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Steuer- und Rechnungswesen in der Ukraine

- Merkblatt von Thomas Otten, Partner, Otten Consulting LLC, Kyiv – 

Einführung

Das ukrainische und das deutsche Steuer- und Rechnungswesen wiesen im Vergleich bis Ende 2014 signifikante Unterschiede auf. Mit den zu Beginn des Jahres 2015 in Kraft getretenen Änderungen zum Steuerkodex basiert das ukrainische Steuerrecht – abgesehen von einigen limitierten Korrekturen – nunmehr vollständig auf dem Handelsrecht.  Das handelsrechtliche Rechnungswesen wurde erst 1999 eingeführt und basiert weitestgehend auf internationalen Rechnungslegungsvorschriften.
Auch wenn mit den letzten wesentlichen Änderungen zum Steuerkodex eine Angleichung zwischen ukrainischem Handels- und Steuerrecht festgelegt wurde, so werden diese nach wie vor durch formelle Einschränkungen (Form over Substance) konterkariert.
Zudem unterliegt das Steuerwesen einem ständigen Wandel,
wodurch sich eine erhöhte Vorsicht in der Praxis empfiehlt.

Steuersätze

Steuerart
Steuersatz
Gewinnsteuer (Körperschaftssteuer)*
18 % 
Mehrwertsteuer 
20 % 
Gewerbesteuer
Einkommensteuer
18 %**
Militärsonderabgabe auf
Einkommen physischer Personen
1,5 %
Quellensteuer
auf Dividenden grundsätzlich

- laut DBA bei Zahlung nach Deutschland***
15 %
5 %
auf Zinsen und Lizenzen


- laut DBA bei Zahlung nach Deutschland****
15 %
5 %
Vermögenssteuer bei Immobilieneigentum
je qm 2 %
des Minimalgehaltes*****
Kommunalsteuer je Mitarbeiter/-in
abgeschafft
*    landwirtschaftliche Betriebe gewinnsteuerbefreit
**   nur 5 % Einkommensteuer auf Dividenden
      (9 % bei Dividenden von gewinnsteuerbefreiten Agrarbetrieben)
***  bei Beteiligung durch jur. Person >= 20 %,  sonst 10 % Quellensteuer
**** Reduktion auf 2 % bei Bankkrediten
***** ab 60/120qm Wohnfläche bei Wohnungen/Häusern

Unterschiede zwischen Handels- und Steuerrecht 

Gewinnsteuerbasis (Gewinnsteuer entspricht der deutschen Körperschaftsteuer) ist der handelsrechtliche Abschluss, wobei Steuerzahler mit einem Vorjahresumsatzvolumen > 40 Mio. UAH unter anderem folgende Korrekturen zum handelsrechtlichen Ergebnis durchzuführen haben: 
  • Abschreibungen gemäß ukrainischer „AfA-Liste“
  • Rückstellungswahlrechte
  • Verschiedene Finanzoperationen (zum Beispiel: Wertberichtigungen, Zinsbeschränkung i.H.v. 30 % des Nettozinsaufwandes, wenn Auslandsdarlehen von Nichtbanken > 3,5faches Eigenkapital (thin cap regulation))
  • Warenlieferungen aus Niedrigsteuerländern - 30 %
    (Ausnahme bei erfolgter Verrechnungspreisberichterstattung)
  • Lieferungen und Leistungen von und an Personengesellschaften aus D
    (darunter insbesondere KGs, OHGs, GBR) - 30 %
    (nicht anzuwenden wenn internationale Verrechnungspreise nachgewiesen werden)
Das Finanzamt prüft nunmehr den Handelsabschluss und die entsprechend vorzunehmenden Korrekturen. Gewinnsteuererklärung sind jährlich abzugeben, wobei Betriebe mit Vorjahresumsatzerlösen > 40 Mio. UAH zusätzlich quartalsweise zu berichten und entsprechende unterjährige Vorauszahlungen zu leisten haben.

