Rekrutieren von Fachkräften in den USA

Bei den nachfolgenden Informationen handelt es sich um ein Merkblatt von JR BECHTLE & Co., USA.

Standortwahl

Steuern (Gehalt), Arbeitsrecht (Hire and Fire), Vertragsrecht und dergleichen sind „lokal“ und von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich.
Die Faktoren der Standortentscheidung für den Personalbereich sind vielfältig:
  • Arbeitslosenrate (große regionale Unterschiede)
  • Ausbildungsqualität (Schulausbildung ist Sache der Bundesstaaten und kaum koordiniert)
  • Qualifikation der Mitarbeiter (Industrieschwerpunkte und damit Erfahrungsrahmen sind regional
  • Allgemeine rechtliche Unterschiede
  • Vertragsrecht (national nicht einheitlich)
  • Arbeitsverträge (jeder Bundesstaat hat eigene Regeln)
  • Regeln zu Einstellung (etwa ein Verbot der Frage zur bisherigen Gehaltshöhe) und Entlassung („at will“)
  • Arbeitsplatzregeln (Feiertage, Krankentage, Urlaub, Mutterschaftsurlaub, etc.
Es ist zu beachten, dass es bei allen diesen Bereichen selbst zwischen benachbarten Bundesstaaten wesentliche Unterschiede geben kann - selbst geringe Varianten können einen umfangreichen Einfluss auf alle Aspekte der Personalarbeit haben. Die Einbeziehung der Personalabteilung bei Standortentscheidungen ist deshalb genauso wichtig wie die der Verantwortlichen für Logistik, Einkauf, Vertrieb und Finanzen.

Ausbildung

Nicht jedes Land hat eine Tradition der beruflichen Ausbildung. Das gilt auch für die USA.
Es gibt zwar Versuche, eine berufliche Ausbildung auf breiterer Ebene zu entwickeln (nicht zuletzt über Eigeninitiativen der Unternehmen oder unter Einschaltung von öffentlichen Institutionen wie Community Colleges und privaten Schulen); dies ist aber bisher eher unkoordiniert und weitgehend regional. Eine Berücksichtigung der Frage, ob qualifizierte Fachkräfte vorhanden sind, ist somit von großer Wichtigkeit.
Eine Analyse der spezifischen lokalen Umstände ist daher sinnvoll.
So haben etwa deutsche Automobilfirmen bei Ihrer Standortentscheidung für die Carolinas (North und South Carolina) auf die lange Tradition der Region mit technisch/mechanisch hochwertigen Maschinen (Textilmaschinen) zurückgreifen können und relativ gut vorbereitete Facharbeiter vorgefunden.
In anderen Regionen haben ähnliche Entwicklungen der Vergangenheit die Herausbildung eines Pools von erfahrenen Fachkräften in bestimmten Industriesegmenten ermöglicht.
Nicht jede Region der USA hat eine solche Auswahl von erfahrenen Fachkräften anzubieten.
Anders als lokale Unternehmen, benötigen Niederlassungen deutscher Unternehmen kaum unausgebildete Hilfskräfte, da ein überproportionaler Anteil der Arbeit, insbesondere mittelständischer Unternehmen, sich auf Vertrieb und Service beschränkt.
Im großen Ganzen unterscheiden Amerikaner die Ausbildungsstufen wie folgt:
  • College Graduates (Hochschulabsolventen)
  • High School Degree (Oberschulabsolventen)
  • No High School Diploma (keine qualifizierende Ausbildung)
Vereinfacht gesagt: Man ist entweder Akademiker oder hat zumindest Abitur (Oberschulabschluss), oder ist „ohne Ausbildung“. Über die Qualität einiger ausbildenden Institutionen kann man geteilter Meinung sein.
Die Arbeitslosenrate in den drei Ausbildungsstufen sieht wie folgt aus (Stand Juli 2019):
  • College (Bachelor und höher): 2,1 Prozent
  • High School Abschluss: 3,9 Prozent
  • Ohne High School Abschluss: 5,3 Prozent
Nicht anders als die amerikanischen Unternehmen, sucht der Großteil der deutschen Niederlassungen für Angestelltenfunktionen vor allem Mitarbeiter, welche zur Kategorie „Hochschulabschluss“ (College Degree/Bachelor or higher) gehören.
Die Arbeitslosenrate der Mitglieder dieser Gruppe ist weit unter dem üblichen Niveau. Qualifizierte Mitarbeiter zu finden ist somit schwierig und teuer. Selbst für Hilfstätigkeiten werden sowohl von lokalen Unternehmen als auch von deutschen Niederlassungen weitgehend Mitarbeiter mit High School Abschluss gesucht. Es gibt immer mehr Oberschulen, welche ihren Schülern eine breitere praktische Ausbildung anbieten. Andererseits sind viele Oberschulen – insbesondere private Schulen – ausschließlich darauf ausgerichtet, ihre Schüler auf ein späteres Universitätsstudium vorzubereiten (Prep Schools).
Eine enge Zusammenarbeit der Unternehmen mit lokalen Schulen hilft, Kontakte aufzubauen, was später bei der Suche nach Fachkräften hilfreich sein kann.

