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Vertragsgestaltung mit ukrainischen Geschäftspartnern

Merkblatt von Igor Dykunskyy, LL.M., DLF Rechtsanwälte Ukraine

Zum Erstaunen vieler ausländischer Unternehmen, ziehen ukrainische Gerichte bei Rechtsstreitigkeiten gegen ukrainische Geschäftspartner beim Vertragsabschluss getroffene Vereinbarungen nicht in Betracht.  Ausländische Unternehmen lassen sich oft von ihren lokalen Vorschriften und Handelsbräuchen leiten und vergessen dabei, dass die Verträge oder einzelne Bestimmungen oft dem ukrainischen Recht unterliegen und im Fall von Streitigkeiten auch vor ukrainischen Gerichten zu verhandeln sind.
Bei der Vertragsgestaltung mit ukrainischen Geschäftspartnern ist besonders auf die Befugnisse der zur Unterzeichnung Bevollmächtigten, auf Formulierungen bezüglich der Abnahme von Dienstleistungen oder Waren sowie auf eine korrekte Formulierung des Eigentumsvorbehalts zu achten.
Zurzeit müssen auch kriegsbedingte Besonderheiten berücksichtigt werden.
Die Vertragsabwicklung während des Kriegszustands in der Ukraine hängt zudem von den aktuellen Beschränkungen und Bedingungen bei der Zahlungsabwicklung, der Zollabfertigung von Waren sowie dem Import- und Exportregime ab. Diese Bestimmungen können sich je nach aktueller Situation kurzfristig ändern. 

Überprüfung des ukrainischen Vertragspartners

Sehr oft wird die schriftliche und elektronische Kommunikation nicht vom Geschäftsführer der ukrainischen Gesellschaft selbst geführt, sondern von den Gesellschaftern beziehungsweise Eigentümern des Gesellschaftsvermögens, die als eigentliche Entscheidungsträger angesehen werden. Schreiben, Bestätigungen, Vereinbarungen oder Übernahmeprotokolle könnten von Dritten unterzeichnet werden, die zwar mit der ukrainischen Gesellschaft verbunden sind, offiziell aber keine rechtlich fundierte Befugnis haben. Aus diesem Grund lassen ukrainischen Gerichte viele Dokumente außer Acht, da die Personen bei ihrer Unterzeichnung ohne die erforderliche Befugnis gehandelt haben.
Somit sollte man immer darauf achten, dass die Unterzeichnenden sowie Kontaktpersonen, die im Namen der ukrainischen Gesellschaft handeln, über entsprechende Befugnisse verfügen. Das lässt sich mit Hilfe offizieller Quellen ermitteln, wie zum Beispiel staatlicher Register, oder aus den Vollmachten oder den Bestätigungen der Vertragspartner.

Sanktionsrisiken 

Unter den gegenwärtigen Umständen sollten die Vertragspartner auch hinsichtlich von Sanktionen überprüft werden. Die weltweite Sanktionspolitik im Zusammenhang mit der Invasion der Russischen Föderation in der Ukraine umfasst eine Vielzahl von Unternehmen und Einzelpersonen. Der unvorsichtige Aufbau von Beziehungen zu einem sanktionierten Vertragspartner kann nicht nur die Vertragsabwicklung, sondern auch die Reputation erheblich gefährden. Der Vertragspartner beziehungsweise dessen Registrierungsdaten können anhand von internationalen und ukrainischen Sanktionslisten oder anhand von Datenbanken und schwarzen Listen überprüft werden. 
Zudem sind während des Krieges Gesetze verabschiedet worden, die den Umgang mit russischen Staatsbürgern oder ihnen nahestehenden Personen beschränken. Beim Verdacht, dass der Vertragspartner eine solche Person ist oder versucht, Sanktionen zu umgehen, sollte dieser zusätzlich überprüft werden.