Pauschalbesteuerung von Einzelunternehmern und kleineren juristischen Personen

Die seit Beginn 2012 gültigen Regelungen zur optionalen pauschalen Besteuerung von Einzelunternehmern, kleineren juristischen Personen sowie Agrarbetrieben wurde in den letzten Jahren mehrfach reformiert und sieht nunmehr wie folgt aus:
Gruppe 1
  • Privatpersonen B2C;
  • Umsatz bis ca. 1,2 Mio. UAH (167 min. Geh.)
  • Steuersatz (max. 10 % des Existenzminimums)
Gruppe 2
  • Privatpersonen B2C+B2B (Waren);
  • Umsatz bis ca. 5,9 Mio. UAH (834 min. Geh.)
  • Steuersatz (max. 20 % des Minimalgehaltes)
Gruppe 3
  • Private und juristische Personen B2C+B2B
  • Umsatz bis ca. 8,3 Mio. UAH (1167 min. Geh.)
  • Steuersatz 3 % + MwSt; 5 % ohne MwSt
Gruppe 4
  • Umsatzerlöse aus landwirtschaftlicher Produktion
    mindestens 75 %
  • Steuersatz circa 240 UAH pro Hektar
Exkurs: Das Steueroptimierungsmodell über Einzelunternehmer
Auch wenn dies für ausländische Investoren auf den ersten Blick nicht von Interesse zu sein scheint, so bleibt festzuhalten, dass die Pauschalbesteuerung von Einzelunternehmern weit verbreitet ist: 
  1. Über dieses System werden „Subunternehmer“ entlohnt, wobei es sich häufig de facto um weisungsgebundene Arbeitskräfte handelt. Der Tatbestand der Scheinselbständigkeit fand in der Ukraine bis dato keine Anwendung, wobei hier ein neuer Gesetzesentwurf basierend auf dem deutschen Muster in Vorbereitung ist. Nach Schätzungen des ukrainischen Wirtschaftsministeriums soll der Anteil der Scheinselbständigen an der Gesamtzahl der pauschalbesteuerten Betriebe circa 18 % betragen. 
  2. Zudem kommt es vor, dass Pauschalunternehmer fiktive Leistungen in Rechnung stellen und dass nach Einbehalten einer „Gebühr“ etwa 90 % des Rechnungsbetrages in Form von Bargeld inoffiziell an den Rechnungsempfänger zurückfließt. Nach Schätzungen des ukrainischen Wirtschaftsministeriums soll der Anteil dieser „Firmen“ an der Gesamtzahl der pauschalbesteuerten Betriebe ebenfalls ca. 18 % betragen.

Diia City: Förderung IT-Dienstleister

Um der Scheinselbständigkeit von Programmierern (siehe voriger Abschnitt) entgegenzuwirken, können seit 2023 IT-Dienstleister für eine Sonderbesteuerung optieren.
Diese sieht anstelle der Regelbesteuerung einen reduzierten Einkommensteuersatz von 5 % vor, wobei dieser sowohl für Angestellte, als auch auf per Zivilvertrag kontaktierte „Gig-Specialists“ Anwendung findet.
Darüber hinaus ist auch die Sozialversicherung für Arbeitnehmer und Gig-Specialists mit 22 % auf 1 Minimalgehalt limitiert.
Damit sich ein IT-Unternehmen in Diia-City anmelden kann, wird vorausgesetzt, dass 
  • mindesten 90 % der Umsatzerlöse aus IT-Dienstleistungen stammen, 
  • das Durchschnittsgehalt mindestens 1.200 Euro beträgt und 
  • mindestens 9 Angestellte oder Gig-specialists beschäftigt werden.
Des Weiteren kann alternativ zur Regelbesteuerung von Gewinnen eine Besteuerung bei der Auszahlung von Dividenden und Zinsen in Höhe von 9 % gewählt werden. Dabei werden Zinszahlungen nur bei Zahlung ins Ausland oder verbundenen Unternehmen besteuert.