Mythos der Mobilität der Amerikaner

Es gibt Mythen und Sagen, die einen erstaunlichen Lebenswillen haben, obwohl die Realität dagegenspricht. Die Zeiten ändern sich, aber der Mythos bleibt bestehen – so auch die Sage vom mobilen Amerikaner, der pausenlos seine Koffer, seine Familie und sein Auto packt und dem Glück hinterher zieht.
Die Wahrheit ist anders:
  • auch der Amerikaner ist regional gebunden,
  • hängt an seinem Geburtsort,
  • sucht die Nähe der Familie, und
  • ist beileibe nicht bereit, ohne Weiteres seinen Standort zu verändern.
So hört die Mobilität recht schnell auf, sobald man versucht, jemanden von Kalifornien nach Pennsylvania, von der Großstadt in eine Kleinstadt, von der Kleinstadt nach New York zu bringen.
  • Es ist richtig, dass der Amerikaner gegenüber dem Deutschen doch recht flexibel ist, viel eher ein Risiko eingeht, viel schneller eine Chance erkennt und deshalb auch fix bereit ist, dem Ruf einer attraktiven Firma zu folgen oder ein Versetzungsangebot zur nächsten Niederlassung anzunehmen.
  • Die Kriterien jedoch sind im Endergebnis sehr ähnlich denen der deutschen Kollegen: die Schulverhältnisse für die Kinder, die Arbeitsmöglichkeiten für den Partner, die allgemeine Lebensqualität am neuen Standort und nicht zuletzt die Gehaltserhöhung.
  • Wenn von diesen Faktoren einer nicht stimmt oder die Firma nicht bereit ist, einen konkreten Nachteil am neuen Standort auch finanziell zu kompensieren, dann ist es schwer, zur Mobilität zu motivieren.
Die Erwartung eines Unternehmens, dass der Wunschkandidat nun auch tatsächlich dem – in den USA eher als in den kleineren Staaten Europas – notwendigen Umzug zustimmt und pünktlich zum Arbeitsbeginn erscheint, ist letztlich der für Arbeitgeber einzig relevante Punkt des Begriffs „Mobilität“.
Die Bandbreite der Lebenshaltungskosten in einem großräumigen Land wie den USA (ein wichtiges Kriterium zur Frage der Umzugsbereitschaft) sowie der oftmals umfangreichen „Umzugskosten“, welche ein Unternehmen auf sich zukommen sieht, zeigt dann aber schnell den eigentlichen Pferdefuß: Es wird teuer. Die Suche, der Umzug, das Einarbeiten einer neuen Führungskraft ist teuer. Es ist eine Investition in die Zukunft der Firma und muss entsprechend gut überlegt und ordentlich durchgeführt werden.

Hire and Fire-Realität

Ist es eher eine Frage kultureller Unterschiede oder gibt es dieses „Hire and Fire“ auf Gutdünken in den USA? „Hire and Fire“ heißt ja erst einmal nichts Anderes als „Einstellen“ und „Entlassen“; und das ist natürlich international.
Es geht bei diesen Begriffen also nicht so sehr um das Einstellen und 5 Entlassen an sich, sondern um die scheinbar besonders „lockere“ Art und Weise des Einstellens und Entlassens in den USA – um die scheinbar so viel einfacheren Regeln.
Tatsache ist aber, dass die Regeln des Einstellens und Entlassens in den USA nicht wirklich „einfach“, sondern schlicht und einfach anders sind.
Beispiel: Einstellungsgespräch und Zulässigkeit persönlicher Fragen (Geburtsdatum, Familienstand, Foto, Handschriftenprobe, Nationalität/kulturelle Herkunft, Raucher, Zeugnisse, bisheriges Gehalt, etc.).
Man hat oftmals aus dem Erfahrungsumfeld des eigenen Kulturkreises auch keine Referenzen, um Regeln im Ausland zu erkennen, zu hinterfragen und richtig zu verstehen.
Beispiel: Gewerkschaft/Betriebsrat; Rahmen- und Tarifverträge versus „Right to Work“-Struktur; „freie“ Titel- und Gehaltsoptionen; Urlaub, Feiertage, Krankentage, Versicherung, Mutterschaftsurlaub, etc.
Da kann man sich leicht vergaloppieren und feststellen, dass die scheinbar so einfachen Regeln durchaus komplex sein können, deren Nicht-Einhaltung auf wenig Verständnis stößt, und auch schnell sehr teuer werden kann.

