiegende Teil der Studien den stärksten Kostenrückgang, bezogen auf den Arbeitspreis.
- These 3: Energiemarkt- und Preis-Design
Ein zukünftiges Energiesystem benötigt ein angepasstes europäisches Energiemarkt- und Preis-Design.Der gegenwärtige Strompreis ist in Deutschland zu hoch. Energieintensive Produktionsstätten, die erforderliche Elektrifizierung zahlreicher Prozesse im Zuge der Dekarbonisierung sowie Neuansiedlungen strategischer Industriezweige werden dadurch massiv erschwert. Dies trifft insbesondere Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Daher begrüßen wir die Diskussion um den Industriestrompreis, der aber die langfristigen Energie- und Transformationsprobleme der deutschen Wirtschaft nicht lösen kann. Aus unserer Sicht ist dies eine Möglichkeit, einen kleinen Teil hoch energieintensiver Unternehmen mit großen Außenhandelsaufkommen zu schützen und eine Abwanderung zu verhindern (Carbon Leakage). Die Breite der Unternehmen wird davon nicht profitieren. Dafür ist es notwendig das gesamte Energiemarkt- und Preisdesign anzupassen. Marktsignale müssen noch stärker direkt an die Verbraucher weitergegeben werden. Der Strommarkt kann damit effektiv Impulse zur Flexibilisierung der Nachfrageseite geben. Zusätzlich zur bestehenden verbrauchsorientierten Marktausrichtung (energy only market) benötigt ein zukünftiges Energiesystem Marktmechanismen, die das Vorhalten von Reservekraftwerken finanzieren (Kapazitätsmarkt). Arbeit und Leistung sind zwei unterschiedliche Produkte und benötigen unterschiedliche Marktsysteme. All diese Schritte können nur in einem gemeinsamen europäischen Strommarkt sinnvoll realisiert werden.
- These 4: Finanzierung und Förderung
Die Transformation im Bereich Energie ausschließlich über die Energiepreise zu finanzieren, ist nicht möglich.Neben dem Marktdesign gilt es, das Preisdesign insbesondere im Sektor Strom anzupassen mit dem Ziel, Flexibilisierung zu ermöglichen und Lasten fair zu verteilen. Dies ist aus unserer Sicht aktuell nicht gegeben. Der größte Anteil des Strompreises wird durch staatlich bestimmte Abgaben definiert und ist somit nicht durch den Stromanbieter beeinflussbar. Flexible Vertrags- und Preisgestaltung, die Angebots- und Nachfragesituation abbilden und an den Kunden weitergeben, ist bei diesem hohen Anteil an Fixkosten nicht sinnvoll. Jedoch ist diese Flexibilisierung für ein zukünftiges Energiesystem zwingend notwendig. Mit der Abschaffung der Erneuerbaren-Energien-Umlage hat die Bundesregierung einen ersten wichtigen Schritt getan. Weitere Schritte, wie die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu senken und Netzentgelte flexibler zu gestalten sowie zumindest einen Teil über den Bundeshaushalt zu finanzieren, müssen unverzüglich folgen. Zudem würde dies die deutsche Wirtschaft deutlich entlasten.Unverzichtbar für die Transformation sind weitere Anreize, wie Förderprogramme und steuerliche Entlastungen. Jedoch sind aktuelle Förderprogramme sehr komplex und schließen oft kleine beziehungsweise mittlere Unternehmen aus. Diese können teilweise Kriterien nicht erfüllen oder es fehlt einfach das Personal, um bei der Vielzahl an Förderprogrammen ein geeignetes zu finden und langwierige Antragsverfahren zu bewältigen. Deshalb sollte die Förderung in der Breite beispielsweise von Energieeffizienzmaßnahmen oder Maßnahmen zur Dekarbonisierung über Steuerrabatte erfolgen. Für hohe Investitionen in innovative Technologien ist eine investive Förderung sinnvoll. Die zu fördernde Technologie darf nicht bestimmend sein, sondern vielmehr die Menge an eingesparten Treibhausgasen in Bezug auf die Investitionskosten (CO2-Vermeidungskosten).
