Die Viertagewoche auf dem Prüfstand

Kontra Viertagewoche: Maja Voss

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anzubieten, vier anstatt fünf Tage in der Woche zu arbeiten: Wo liegen die Vorteile? Welche Nachteile wären damit verbunden? Mit Justin Kassel, CEO der Werhausen & Kassel GmbH, und Maja Voss, Geschäftsführerin der Tintometer GmbH in Dortmund, tauschen ein Unternehmer und eine Unternehmerin der Region ihre Standpunkte aus.
Hier das Kontra von Maja Voss:
Wasser ist das wichtigste Element der Erde – und unsere Leidenschaft. Hauptsitz der Tintometer Gruppe ist in Dortmund, und mit weiteren zehn Standorten weltweit forschen, entwickeln, produzieren und implementieren wir zukunftsorientierte Analyselösungen für Labor, Prozess und Hilfsorganisationen aus einer Hand unter unserem Markennamen Lovibond. Unsere Stärken sind kurze Wege, ein hohes Maß an Flexibilität und höchstes Qualitätsniveau.
Negative Auswirkungen einer Viertagewoche liegen bei uns sowohl intern als auch extern auf der Hand: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden bei einer gleichbleibenden 40-Stunden-Woche einer höheren Belastung unterliegen, und die Konzentration würde zum Ende des Arbeitstags definitiv sinken. Dies wiederum würde die Produktivität bremsen. Mit An- und Abfahrt wäre die verbleibende Zeit des Tages um weitere zwei Stunden verkürzt und somit auch die Zeit für Familie und Freizeit sowie einer sinkenden Flexibilität für private Angelegenheiten an diesen vier Tagen. Außerdem könnten die zusätzlichen freien Tage zu einer Verschlechterung der Arbeitsmoral und einem Verlust von Arbeitsdisziplin führen.
Ferner würde die soziale Interaktion untereinander leiden – sowohl am Standort als auch mit den Standorten weltweit. Durch die großen Zeitunterschiede sind die gemeinsamen Stunden zwischen den Standorten ohnehin sehr limitiert und würden bei einer Viertagewoche einen wesentlich höheren Planungsaufwand mit sich bringen. Für unsere internationalen Kunden, von denen bei einigen sogar eine Sechs- oder Siebentagewoche üblich ist, wäre ein Wegfall zum Beispiel des Freitags undenkbar. Und: Eine Umweltkatastrophe nimmt schließlich auch keine Rücksicht auf die Arbeitstage.
Potenzielle Kundengespräche, unsere Service- und Qualitätsabteilung können beim Wegfall eines Arbeitstags weniger flexibel gestaltet werden. Zudem können wir unter keinen Umständen einen Kunden – darunter beispielsweise Wasserwerke – bei einem Notfall auf die nächste Woche vertrösten.
Eine Viertagewoche könnte die Effizienz der Produktion beeinträchtigen und die Flexibilität des Unternehmens bei der Erfüllung von Kundenanforderungen einschränken. In einem globalen Markt, der rund um die Uhr aktiv ist, wird eine verkürzte Arbeitswoche wahrscheinlich zu Verzögerungen in der Lieferkette führen und die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens auf unvorhergesehene Ereignisse oder Nachfrageschwankungen beeinträchtigen – oder vertraglich definierte Lieferzeiten beeinflussen, die Konventionalstrafen mit sich ziehen.
Bei dem Wegfall eines Arbeitstags einfach mehr Personal einzustellen, gestaltet sich angesichts des aktuellen Fachkräftemangels und auch des Bürgergelds, aufgrund dessen für viele der Anreiz, überhaupt zu arbeiten, deutlich gesunken ist, als äußerst schwierig. Neues Personal erzeugt zudem auch Kosten – etwa für den Einstellungsprozess, die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie Ressourcenbindung für Einarbeitung. Bei der Debatte um eine Viertagewoche ist unbedingt zwischen Beratungsunternehmen und weltweit agierenden Produktionsunternehmen zu unterscheiden. Bei dieser Diskussion bestimmt klar die Branche das System. Unsere Unternehmensstruktur zeichnet sich durch flexible Arbeitsstunden mit Kernarbeitszeiten aus, sodass die Vereinbarkeit mit Familie und Beruf gewährleistet ist.
Maja Voss