Deutsche Niederlassungen in den USA

Deutsche Tochtergesellschaften haben eine Sonderstellung im U.S.-Markt, da sie zwischen selbständigen U.S.-Firmen und den weisungsabhängigen Divisionen von U.S.-Unternehmen positioniert sind:
  • Vergleichbar den Geschäftseinheiten einer amerikanischen Firma werden Strategien, Produktionsentscheidungen, Vertriebs- und Preispolitik, Produktausrichtung und allgemein die Firmenkultur stark durch die Muttergesellschaft beeinflusst.
  • Andererseits ergibt sich aus der geographischen Entfernung zur Muttergesellschaft nicht nur eine größere Unabhängigkeit, sondern auch der Zwang kurzfristig viele Entscheidungen selbstständig zu treffen.
  • Für die Leiter solcher Niederlassungen zeigt sich oft als herausragendes Problem genau dieser Widerspruch zwischen dem Zwang zu selbstständigen Entscheidungen und alleinigen Verantwortung und dem gleichzeitigen Bemühen, sich in die globalen Notwendigkeiten und Vorgaben einzubinden.

Managementstruktur der Niederlassungen

Kaum ein anderer Wunsch europäischer Firmenzentralen stößt in den USA auf derart starken Widerstand, wie der nach Management-Teams von „gleichberechtigten“ Führungskräften.
Nicht selten wird hinter dieser ablehnenden Haltung das Bemühen der lokalen Manager nach Einzelmacht und Positionsfestigung vermutet. Es ist im durchgehend hierarchisch geformten Gefüge amerikanischer Firmen (und der Gesellschaft im Allgemeinen) nicht ohne weiteres erkennbar, wie ein solches „partnerschaftliches“ Leitungsgefüge in der Praxis funktionieren soll.
  • Es gibt keine eingeführten und allgemein anerkannten Regeln und Erfahrungsmuster (oder auch Rechtsvorschriften), wie man denn nun in einer solchen Gruppenleitungsstruktur miteinander umzugehen habe.
  • Die Mitarbeiter sind im Normalfall eher verwirrt, als positiv angetan, von dem Vorhandensein mehrerer Chefs.
  • Geschäftspartner (Banken, Kunden, Lieferanten, etc.) suchen nach dem letztendlich verantwortlichen Entscheidungsträger um sicher zu stellen, dass das Unternehmen in seiner Gesamtheit hinter den getroffenen Vereinbarungen steht.
Es gibt immer wieder Versuche mit Co-Managementstrukturen (nicht zuletzt nach dem Zusammenschluss zweier Firmen); funktioniert oder auch nur länger gehalten haben solche Experimente in den USA aber eher selten.
Soweit dies für die Rekrutierung von Top-Führungskräften gilt, würde kein selbstbewusster amerikanischer Manager mit CEO- oder President-Pedigree eine Einstellung als „Mit“-Geschäftsführer akzeptieren. Nicht nur wäre er/sie verunsichert, wie man sich zu verhalten habe (was denn nun die Regeln sind); es wäre aber auch dem Manager und allen anderen Mitspielern im Markt (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten - bis hin zu Personalberatern und potenziellen zukünftigen Arbeitgebern) klar, dass er/sie sich „unter Preis verkauft habe“. Eine solche Wahl würde deshalb eher als Rückschritt in der Karriere eines Managers angesehen.