- These 5: Netzentgelte
Die aktuellen Netzentgelte sind für ein zukünftiges Energiesystem ungeeignet und führen zu einer unfairen Lastenverteilung.Netzentgelte sind ein Preisbestandteil bei allen leitungsgebundenen Energieträgern. Insbesondere im Bereich Strom führen diese zu einem Ungleichgewicht zwischen den eigentlichen Gestehungskosten und fixen, staatlich induzierten Preisbestandteilen. Inhalt der Netzentgelte sind Kosten für Betrieb, Ausbau und Wartung von Leitungen sowie alle Dienstleistungen zur Steuerung und Stabilisierung der Netzinfrastruktur – sogenannte Redispatch-Maßnahmen. Gerade für letztere Maßnahmen sind die Kosten in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich angestiegen. Deutschlandweit ist die Höhe der Netzentgelte je nach Region sehr unterschiedlich. Ein drastischer Unterschied besteht zwischen ländlich geprägten Gebieten und Städten, da anfallende Kosten im Netzgebiet auf die jeweiligen Stromkunden umgelegt werden. Im ländlichen Raum entfallen somit auf wenige Kunden proportional hohe Netzkosten. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere Windkraft, und der zugehörigen Netzinfrastruktur wird dieses Gefälle größer. Eine Möglichkeit ist es, anfallende Netzkosten bundeseinheitlich auf alle Stromkunden zu verteilen. Dies geschieht seit 2018 zumindest auf der obersten Netzebene – dem Übertragungsnetz. Aufgrund der Anzahl von 865 Verteilnetzbetreibern (im Übertragungsnetz sind es lediglich vier), wäre aus unserer Sicht der Aufwand zu groß. Wesentlich effektiver ist es, einen Grundbetrag bundeseinheitlich über die Netzentgelte zu finanzieren und mögliche Mehraufwendungen der Netzbetreiber über den Bundeshaushalt abzufedern. Zudem sollte der Anteil der Netzentgelte am Gesamtpreis deutlich unter den Gestehungskosten liegen, um Marktsignale an die Kunden weiterzugeben und flexibles Verbrauchsverhalten anzureizen (siehe These 7) sowie die Breite der Wirtschaft zu entlasten.
- These 6: Genehmigungsverfahren
Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung können nur gelingen, indem der rechtliche Rahmen und die praktische Umsetzung der Genehmigungsverfahren schnell angepasst werden.Ein zentraler Aspekt für eine zukunftsfähige Wirtschaft und die Umsetzung wegweisender Projekte sind schnelle, einfache und praxisorientierte Genehmigungsverfahren. Dies gilt für alle Bereiche der Wirtschaft. Im Zuge der Transformation bekommt dieses Thema erneut eine hohe Brisanz. Ob Eigenerzeugung von Energie über Wind und PV, Aufbau von Elektrolyseuren zur Wasserstofferzeugung, Stromnetze und Netzinfrastruktur – Unternehmen, die bereit sind in neue Technologien zu investieren, werden zunehmend durch immer komplexere Genehmigungsverfahren ausgebremst. Die Bundesregierung hat erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht und verschiedene Anpassungen und neue Gesetzesinitiativen eingeführt, um dem entgegenzuwirken. Dennoch bleibt die Umsetzung in der Genehmigungspraxis ein großer Schwachpunkt. Genehmigungsbehörden sind häufig mit Fachkräftemangel konfrontiert. Es fehlen klare Verwaltungshinweise und standardisierte Verfahren, um den Prozess final zu vereinfachen. Zudem halten wir den aktuellen Versuch, kleinste technische Details mit Gesetzen zu steuern, für grundlegend falsch. Gesetze müssen den großen Rahmen vorgeben, aber nicht die zu verwendenden Technologien bestimmen. Zudem halten wir den aktuellen Versuch, kleinste technische Details mit Gesetzen zu steuern, für grundlegend falsch. Gesetze müssen den großen Rahmen vorgeben, aber nicht die zu verwendenden Technologien bestimmen.
Die Digitalisierung bietet weitere Möglichkeiten zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Daten können so transparent und einfach erfasst sowie verarbeitet werden. Es ist von großer Bedeutung, dass Bund, Länder, die zuständigen Genehmigungsbehörden und die Wirtschaft weiterhin gemeinsam daran arbeiten, die Genehmigungsverfahren zu optimieren. - These 7: Flexibilität
Flexibilität ist für ein System mit Erneuerbaren Energien wesentlich.Flexibilität ist eines der wichtigsten Schlagwörter für das Stromsystem der Zukunft. Ziel ist, den Energieverbrauch an das Angebot anzupassen. Energie aus Sonne, Wind und Wasser, die abhängig von Wetter und Jahreszeit stark fluktuieren, erfordern auf der Abnahmeseite ein System, das mit diesem volatilen Angebotscharakter umgehen kann. Neben Speicheroptionen (Speichermanagement) müssen Verbraucher flexibel auf die Angebotssituation (Lastmanagement) reagieren, zusätzliche Erzeugungseinheiten bei einer Lastunterdeckung einspeisen (Erzeugungsmanagement) und Überschüsse im Stromsektor in Gas oder Wärme umgewandelt werden. Dies ist jedoch nur durch intelligente Vernetzung (Digitalisierung) und eine marktorientierte Anreizung von Nachfrageflexibilisierung möglich (ÖkoInst 2016).
