FactSheet der Thüringer IHKs: Kommunale Verpackungssteuern - Symbolpolitik ohne echten Umweltnutzen
Kommunale Verpackungssteuern verfolgen das Ziel, Müll zu vermeiden und Mehrwegsysteme zu fördern. Nachdem die kommunale Verpackungssteuer in Tübingen vom Bundesverfassungsgericht im Januar 2025 für rechtmäßig erklärt wurde, gibt es nun auch Bestrebungen in weiteren Städten, eine solche Steuer einzuführen. Diese würde Betriebe verschiedener Branchen treffen, beispielsweise aus der Gastronomie, dem Einzelhandel, Lieferdienste sowie die Event- und Freizeitbranche.
- Unverhältnismäßig hohe Zusatzbelastung für Unternehmen
- Nicht zu unterschätzender Verwaltungsaufwand in den Kommunen
- Kostensteigerungen für Unternehmen und Kunden
- Flickenteppich Verpackungssteuer – Regionale Wettbewerbsverzerrungen
- Verpackungsmüll: Durchsetzungs- statt Regelungsproblem
- Ziel der Müllreduzierung fraglich
- Vereinfachungen bei bestehenden Mehrwegsystemen
- Bestehende Regelungen im Verpackungsbereich wirken lassen
- Weitere Verpackungsregelungen mitdenken
- Hintergrund:
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern (IHKs) lehnt kommunale Verpackungssteuern ab, da sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für Betriebe bedeuten - ohne echten Mehrwert für den Umweltschutz. Wir erkennen grundsätzlich die Notwendigkeit an, das Abfallaufkommen zu reduzieren, beispielsweise durch den verstärkten Einsatz von Mehrwegverpackungen. Eine Verpackungssteuer ist aus unserer Sicht zur Zielerreichung jedoch ungeeignet.
Folgende Punkte sehen wir besonders kritisch:
Unverhältnismäßig hohe Zusatzbelastung für Unternehmen
Unternehmen tragen mit ihren Zahlungen der Gewerbesteuer sowie eigenem Engagement maßgeblich zur Sauberkeit der Städte bei. Die Verwaltung, Berechnung und Abführung einer Verpackungssteuer wäre für viele Unternehmen eine weitere bürokratische Belastung. Aber auch mit Blick auf den Fachkräftemangel wäre die Einführung einer Verpackungssteuer eine enorme Herausforderung für die Betriebe.
Nicht zu unterschätzender Verwaltungsaufwand in den Kommunen
Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer betrifft nicht nur die Betriebe, sondern führt auch bei den Kommunen zu einem erhöhten Aufwand. Sämtliche steuerpflichtige Unternehmen müssten erfasst, ihre übermittelten Angaben zur Berechnung der Steuerbescheide überprüft und regelmäßige Kontrollen zur korrekten Umsetzung der Steuer durchgeführt werden. Das bindet Kapazitäten in den Verwaltungen, die anderswo dringend gebraucht werden. Die Stadt Pirmasens hat die möglichen Einnahmen berechnet und festgestellt, dass diese gerade die Personalkosten decken würden. Ein Nullsummenspiel, bei dem Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis stehen.
Kostensteigerungen für Unternehmen und Kunden
Die Unternehmen würden, wo möglich, den Aufwand der Verpackungssteuer an die Kunden weitergeben müssen. Damit würde eine Verpackungssteuer „To-Go“-Produkte verteuern und könnte auch zu einem Rückgang von Impulskäufen in angrenzenden Einzelhandelsgeschäften führen. Dies kann nicht nur in Gastronomiebetrieben und Bäckereien zu gravierenden Umsatzverlusten führen, sondern letztlich auch im Einzelhandel. Damit wäre nicht nur die Rentabilität der Betriebe gefährdet, sondern schlussendlich auch Arbeitsplätze.
Flickenteppich Verpackungssteuer – Regionale Wettbewerbsverzerrungen
Eine kommunale Verpackungssteuer führt zu einem Flickenteppich an Regelungen, der vor allem für filialisierte Unternehmen mit bundesweiter Präsenz eine enorme Herausforderung darstellt. Unterschiedliche Steuersätze und administrative Anforderungen in jeder Stadt oder Gemeinde erhöhen die Komplexität und die Verwaltungskosten. Zudem können Ausweicheffekte bei der Wahl neuer Betriebsstandorte eintreten, und zwar auf Städte und Gemeinden ohne Verpackungssteuer.