Titel und Positionen

Auch das Ritual mit den Titeln gehört zu den Fußangeln der amerikanischen Geschäftswelt.
Es ist durchaus bekannt, dass man in den USA seine Gegenüber nicht unbedingt mit Herr Doktor Jones oder Herr Professor Miller anspricht, auch wenn diese Träger eines solchen Titels sind.
Der deutsche Geschäftsmann ist dann aber doch überrascht, wenn es praktisch keinen Mitarbeiter gibt, der nicht irgendeinen Titel auf seiner Visitenkarte angibt. Amerika wimmelt von „Managern“. Es bedarf schon einer intimen Kenntnis der Geschäftswelt, um den Unterschied zwischen President, Chief Executive Officer oder General Manager zu kennen; man muss die Firma schon recht gut kennen, um zu wissen, wie bedeutend oder unbedeutend ein Vice President, ein Senior Vice President oder ein Executive Vice President ist.
Schwierig wird es dann, wenn man für die eigene Verkaufsniederlassung einen Verkaufsleiter sucht und nur deshalb keinen findet, weil man an Stelle des angemessenen Titels „Vice President Marketing and Sales“ sich für den unattraktiven Titel „Sales Manager“ entschieden hat. Das Argument, die Leiter aller Einheiten würden global einheitlich tituliert, hilft weder dem Verständnis des amerikanischen Mitarbeiters noch der lokalen Kunden, Lieferanten oder sonstigen Parteien.
Die wichtigste Aufgabe eines Titels ist, einem Dritten einen Hinweis darauf zu geben, welche Rechte der Gegenüber hat, für das Unternehmen als Ganzes zu agieren. Wie so vieles andere, sind auch Titel in den USA weniger eine rechtlich vorgegebene Regel, sondern vielmehr eine Entscheidungsfrage basierend auf Gewohnheiten.
Die Frage sollte somit immer sein: Was soll der Titel dem Gesprächspartner vermitteln?.
Der Leiter einer Niederlassung sollte jedenfalls der Tatsache Ausdruck geben, dass er/sie lokal verantwortlicher Ansprechpartner ist. Der Titel President oder General Manager ist deshalb nicht nur angemessen, sondern notwendig und sinnvoll.

Personalsuche

Grundlagen

Deutsche Unternehmen sind für die Qualität ihrer Produkte bekannt. Auch für ihre Preise. Deutsche Markenunternehmen sind weltweit führend. In diesem Selbstbewusstsein erwartet der deutsche Geschäftsleiter, dass ein potentieller Mitarbeiter sehr deutlich zeigt, dass er/sie eine Mitarbeit in speziell diesem Unternehmen anstrebt.
Selbst bekannte Unternehmen stellen sich in den USA im besten Licht dar und bemühen sich die Vorteile einer Mitarbeit deutlich zu machen. Amerikaner sind im Zweifelsfalle eher bemüht, sich und ihre Leistung zu verkaufen und daran gemessen zu werden. Die Kandidaten verhalten sich entsprechend und erarbeiten mit viel Aufwand eine persönliche Verkaufsbroschüre: Das Resümee – weniger dazu gedacht zu informieren, als vielmehr dazu dienend, einen guten (ersten) Eindruck zu vermitteln.

Stellenbeschreibung und Resümee

Statt einer Stellenbeschreibung sollte für die Besetzung leitender Positionen eher eine Darstellung der Ziele der zu führenden Einheit erarbeitet werden – mit der Frage, ob die Bewerber glauben, diese erreichen zu können und wie dies bewerkstelligt werden soll.
Das entspräche dann dem Resümee der Bewerber, welches in den USA weniger dazu dient, genaue Daten zu vermitteln, sondern vielmehr ein Bemühen ist, darzustellen, welche Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale der Kandidat mitbringt, um die erwünschten Ziele erreichen zu können. Der sicher wichtigste dieser Punkte ist: Ich habe dies bereits in der Vergangenheit geschafft – die Chancen sind somit gut, dass ich es auch dieses Mal schaffe. Das beste „Assessment“ ist nicht die Vorausschau oder eine Bewertung des Talents, sondern die Rückschau auf das bereits konkret Geleistete!