- These 8: Ausbau Erneuerbarer Energien
Werden die heute gesteckten Ziele zum Ausbau Erneuerbarer Energien nicht erreicht, gefährdet das die Versorgungssicherheit massiv.Deutschland wird seine selbstgesteckten Klimaziele für 2030 vermutlich verfehlen. Verantwortlich sind die Sektoren Bau und Verkehr. Zudem hinkt der Ausbau von Wind- und Solarenergie weiter hinterher. Bei der geringen Zubaurate der letzten fünf Jahre insbesondere bei Windenergie erscheint es kaum möglich, dass der Stromsektor bis 2035 komplett auf klimafreundliche Energien umgestellt werden kann. Auch Thüringen erreicht das im eigenen Klimaschutzgesetz enthalte Flächenziel für Windenergie von 1 Prozent der Landesfläche aktuell nicht. Derzeit sind lediglich 0,4 Prozent der Thüringer Landesfläche rechtskräftig für den Ausbau der Windenergie ausgewiesen. Mit dem „Windenergie an Land Gesetz“ gilt für Thüringen die Verpflichtung, bis 2026 1,8 Prozent und bis 2032 2,2 Prozent der Landesfläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen. Werden diese Ziele nicht erreicht, kann eine sichere Energieversorgung nicht gewährleistet werden. Neben der Ausweisung von geeigneten Flächen sind es fehlende Fachkräfte, die das Erreichen von Zielen stark gefährden.
- These 9: Standortvorteil klimafreundliche Energie
Die Bereitstellung von klimafreundlicher Energie entwickelt sich zunehmend zu einem wichtigen Standortvorteil.Aktuelle Ansiedlungen von Schlüsseltechnologien legen dies nahe. Kunden, gesetzliche Anforderungen und selbst gesteckte Nachhaltigkeitsziele erfordern immer größere Mengen an zertifizierten, klimafreundlich und regional erzeugten Energien. Dies lenkt den Fokus auf Gewerbegebiete, da hier eine zentrale Versorgung mit großen Energiemengen stattfinden kann. Diese Entwicklung bietet für regionale Versorger neue Geschäftsmodelle und dem Mittelstand die Chance, sich an Energieprojekten zu beteiligen. Denn eine Vielzahl an kleinen und mittleren Unternehmen ist nicht in der Lage, Projekte zur Eigenversorgung, die über eine PV-Anlage auf dem Dach hinaus gehen, eigenständig umzusetzen. Mehrere Unternehmen gemeinsam können das schaffen. Bei Strom ist es wichtig, die regulatorischen Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Art. 22) der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen und Energy Sharing zu ermöglichen, damit sich Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften bilden und wirtschaftlich arbeiten können. Die Wärmeversorgung ist weitaus komplizierter und Investitionen in Wärme, Kälte und Dampfnetze sowie entsprechende Erzeuger weitaus kostspieliger. Deshalb sollten bei der Planung und Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten diese Infrastrukturen mitgedacht und letztendlich finanziert und gefördert werden. Ähnliches gilt für die Bereitstellung von Wasserstoff und Mobilitätsstrom.