Abschluss von Verträgen 

Es ist wichtig, sich über das Verfahren zum Vertragsabschluss im Klaren zu sein. Angesichts der aktuellen Umstände werden die meisten Verträge unter Abwesenden durch den Austausch von Dokumenten abgeschlossen. Teilweise basieren Verträgen auf internationalen Musterformularen oder werden auf elektronischen Plattformen abgeschlossen. Damit solche Verträge als abgeschlossen gelten, muss darauf geachtet werden, ob das Verfahren und die Form des Vertragsabschlusses mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften oder mit den vereinbarten Vertragsabschlussregeln übereinstimmen. 
Wenn der Vertrag zum Beispiel dem ukrainischen Recht unterliegt, muss er die wesentlichen Bedingungen enthalten, die im Handels- und Zivilgesetzbuch der Ukraine festgelegt sind. Wenn zum Beispiel ein GAFTA-Mustervertrag (Grain and Feed Trade Association) angewendet wird, müssen die auch Vertragsbedingungen gemäß dem gewählten Mustervertrag eingehalten werden.
Beim Abschluss von Liefer- oder Montageverträgen muss die Abfolge genau befolgt werden, die die Parteien dazu festgelegt haben. Wenn der Austausch von eingescannten Kopien und die anschließende Übersendung von unterschriebenen Papieroriginalen vertraglich vorgesehen sind, ist dieses Verfahren auch einzuhalten.
Oft kommt es vor, dass ein Vertrag nach seinem Abschluss geändert wird, ohne dass das vertraglich festgelegte Änderungsverfahren eingehalten wird. Wenn der Vertrag kein spezielles Änderungsverfahren vorsieht, so sind alle Vertragsänderungen in der Weise vorzunehmen, die auch für die Vertragsunterzeichnung vorgesehen ist.

Eigentumsvorbehalt

In der Ukraine weist der Eigentumsübergang bei Lieferverträgen eine Reihe von Besonderheiten auf, die zu wichtigen rechtlichen Konsequenzen führen können. Die Übertragung einer Ware durch den Verkäufer in das Eigentum des Käufers bezieht sich insbesondere auf:
  • Festlegung, wer die mit der Zerstörung oder Beschädigung der Ware verbundenen Risiken trägt und die mit der Ware verbundenen Vorteile erhält;
  • Entstehung, Erfüllung und Beendigung von Verpflichtungen aus Lieferverträgen und Haftung bei deren Nichterfüllung;
  • Bestimmung von Steuerverpflichtungen sowie Zoll- und Bankverfahren; 
  • und Bestimmung, wer haftet, wenn Dritte einen Schaden durch die Ware erleiden.
Im Allgemeinen sind die Parteien bei Lieferverträgen berechtigt, das Verfahren, die Registrierung und den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vom Verkäufer auf den Käufer zu bestimmen. Gleichzeitig sind die gesetzlichen Vorschriften recht allgemein gehalten, was im Streitfall zu einer mehrdeutigen Auslegung führen kann. Dies kann mannigfaltige Folgen mit sich bringen, sowohl für den Schutz der Parteien bei ihren gegenseitigen vertraglichen Inhalten, aber auch für steuer- und zollrechtliche Verpflichtungen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten einige Regeln beachtet werden – sei es beim Abschluss von Lieferverträgen, aber auch bei der Verhandlung von Vertragsbedingungen und bei deren Ausführung.
Ein Liefervertrag in der Ukraine sollte wie folgt sein:
  • Er muss den Eigentumsübergang beziehungsweise den Eigentumsvorbehalt klar und getrennt vom Risikoübergang regeln. Dies ist besonders wichtig bei Verträgen, in welchen sich die Parteien auf vereinheitlichte Regeln (zum Beispiel Incoterms) berufen. Im Rahmen solcher Regeln kann das Verfahren des Eigentumsübergangs beziehungsweise des Eigentumsvorbehalts überhaupt nicht spezifiziert werden und es müsste separat geregelt werden;
  • er muss den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs deutlich festlegen, zum Beispiel „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald die Parteien das Übergabe- und Übernahmeprotokoll in der vertraglich vorgesehenen Weise unterzeichnet haben.“ Oder: „Die Ware wird Eigentum des Käufers, sobald der Käufer eine ordnungsgemäß erstellte Ausfertigung des Frachtbriefes erhält“, und so weiter;
  • er muss die Dokumente auflisten, die die Parteien als Nachweise für den Eigentumsübergang akzeptieren, zum Beispiel einen Zahlungsauftrag oder ein anderes Bankdokument, das die Zahlung bestätigt, oder ein Übergabe- und Übernahmeprotokoll, das den tatsächlichen Erhalt der Waren durch den Käufer nachweist;
  • er muss das Verfahren zur Ausfertigung und zur Übergabe von Dokumenten regeln, die den Eigentumsübergang bescheinigen, zum Beispiel die Verpflichtung der Parteien zur Unterzeichnung eines Übergabe- und Übernahmeprotokolls beim tatsächlichen Erhalt der Ware, die Verpflichtung des Warenversenders zur Übergabe des Konnossements an den Käufer innerhalb einer bestimmten Frist oder die Verpflichtung des Käufers zur Übersendung eines Zahlungsnachweises an den Verkäufer;
  • er muss die Fälle regeln, in denen es aus dem einen oder anderen Grund unmöglich ist, einen Eigentumsübergang zu formalisieren, und er muss für solche Fälle die Abläufe festlegen. Dies ist während des Krieges in der Ukraine besonders wichtig, zumal die Erstellung erforderlicher Dokumente durch objektive Umstände verhindert werden kann. Die Frage des Eigentums an der Ware bliebe dann womöglich ungeklärt.