Retained Recruiter/Headhunter

In den USA ist die übliche Struktur der Personalsuche traditionell über Personalberater (Retained Recruiter/Headhunter), welche erfolgreich im Berufsleben stehende Kandidaten
  • identifizieren,
  • ansprechen, und dann
  • für einen Wechsel gewinnen müssen.
Dies nicht zuletzt, weil der amerikanische Unternehmer den „Erfolgsmanager“ sucht, den Leader.
Das in den USA typischerweise die besten Kandidaten von Personalberatern gezielt gefunden, angesprochen und interessiert werden müssen - da diese eben nicht aktiv auf Arbeitssuche, sondern damit beschäftigt sind, ihre derzeitige Aufgabe auch weiterhin erfolgreich zu erfüllen - führt zu einer völlig unterschiedlichen Dynamik der Gespräche und Verhandlungen:
Erklären Sie mir bitte, weshalb ich meine erfolgreiche Arbeit bei meinem bisherigen Arbeitgeber aufgeben soll, um das Risiko einzugehen, bei Ihrem Unternehmen tätig zu werden?
In diesem Fall ist alles unter 25 bis 30 Prozent Gehaltserhöhung mit gleichzeitig attraktiven Nebenleistungen, einer interessanten neuen Aufgabe, einem entsprechenden Titel und soliden Wachstumsmöglichkeiten eben kein wirkliches Angebot („Warum soll ich das Risiko und die Kosten eines Arbeitsplatzwechsels auf mich nehmen, so die neue Stelle keine attraktiveren Konditionen bietet?“)

Abwicklung

  • Personalberatung
    • Anzeigenagentur
    • Personalvermittlung (Contingency Recruiting)
    • „Headhunting“ (Retained Recruiting)
  • Personalvermittlung Contingency Recruiting:
    • Quantitative Entlastung der HR Abteilung (effektiv ein Outsourcing von Aktivitäten)
  • Headhunting Retained Recruiting: ð Beratung und Unterstützung von Geschäftsleitung und Personalleitung (qualitative Beratung/Consulting)
Der Weg zu einem langfristig erfolgreichen Auslandsengagement bedarf einer auf solider Erfahrung aufbauenden Strategie und Unternehmenssteuerung. Strategie/Steuerung und eine qualifizierte Personalauswahl der leitenden Mitarbeiter müssen dabei letztlich Hand in Hand gehen.
Dies gilt umso mehr für hierarchische Firmenstrukturen, wie diese in Amerika weitgehend üblich sind. Allzu häufig werden Kandidaten für die Niederlassungsleitung dann aber vor allem emotional ausgewählt oder abgelehnt („I know it, when I see it“).
Eine vernünftige Mischung aus Datenanalyse und persönlicher Erfahrung ist eine bewährte Mischung. Datenbasis und Analyse sind wichtige Grundlagen des Entscheidungsprozesses. Ohne langjährige „Hands-on“-Erfahrung nicht nur im relevanten industriellen Umfeld, sondern auch in beiden Kulturkreisen, ist eine sinnvolle Entscheidung kaum erreichbar. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, lokale Berater (Personalberater; lokale Kenner als Mitglied im Board of Directors oder einem Advisory Board) einzubinden, welche in beiden Kulturen – der Unternehmenszentrale ebenso wie der Niederlassung – konkrete Berufs- und Lebenserfahrung vorweisen könnten.
In den vergangenen Jahren hat sich – nicht zuletzt dank verbesserter Technik – der Trend entwickelt zumindest die Vorauswahl von Kandidaten per Telefon/Video abzuwickeln. Das setzt aber nicht nur eine adäquate Technik voraus, sondern auch ein verbessertes Verständnis der Anwender auf beiden Seiten, damit angemessen umzugehen. Bei der Einstellung von Führungskräften wird die Entscheidung aber nicht nur von Fachfragen und praktischen Kriterien bestimmt. Es sind oftmals die interpersonellen und persönlichen Merkmale, welche die Grundlagen des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens bilden. Die Leitung einer internationalen Niederlassung – insbesondere im wichtigen amerikanischen Markt – bedingt ein solches Vertrauen und verlangt die Fähigkeit, eng miteinander auch über große Distanz (geografisch, zeitlich, aber auch kulturell) arbeiten zu können. Ohne persönliche Verbindung ist dies nicht möglich.
Die Verbindung moderner Techniken und die Unterstützung von erfahrenen Kennern bietet dabei eine praktikable Lösung. Lokale Experten, welche nicht nur die kulturellen Bindungen und Einflüsse berücksichtigen, sondern vor allem auch ganz konkrete praktische Kenntnisse vorweisen können und somit den Entscheidern in den Zentralen als qualifizierte Partner vor Ort dienen können, sind unabdingbar. Es genügt dabei nicht, ein paar Jahre Lebens-/Arbeitserfahrung im Lande vorweisen zu können.
Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass die lokalen Partner (Personalberater) selber in entsprechenden Entscheidungspositionen tätig waren (als Geschäftsführer oder Personalleiter in vergleichbaren Industrien; oder aufgrund jahrzehntelanger Arbeit als Berater) und somit nun als verlängerter Arm bei der Auswahl und Entscheidungsfindung wirken können. Die Auswahl und Vorentscheidung für Kandidaten der Leitungsebene „long-distance“ abzuwickeln, ist manchmal auch aufgrund von Reisebeschränkungen sinnvoll und notwendig. „Consultative Recruiter“, also Partner, welche relevante Erfahrung – technisch wie insbesondere auch beruflich und persönlich – einbringen können, sind eine unentbehrliche Ergänzung für die Entscheidungsträger in den Zentralen.