- These 10: Energienetze
Der Ausbau der Energienetze schreitet zu langsam voran. Das behindert Neuansiedlungen von Unternehmen und die Erweiterung von Produktionsstandorten gleichermaßen.Neue Erzeugungslandschaften mit einem wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien benötigen ein breiteres und angepasstes Transportnetz. Strom muss teilweise über weite Strecken von den Stromerzeugern zu den Verbrauchenden gelangen. Schwankungen müssen ausgeglichen werden. Der aktuelle Ausbau sowohl in Übertrags- und Verteilnetzebenen geht erschreckend langsam voran und ist ein relevanter Schwachpunkt in den Plänen der Bundesregierung zur Transformation des deutschen Energiesystems. Neue Leitungen und Kabel allein können die Versorgungssicherheit und das Qualitätsniveau nicht gewährleisten. Systemdienstleistungen, die bislang überwiegend von zentralen Großkraftwerken mit Synchrongeneratoren bereitgestellt wurden, müssen neu organisiert werden und verfügbar sein. Dies kann gelingen durch verstärkte digitale, automatisierte Steuerungsprozesse sowie eine weitgehend vernetzte Kommunikation zwischen Erzeugungsanlagen und Verbrauchen sowie die Integration weiterer netzstabilisierender und dienlicher Anlagen und Systeme. All das muss für die Netzbetreiber wirtschaftlich darstellbar sein und erfordert geeignete rechtliche Rahmenbedingungen. Neben dem angesprochenen verbesserten Marktumfeld für Systemleistungen und einem eigenen Kapazitätsmarkt muss das sogenannte Unbundling, also die Entflechtung von Energienetzen und Energieversorgung, angepasst werden. (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung - Energiewirtschaftsgesetz EnWG § 13 Systemverantwortung der Betreiber von Übertragungsnetzen Absatz 6 Systemverantwortung).Die von den norddeutschen Bundesländern angestoßene Diskussion, die einheitliche Strompreisgebotszone in Deutschland zu teilen, kann die Stromnetze entlasten, da unterschiedliche Preise steuernd wirken. Thüringen würde nach den aktuellen Planungen in die südliche teure Gebotszone fallen, was den Wirtschaftsstandort schwächt. Deshalb plädieren wir für eine Aufteilung in zumindest drei Zonen: Nord, Mitte und Süd oder Nord, Süd und Ost – so könnten Preissteigerungen zumindest abgeschwächt werden.
- These 11: Eigenversorgung in der Wirtschaft
Eigenversorgung mit Energie spielt in der Wirtschaft eine immer größere Rolle.Immer mehr Unternehmen sind gewillt, Strom selbst zu produzieren und investieren in eigene Erzeugungsanlagen. Der Trend geht dabei etwas weg von Blockheizkraftwerken hin zu Photovoltaik. Auch Windkraftanlagen spielen eine immer größere Rolle. Die regulatorischen Hürden sind jedoch wesentlich höher als bei einer eigenen PV-Anlage. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen zwingend angepasst werden. Ein solches Projekt selbst umzusetzen, ist für mittelständische Unternehmen nur schwer möglich. Gemeinsam kann es jedoch gelingen. Wichtig sind zudem innovative Bilanzkreisverantwortliche wie Stadtwerke. Für sie können so neue Geschäftsfelder entstehen. Die Europäische Union hat Energy Sharing bereits 2019 in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Art. 22) mit einer Umsetzungsfrist bis Mitte 2021 verankert. Die neue Bundesregierung hat sich folgerichtig die Umsetzung von Energy Sharing in den Koalitionsvertrag geschrieben. Der regulatorische Rahmen muss jetzt geschaffen werden und darf nicht weiter aufgeschoben werden. Ziel muss sein, dass die Gründung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften unkompliziert möglich ist und diese wirtschaftlich arbeiten können.Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen Strommengen zu sichern, sind direkte Lieferverträge mit Betreibern von Erneuerbare-Energie-Anlagen über sogenannte Power Purchas Agreements PPAs. Diese ermöglicht den Unternehmen den Bezug von CO2-freiem Strom, ohne selbst Erzeugungsanlagen aufzubauen. Anlagenbetreiber minimieren ihr wirtschaftliches Risiko, da sie für festgeschriebene Strommengen einen festgeschriebenen Preis erhalten. Folgerichtig könnten PPAs der Transformation des Energiesektors einen weiteren Schub geben, denn auch beim Thema Wasserstoff können diese Lieferkonstellationen Risiken minimieren und den Ausbau beschleunigen.