Abnahme der Leistungen oder Waren 

Eine wichtige Rolle bei der Erfüllung von Verträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern spielt die Abnahme von Leistungen oder die Übernahme von Waren. Bei der Unterzeichnung von Werkverträgen einigen sich die Geschäftspartner zumeist darauf, dass die Bezahlung für die erbrachten Leistungen erst nach der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls erfolgt.
Dadurch ist der ausländische Werkunternehmer an die Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls durch den ukrainischen Werkbesteller gebunden. Nachdem die Leistungen schon erbracht worden sind, kann der ukrainische Werkbesteller die Erbringung der Leistungen durch den Werkunternehmer oder deren Umfang bestreiten und die Abnahme des Werkes ablehnen.
Für manche Verträge sind gesetzliche Schutzmittel gegen derartige Handlungen des Werkbestellers vorgesehen. So kann zum Beispiel ein Werkunternehmer nach der vollständigen Erbringung der vereinbarten Leistungen ein von ihm unterzeichnetes Übernahmeprotokoll vorbereiten und an den Werkbesteller schicken. Auf diese Weise wird der Werkbesteller aufgefordert, das Übernahmeprotokoll seinerseits zu unterzeichnen. Falls der Werkunternehmer vom Werkbesteller nicht das gegengezeichnete Übernahmeprotokoll erhält, darf er aufgrund des einseitig unterzeichneten Dokuments zur Bezahlung der Leistungen ein Gericht anrufen.
Grundsätzlich empfiehlt sich beim Abschluss umfangreicher Werkverträge mit ukrainischen Geschäftspartnern vor der Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls immer Zwischenprotokolle zu vereinbaren.
Die Parteien sollten einen Zeitplan für die Erfüllung bestimmter Arbeitsschritte vereinbaren und nach jedem Bauabschnitt ein Zwischenprotokoll unterzeichnen. Das kann bei Großprojekten zwar besonders für ausländische Unternehmen ohne Vertretung in der Ukraine ziemlich mühsam werden. Dennoch hat sich dieses Verfahren bewährt und spart den Parteien viel Zeit und Geld für die Feststellung, wer und im welchen Umfang Leistungen erbracht hat.
Autor und Kontakt: 
Igor Dykunskyy, LL.M., 
DLF Rechtsanwälte Ukraine

E-Mail: Igor.Dykunskyy@DLF.ua
Telefon: +380 44 384 24 54
Webseite: https://dlf.ua/de
Hinweis: Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer Kammer – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Juli 2023