Verpackungsmüll: Durchsetzungs- statt Regelungsproblem
Das konkrete Müll-Problem besteht nicht darin, dass Verpackungen von Unternehmen in Verkehr gebracht werden, sondern in der regelwidrigen Entsorgung. Wird Müll auf die Straße geworfen, so ist dafür ein Bußgeld fällig. Doch kontrolliert wird kaum. Mit einer Verpackungssteuer würde die mangelnde Durchsetzung bestehender Regeln lediglich auf die Unternehmen verlagert.
Ziel der Müllreduzierung fraglich
Untersuchungen legen nahe, dass eine kommunale Verpackungssteuer nicht zwangsläufig zu einer nennenswerten Reduzierung des Abfallaufkommens führt. Eine Studie der Universität Tübingen hat festgestellt, dass keine signifikante Reduktion des Abfallaufkommens in öffentlichen Mülleimern nach der Einführung der Verpackungssteuer festgestellt werden konnte.
Vereinfachungen bei bestehenden Mehrwegsystemen
Damit Verbraucher beim Kauf eines Mitnahme-Produktes bereits erhältliche Mehrweg-Verpackungen nutzen, müssen einfache Pfand- und Rückgabemöglichkeiten (weiter)entwickelt und gefördert werden. Gleichzeitig muss die Praxistauglichkeit von Mehrwegverpackungen für einzelne Produkte überprüft werden, z. B. für Pommes oder Döner, sowie für die damit verbundene Logistik, welche auch die Reinigung beinhaltet. Günstig wäre ein flächendeckendes, standardisiertes Rücknahme-, Reinigungs- und Logistiksystem, das mit hohen Stückzahlen arbeitet und eine einfache Handhabung für alle Akteure sicherstellt. Dadurch ließe sich eine breite Akzeptanz erzeugen und das System könnte ökologisch und ökonomisch sinnvoll betrieben werden.
Bestehende Regelungen im Verpackungsbereich wirken lassen
Mit der EU-Einweg-Kunststoffrichtlinie gibt es seit 2023 eine Sonderabgabepflicht für bestimmte Einweg-Kunststoffverpackungen. Die Steuereinnahmen hieraus fließen in einen Einwegkunststoff-Fonds, der Kommunen Gelder zur Müllbeseitigung zur Verfügung stellt. Es macht keinen Sinn, eine kommunale Verpackungssteuer einzuführen, bevor die neue Regelung Wirkung gezeigt hat.
Weitere Verpackungsregelungen mitdenken
Mittelfristig wird das Verpackungsrecht stärker auf EU-Ebene vereinheitlicht. Die EU-Verpackungsverordnung wurde vom Europäischen Parlament 2024 verabschiedet. Hierdurch wird eine Vielzahl weiterer Berichts- und Quotenverpflichtungen eingeführt oder verschärft. Damit kommen auf Unternehmen neue Kosten und bürokratische Pflichten zu. Ab 2030 werden bestimmte Einwegverpackungen verboten. Parallel dazu wären kommunale Verpackungssteuern eine zusätzliche Belastung und damit der falsche Weg.
Hintergrund:
Kommunale Verpackungssteuern sind örtliche Verbrauchssteuern. Diese Steuern betreffen Endverkäufer, die nicht wiederverwendbare Verpackungen von Speisen und Getränken für den sofortigen Verbrauch nutzen. Die Steuer wird pro Einwegartikel festgesetzt und muss von den Unternehmen gezahlt werden. In Tübingen werden beispielsweise 50 Cent je Einwegverpackung und 20 Cent je Einwegbesteck erhoben. Dort sind neben klassischen Imbissbetrieben auch die Systemgastronomie und Franchiseunternehmen steuerpflichtig. Ebenso umfasst die Regelung Supermärkte, Tankstellen, Bäckereien, Cafés, Metzgereien, Gaststätten und Restaurant.