- These 12: Rohstoffe und Ressourcen
Der Industriestandort Thüringen ist hochgradig abhängig von zukunftsorientierten Schlüsseltechnologien. Dafür braucht es sichere Lieferketten, Rohstoffe und Ressourcen.Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfordert gezielte Maßnahmen zur Ansiedlung von Schlüsseltechnologien in Thüringen. Im Freistaat finden Investoren eine breit aufgestellte Forschungs- und Hochschullandschaft in den Kernbereichen der Energiewende wie Speicher, Energieinfrastruktur, Optik, Sensorik, Mikroelektronik, Wasserstoff, neue Mobilität und Recyclingverfahren. Die Wirtschaftsstruktur zeichnet sich durch eine Vielzahl flexibler Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe, Maschinen- und Anlagenbau sowie Kunststoff- und Metallverarbeitung aus – ein ideales Investitionsklima für innovative Technologien. Die Initiative der Europäischen Union, alle Stufen der europäischen Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe zu stärken, ist somit eine große Chance (Critical Raw Materials Act). Allerdings werden Investitionen und Innovationen durch unsichere Lieferketten, eine zunehmend fragile Rohstoffversorgung und den Mangel an qualifizierten Fachkräften gebremst.Es ist entscheidend, diese Hemmnisse innerhalb der Wertschöpfungsnetze zu vermeiden und abzubauen, während gleichzeitig eine technologieoffene Förderung für Forschung und fachspezifisches Personal erfolgt. Darüber hinaus sollten die Vorhaben in europäische und globale Kontexte eingebettet werden, um ihre umfassende Wirkung sicherzustellen.
Status Quo der Energieversorgung in Thüringen
Thüringen verfügt über kaum ökonomisch relevante energetische (fossile und Kernenergie) Rohstoffe. Es gibt im Osten Thüringens Braunkohlevorkommen (Altenburger Land) und Lagerstätten an Rohstoffen zur Kernspaltung (Uranerz), bekannt durch die SDAG-Wismut. Diese sind jedoch weitgehend erschöpft und das Gebiet wird aktuell aufwändig saniert. Thüringen könnte als möglicher Standort für eine Atommüllendlager für die Nutzung von Kernenergie erneut interessant werden (BGE 2020).
In Mittelthüringen gibt es kleinere Erdgasvorkommen im Dreieck zwischen Gotha, Mühlhausen und Nordhausen. Auch diese Vorkommen sind am Ende des Nutzungszeitraums. Die Potentiale für unkonventionelle Fördermethoden (Fracking) von Schiefergas in Thüringen sind aufgrund der fehlenden geologischen Voraussetzungen eher gering.
Das durchschnittliche Windaufkommen beträgt in 80 Meter Höhe mindestens 5,5 Meter pro Sekunde und in 120 Meter ca. 6 Meter pro Sekunde. Es entspricht damit einer mittleren Standortgüte.
Ähnlich verhält es sich mit der solaren Einstrahlung, die im Jahresmittel zwischen 960 und 1100 kWh/m² beträgt (HSNH 2021).
Biogas spielt in Thüringen gegenüber anderen Bundesländern eine große Rolle (16,2 Prozent an Nettostromerzeugung).
Die Nettostromerzeugung im Land betrug 2020 10.889 Gigawattstunden, 62 Prozent aus erneuerbaren Energien und 38 Prozent vorwiegend aus Erdgas. Dem steht ein Strombedarf von 15.551 Gigawattstunden gegenüber (TLS 02/2022). Bezogen auf den gesamten Energiebedarf (Primärenergiebedarf) in Thüringen beträgt der Anteil von klassischen Stromanwendungen nur 15,7 Prozent. Ein Großteil 58,3 Prozent entfällt auf die Bereitstellung von Raum und Prozesswärme, 26 Prozent benötigt der Sektor Mobilität/Verkehr/Logistik (TLS 2018). Die beiden letzteren Sektoren sind für 70 Prozent der Treibhausgase verantwortlich (25 Prozent Verkehr und 45 Prozent Wärme) (TLS 2018). Der Anteil der Wirtschaft an den gesamten Treibhausgasemissionen beträgt 45 Prozent.
Bedeutend ist Thüringen aufgrund seiner Lage in der Mitte Deutschlands für den Transit sowohl bei Waren und Produkten wie auch bei Strom und Erdgas. Eine Ferngasleitung (STEGAL) quert Thüringen von Ost nach West und mit der bestehenden Thüringer Strombrücke sowie den beiden geplanten Stromtrassen Süd- und Süd-Ost Link kreuzen den Freistaat zukünftig drei bedeutende Stromtrassen. Zudem verfügt Thüringen mit dem Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal (Leistung 1060 Megawatt) über den größten Stromspeicher in Deutschland. Kleinere Gasspeicher befinden sich in Allmenhausen und Kirchheiligen (Nominelles Arbeitsgasvolumen 82 Millionen Normkubikmeter - deckt den Jahresbedarf von 41.000 Haushalten).