Bewerbungsunterlagen / Einstellungsgespräch

In den USA werden Präsentation und Inhalt des „Resümees“ (CV‘s/Curriculum Vitae) weniger als Darstellung der wahren Persönlichkeit angesehen. Jedenfalls nicht mehr als die Firmenbroschüre eines Unternehmens, welches auch nicht unbedingt als anerkannter Ausdruck der Unternehmenspsyche betrachtet werden sollte. Es ist eher das Ergebnis der Arbeit einer Public Relations Firma.
Das Resümee eines amerikanischen Bewerbers ist entsprechend als eine allgemeine Beschreibung der bisherigen Erfahrungen und der Erwartungen für die Zukunft zu verstehen – eine Eigendarstellung mit dem Ziel, vertiefende Kommunikation anzuregen.
Detaillierte Informationen tauscht man dann im Rahmen der persönlichen Gespräche aus. Und zwar von beiden Seiten.
Im Einstellungsgespräch mit einem neuen Mitarbeiter gibt es Regeln und Verhaltensweisen, die international üblich sind. Und solche, die von Land zu Land unterschiedlich sind.
Es sollte bekannt sein, dass man einen Bewerber in Amerika tunlichst nicht nach dem Alter fragt, dass man bei der Ergründung des Gesundheitszustandes äußerst vorsichtig sein muss, oder dass Rückfragen nach der Herkunft ein Tabu sind.
Schwieriger sind Bereiche, die nicht so deutlich auf der Hand beziehungsweise auf dem Tisch liegen, die bei Nichtbeachtung oder Falschbehandlung aber ein gleichermaßen negatives Ergebnis haben: dass nämlich der zukünftige Mitarbeiter falsch eingeschätzt und deshalb nicht eingestellt wird oder falsch behandelt wurde und deshalb nicht erschienen ist. Dies zu vermeiden ist oft nur möglich, wenn erfahrene lokale Fachleute (Personalabteilung, Personalberater) eingeschaltet sind.

Einstellung und Kommunikation

In Deutschland ist es üblich, mit einem ausgewählten Bewerber im letzten Gespräch an Ort und Stelle über seinen Vertrag und die Konditionen zu sprechen, zu diskutieren und zu verhandeln.
Wenn man sich mündlich über die wesentlichen Parameter geeinigt hat, dann erwartet der deutsche Geschäftsführer auf seine letzte Frage, ob der Kandidat denn nun das Angebot auch annehme, ein herzerfrischendes „Vielen Dank, sehr gerne!“.
Bei einem gleichermaßen verlaufenden Gespräch mit einem amerikanischen Bewerber jedoch wird er von dessen Reaktion enttäuscht sein. Der Amerikaner, gewohnt an ein Angebot („job offer“), sieht nun das letzte Gebot auch als ein solches an und antwortet auf die gleiche Frage mit „Thank you very much, I will get back to you in a couple of days.“ Der Deutsche mag enttäuscht sein über die mangelnde Entschlusskraft seines erhofften Mitarbeiters, der Amerikaner weiß gar nicht, was los ist, und das Missverständnis ist oftmals groß.
Damit wären wir bei der Erkenntnis: Rituale muss man erleben, um sie zu lernen und zu verstehen.

Hinweis und Kontakt der externen Autoren

Autoren/Kontakt:

JR BECHTLE & Co., USA

Egon Lacher, Geschäftsführer
Susanne Lipke, Vice President International Business Development

Telefon: +1 (561) 609-3081
E-Mail: s.lipke@jrbechtle.com
Webseite: www.jrbechtle.com
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Stand: Januar 2025