Mehrwertsteuer

Die Mehrwertsteuererhebung funktioniert vom Prinzip her grundsätzlich wie in der EU.
Das heißt, nur der geschaffene Mehrwert wird besteuert, so dass auch hier letztendlich der Endverbraucher der Steuerträger ist.
Der Steuersatz beträgt einheitlich 20 %.
Umfangreiche Ausnahmen wie zum Beispiel in Deutschland für Lebensmittel oder Druckerzeugnisse existieren in der Ukraine nicht. Lediglich bestimme Waren und Dienstleistungen wie zum Beispiel Kindernahrungsmittel (Druckerzeugnisse nur sehr eingeschränkt) sind von der Mehrwertsteuer befreit.
Beim Export von Waren sowie deren begleitenden Leistungen beträgt der Umsatzsteuersatz 0 %.
Beim Export von Dienstleistungen gilt bis auf bei ausgewählten Ausnahmen das Leistungsortprinzip, das heißt, in der Ukraine erbrachte Dienstleistungen sind mit 20 % Mehrwertsteuer zu berechnen, auch wenn der Sitz des Leistungsempfängers im Ausland ist (Ausnahmen hierzu: zum Beispiel Werbe-, Beratungs-, IT-Dienstleistungen: Leistungsort = Sitz des Leistungsempfängers).
Allgemein folgt das Umsatzsteuerrecht in der Ukraine zwar wie oben erwähnt dem gleichen Prinzip wie in der EU.
Es gibt jedoch einige wesentliche Unterschiede:
  • Zentrale Online-Registrierung aller mehrwertsteuerpflichtigen Vorgänge innerhalb von 15 Kalendertagen. 
  • Bei Rechnungsstellung und zeitgleich zu erfolgender Onlineregistrierung ist eine Vorauszahlung auf ein Sonderkonto ohne weiteres Zugriffsrecht erforderlich soweit kein Vorsteuerguthaben vorhanden ist, oder wenn ein so genannter virtueller „Overdraft“ - welcher den durchschnittlichen Mehrwertsteuer-Zahlungen der letzten 12 Monate entspricht - aufgebraucht ist.
  • Die Vorsteuererstattung funktioniert (mittlerweile), wenn auch teilweise mit Verzögerungen. Dies war in früheren Jahren in voller Höhe kaum beziehungsweise wenn, nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich.
    Mit Einführung des seit Mitte 2015 eingeführten neuen Mehrwertsteuerverwaltungssystems wurden die Probleme bezüglich der Mehrwertsteuererstattung erheblich verbessert.
  • Um Vorsteuer mit der abzuführenden Mehrwertsteuer verrechnen zu können, ist der so genannte Umsatzsteuerschein des Lieferanten erforderlich, welcher ein je Lieferung/Leistung elektronisch gesondert auszustellendes Buchhaltungsdokument darstellt und in einer zentralen Datenbank des Staates durch das ausstellende Unternehmen einzutragen ist. Diese zentrale Mehrwertsteuer-Registrierung bereitet jedoch einigen Firmen nach wie vor dahingehend Probleme, dass eine Registrierung von Mehrwertsteuervorgängen aus formellen Gründen behindert wird, mit der Folge, dass die entsprechende Vorsteuer beim Leistungsempfänger nicht geltend gemacht werden kann. 
Beim Import von Waren aus dem Ausland muss Einfuhrumsatzsteuer entrichtet werden. Diese ist sofort zu zahlen, andernfalls gibt der Zoll die Ware nicht frei. Diese Einfuhrumsatzsteuer kann als Vorsteuer geltend gemacht werden, aber erst nach Erhalt der Ware und der gesamten Zollabwicklung. Das heißt, eine sofortige Verrechnung der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist nur bei Vorlage aller Dokumente möglich.

Einkommensteuer/Lohnsteuer

Der Einkommensteuersatz beträgt 18 %, eine Steuerprogression existiert nicht.
Dividenden an in der Ukraine steuerlich ansässige Privatpersonen sind mit nur 5 % Einkommensteuer zu versteuern (Ausnahme: Bei gewinnsteuerbefreiten landwirtschaftlichen Betrieben sind 9 % Einkommensteuer auf Dividenden abzuführen).
Zusätzlich zur Einkommensteuer ist eine Militärsonderabgabe i.H.v. 1,5 % auf Einkünfte von Privatpersonen abzuführen. Dies gilt nicht nur für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern betrifft alle Einkünfte von Privatpersonen, das heißt auch Dividenden und Zinseinkünfte.
Bei der Lohnsteuer ist der Steuerschuldner das Unternehmen, das heißt das Unternehmen muss die Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Die Steuer ist an dem Tag zu entrichten, an dem das Gehalt überwiesen beziehungsweise von der Bank für eine mögliche bare Lohnzahlung abgehoben wird. Falls das Gehalt nicht ausgezahlt wird, ist das Unternehmen dennoch verpflichtet, die Einkommensteuer nicht später als bis zum 20. des Folgemonats abzuführen.
Ausländische Staatsbürger sind per Gesetz dann Steuerresidenten, wenn diese entweder ihren ständigen Wohnsitz, oder ihren persönlichen und ökonomischen Lebensmittelpunkt, oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (> 182 Tage) in der Ukraine haben.
Auf Grund des deutsch-ukrainischen Doppelbesteuerungsabkommens (klassisches OECD-Musterabkommen) ist bei Wohnsitzen in Deutschland und der Ukraine bei einem Aufenthalt von bis zu 182 Tagen in der Ukraine keine ukrainische Einkommensteuer abzuführen, wenn ein Anstellungsverhältnis in Deutschland besteht. Selbst bei einem längeren Aufenthalt von über 182 Tagen in der Ukraine ist auch dann keine Einkommensteuer in der Ukraine abzuführen, wenn der Lebensmittelpunkt - z.B. durch Verbleib der Familie in Deutschland – in Deutschland verbleibt.
Autor
Dipl. Kfm. Thomas Otten
Otten Consulting LLC 
Saksahanskoho Street 120,
01032 Kyiv / Ukraine
Telefon: +380 / 44 / 492 77 08
Telefax: +380 / 44 / 492 77 09
E-Mail: th.otten@otten-consulting.de


Kontakt bei der IHK Düsseldorf 
Robert Butschen
Telefon: +49 211 3557-217
Kontakt per E-Mail
 
Hinweis: Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer Kammer – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand/Letzte Aktualisierung: 22. Februar 2024