NRW-Koalitionsvertrag: Pläne für Klimaschutz und Energiewende
Die nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und Bündnis90/Die Grünen hat im Juni 2022 einen Koalitionsvertrag beschlossen, der zum zentralen Ziel hat, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen.
Die Landesregierung wird darum zeitnah ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen. Das Sofortprogramm wird unter anderem eine Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes NRW enthalten, das „zum zentralen Instrument der Klimaschutzpolitik in NRW“ weiterentwickelt wird. Die Zwischenziele für das Jahr 2030 (derzeit beispielsweise Reduktion der CO2-Emissionen um 65 Prozent) sollen im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben deutlich angehoben werden. Außerdem soll die Finanzpolitik des Landes künftig stärker auf Klimaschutz ausgerichtet werden. So soll etwa ein Klima-Check neue und bestehende Förderprogramme auf ihre Klimawirkung und Vereinbarkeit mit den Klimaschutzzielen hin überprüfen.
Mit weiteren kurz- und mittelfristigen Maßnahmen in den Schwerpunktbereichen Energie, Wirtschaft, Industrie, Wärme, Kommunen, Mobilität und Verbraucherschutz möchte die Landesregierung einen „neuen klimapolitischen Aufbruch“ einläuten.
- Wirtschaft und Industrie
Die Landesregierung bekennt sich klar zum Erhalt des Industriestandorts. Zentrales Element im Bereich Wirtschaft und Industrie wird ein „Industriepakt für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit“ sein, der auf drei wesentlichen Elementen beziehungsweise Zielen aufbaut.
Technologieoffene Förderung des Transformationsprozesses
Um das Ziel einer klimaneutralen Industrie zu erreichen, sind Effizienz, Klimaschutz und (absehbare) Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung. Wichtige Instrumente auf dem Weg dorthin sind- die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft durch Landesinitiativen wie IN4Climate.NRW,
- die zielgerichtete Begleitung der Transformation der Automobil- und Mobilitätsindustrie, unter anderem durch die technologieoffene Unterstützung in den Bereichen Leichtbau, alternative Antriebe, Digitalisierung und Vernetzung, sowie
- der Einsatz für die Einführung sog. Klima-Differenzverträge als Anreiz zur frühzeitigen Investition in klimaneutrale (Industrie-)Prozesse
Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie
Die neue Landesregierung setzt sich für den Erhalt einer nachhaltigen, innovativen und wettbewerbsfähigen energieintensiven Industrie in NRW ein und möchte Unternehmen ermöglichen, in neue klimaneutrale Prozesse zu investieren. Dies gilt insbesondere für die Stahlindustrie. Potenzial sieht sie unter anderem auch in den Bereichen der Zementherstellung (Pilotprojekt „Klimaneutraler Zement) und der Chemie, hier vor allem mit Blick auf Forschung und Entwicklung zum chemischen Recycling sowie die Stärkung der Bioökonomie, um zukunftsfähige Alternativen zu fossilen Grundstoffen für die Chemieindustrie zu entwickeln.Weiterentwicklung des „industriepolitischen Leitbilds“
Das industriepolitische Leitbild der Landesregierung zeigt die zentralen Handlungsfelder und die Zielrichtung für eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Industriestandorts auf. Als Schlüsselthemen hat die Landesregierung die Bereiche digitale Infrastruktur, Innovations- und Forschungsförderung, Investitionsklima, Flächenentwicklung, Klima- und Umweltfreundlichkeit, Kreislaufwirtschaft sowie den Transfer von Wissenschaftsfortschritt in Unternehmen identifiziert. - Energie
Zentrale Bedeutung für das Ziel, erste klimaneutrale Industrieregion Europas zu werden, hat der Energiebereich.Angesichts des Ukraine-Kriegs wird Braunkohle als Energieträger als Übergangslösung nötig sein. Der vollständige Kohleausstieg in NRW soll dennoch bis 2030 erfolgen. Wasserstoff wird als Energieträger der Zukunft eine zentrale Rolle für den Erfolg der Energiewende zugeschrieben. Die Landesregierung möchte NRW darum zur europäischen Vorbildregion und Drehscheibe für die Energietransformation mit Wasserstoff machen.Voraussetzung dafür sind
- Investitionen in und die Unterstützung von Technologie und Know-How,
- der zügige Auf- oder Umbau der notwendigen (grenzüberschreitenden) Infrastruktur,
- diversifizierte Wasserstoffimportstrategien und (internationale) Energiepartnerschaften sowie
- eine angemessene und attraktive Förderung von Investitionen in die Umstellung von fossilen Energieträgern auf grünen Wasserstoff, vor allem mit Blick auf KMU.
Voraussetzung für eine echte Energiewende, die mit Klimaschutz einhergeht und wirtschaftlichen Erfolg sowie Wohlstand gewährleistet, ist eine sichere, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung. Perspektivisch soll die Energieversorgung durch erneuerbare Energien und Wasserstoff sichergestellt werden. Für einen Übergangszeitraum ist jedoch noch der Bau moderner Gaskraftwerke notwendig, vorzugsweise an bisherigen Kraftwerksstandorten und mit der Möglichkeit zur Umrüstung der Infrastruktur auf klimaneutrale Gase. Der Zubau erneuerbarer Energien, vor allem Windkraft und Photovoltaik (PV), soll durch schnellere, vereinfachte und standardisierte Planungs- und Genehmigungsverfahren stark beschleunigt werden. Dazu beitragen sollen unter anderem die Einstufung des Erneuerbaren-Ausbaus als „überragendes öffentliches Interesse“ sowie die (personelle) Unterstützung für Genehmigungsbehörden.Windkraft
Die überarbeiteten und neuen Bundesvorhaben beim Windenergie-Ausbau (Bereitstellung von 2 Prozent der Landesfläche für Windenergie) sollen auf Grundlage einer belastbaren Potenzialstudie zu Flächenvorgaben für die Regionen schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Streichung der in NRW geltenden Mindestabstände von 1.500 Metern bei neuen Windanlagen beziehungsweise von 1.000 Metern bei Repowering zur Wohnbebauung wird umgehend eingeleitet. Über einen Erlass für die Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) sollen außerdem Kalamitätsflächen, Industrie- und Gewerbeflächen sowie Flächen entlang von Infrastrukturtrassen grundsätzlich für die Windenergie geöffnet werden.Photovoltaik
Um den PV-Ausbau massiv voranzutreiben, plant die Landesregierung die stufenweise Einführung einer Solardach-Pflicht, zunächst für neue öffentliche Liegenschaften (2023) und gewerbliche Neubauten (2024), später für alle privaten Neubauten (2025) sowie private und gewerbliche Gebäude bei „umfassender Dachsanierung“ (2026). Die Solardach-Pflicht soll jedoch nur dort greifen, wo PV sinnvoll und „zumutbar“ ist. Um den PV-Ausbau zusätzlich zu beschleunigen, sollen außerdem Verfahren zur Anmeldung bis Inbetriebnahme von PV-Anlagen vereinfacht, digitalisiert und gebündelt werden. Bewährte Projekte und Offensiven zum PV-Ausbau sollen fortgeführt und gestärkt werden. Im Rahmen eines LEP-Erlasses (noch vor Herbst 2022, siehe oben) sollen außerdem klarstellende Regelungen zu Agri- und Floating-PV sowie weitere gängige Freiflächen-PV, etwa auf Brachflächen von Bund, Land und Kommunen, getroffen werden. - Mobilität
Die Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe soll stärker unterstützt und vorangetrieben werden, insbesondere mit Blick auf Flugzeuge, Schiffe und Nutzfahrzeuge.Die Sanierung von Straßen soll Vorrang vor Neubau haben. Im Straßenverkehr will sich die Landesregierung für einen zügigen Ausbau der E-Lademöglichkeiten in Stadt und auf Land einsetzen.Das ÖPNV-Angebot soll bis 2030 um mindestens 60 Prozent erhöht und die ÖPNV-Flotten auf emissionsarme, möglichst emissionsfreie Antriebe umgerüstet werden. Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern, die nicht über einen Schienenanbindung verfügen, sollen bis 2027 an ein Schnellbusnetz angebunden werden. Außerdem hat die Landesregierung ihre Unterstützung für Projekte für betriebliches Mobilitätsmanagement sowie innovative kommunale Projekt zur Verkehrsvermeidung signalisiert.
- Wärme
Im Wohnbereich sollen deutlich mehr Mittel für Modernisierungsmaßnahmen bereitgestellt werden, um im Gebäudesektor schneller klimaneutral werden zu können. CO2-armes Bauen soll künftig stärker gefördert werden, etwa durch vereinfachten Zugang zur Förderprogrammen für Effizienzmaßnahmen zur CO2-Verringerung und eine deutliche Erhöhung des Förderprogramms zum innovativen Bauen.
- Kommunen
Die Landesregierung wird mehr Geld aus dem Landeshaushalt für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung bereitstellen.Dazu wird sie ein Investitionsprogramm für alle Kommunen aufsetzen, über das in den kommenden 20 Jahren insgesamt 300 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden. Auch progres.nrw, das Landesförderprogramm zur Unterstützung der Energiewende, soll hier eine wichtige Rolle spielen. Kommunen als zentrale Akteure auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung sollen zudem künftig stärker bei der Umstellung der Wärmeplanung und -versorgung unterstützt werden.Im Bereich Stadtentwicklung soll die Förderpolitik stärker an Klimaneutralität, -anpassung und nachhaltige Mobilität ausgerichtet werden. Gleiches gilt für die Innenstadtentwicklung.
- Verbraucherschutz
Über die Stärkung und den Ausbau der Energieberatung und der Beratung über Wärme-Einsparpotenziale sowie breit angelegte Informationskampagnen der Verbraucherschutzzentralen sollen in den Betrieben und auch in privaten Haushalten die Einspar- und Effizienzpotenziale im Bereich Energie (und mittelbar im Bereich Klimaschutz) genutzt werden.