Das Thema Reisen ist ideal für Social Media

Übertourismus“, hohe Preise, globale Krisen: Daniel Krahn von der Urlaubsguru GmbH nimmt Stellung zu den großen Herausforderungen der Branche. Zugleich beschreibt er, wie das einstige Start-up wächst – und „erwachsen“ wird.
DAS INTERVIEW FÜHRTE DANIEL BOSS

Herr Krahn, beim „Urlaubsguru“ hat sich in letzter Zeit so einiges getan – wofür steht Ihr Unternehmen inzwischen?
Richtig, es ist einiges passiert. So haben wir im vergangenen Jahr die schon lange existierende Plattform 5vorFlug im Rahmen der Insolvenz des Reiseveranstalters FTI erworben. Damit bieten wir ein Produktportfolio an, das sich – wie der Name sagt – an Last-minuteBucher richtet. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Personen, die nicht an die Ferienzeiten gebunden sind. Demgegenüber sind es bei Urlaubgsguru häufig Familien, die „mit uns“ in den Urlaub fahren. Diese Funktion als „Online Travel Agency“, kurz OTA, ist nach wie vor unser Schwerpunkt-Business. Zusätzlich haben wir in diesem Jahr die Urlaubsguru Touristik gegründet und sind somit auch als Reiseveranstalter aktiv. Wenn man so will, werden wir als Reise-Start-up langsam, aber sicher erwachsen.
In den ersten Jahren nach der Gründung war Urlaubsguru vor allem als Plattform für Schnäppchenjäger bekannt …
Von der Verlinkung zu sogenannten Schaufenster-Angeboten sind wir komplett weg. Unsere Erfahrung ist, dass es die Leute eher frustriert, wenn sie merken, dass die beworbenen Superkonditionen zu ihrer Reiseplanung leider nicht passen – und es entsprechend teurer würde. Wir sehen uns eher in der Entwicklung hin zu einer Lifestyle-Travel-Marke. Natürlich kann man über uns weiterhin auch Einsternhotels buchen, unser Fokus liegt aber auf hochwertigen Häusern und Angeboten. Die Nachfrage danach ist sehr, sehr hoch.
Wie erklären Sie sich das angesichts der kriselnden Wirtschaft und einer besorgten Grundstimmung?
Natürlich spüren wir, so wie die gesamte Branche, eine allgemeine Zurückhaltung. Aber wenn sich unsere Kunden einen Urlaub gönnen, dann sind sie auch bereit, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wir sprechen nicht unbedingt von Luxusreisen, aber von sehr hoher Qualität.
Wie gehen Sie mit dem Problem des „Overtourism“ um, der viele klassische Urlaubsziele schon zum Umdenken zwingt?
Dieses Problem besteht zweifellos. Es spielt für uns allerdings keine große Rolle. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Menschen für Reisen zu inspirieren. Und da bewerben wir nicht etwa Amsterdam–das extrem von den negativen Tourismusfolgen betroffen ist –, sondern beispielsweise das wunderbare Utrecht. Mit einem anderen Land gesagt: Wo der Eiffelturm in Paris steht, müssen wir keinem mehr sagen. Aber wir können den Tipp geben, sich doch mal Montpellier anzuschauen, wo es traumhaft schön ist.
Wie stark ist denn die „inspirierende Kraft“ der Plattform?
Das lässt sich natürlich nur bedingt feststellen. Aber ich nenne mal ein besonders spektakuläres Beispiel: Wissen Sie, was ein „Schwanzflug“ ist?
Nein.
Das ist eine Möglichkeit, das eigentliche Reiseziel durch Umsteigen billiger zu erreichen. Einer unserer Redakteure hatte vor einigen Jahren herausgefunden, dass man von Düsseldorf nach New York und zurück nur etwa die Hälfte zahlt, wenn man Zwischenstation in Oslo macht. Er stellte diese Info ins Netz und machte sich kurz darauf selbst auf den Weg. Im Flugzeug in Oslo saßen fast nur Deutsche, die seinen Beitrag gelesen hatten. Man sieht: Gute Tipps an der richtigen Stelle wirken.
Die sozialen Medien sind also fester Bestandteil Ihres Erfolgsrezepts?
Auf jeden Fall. Wir sind sehr stark socialmedia-getrieben. Auf TikTok haben wir rund 400.000 Follower, auf Instagram sind es etwa 600.000. Und bei Facebook zählen wir mehr als eine Million Fans. Diese Plattform, die schon mehrfach totgesagt wurde, ist quicklebendig und für uns extrem wichtig. Die Themen Reisen und Urlaub sind ideal für diese Kanäle – und umgekehrt. Tipps, Angebote und Botschaften lassen sich perfekt zu den Zielgruppen transportieren.
Woher kommen die erforderlichen Inhalte?
Wir arbeiten kaum mit Agenturen oder Freelancern zusammen, sondern setzen auf unser eigenes Marketingteam, das sehr viel unterwegs ist. Bei uns arbeiten ausschließlich Menschen, deren große Leidenschaft das Reisen ist. Und das merkt man den Posts, Berichten und Bildern auch an.
Setzen Sie dabei auch künstliche Intelligenz ein?
Ja, aber aktuell vor allem für interne Prozesse. Allerdings haben wir auch einen Chatbot auf unserer Plattform und verwenden KI zudem als Hilfsmittel bei der Erstellung von Texten, die veröffentlicht werden. Es ist der schiere Wahnsinn, wie schnell die Entwicklung auf diesem Gebiet vonstattengeht. Wir sehen für uns und die Branche insgesamt ein riesiges Potenzial.
Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen für die Reisewirtschaft?
An erster Stelle ist sicherlich die Preisentwicklung zu nennen. Es gibt immer mehr Familien, die nicht mehr für einen 14-Tage-Urlaub in den Flieger steigen können, was früher für viele selbstverständlich war. Daran können wir als Unternehmen leider nichts ändern, die Preise machen die Hotels und die Airlines. Eine weitere Herausforderungen sind die politischen Entwicklungen und Krisen rund um den Globus. Die Leute scheuen bestimmte Regionen.
Meinen Sie damit auch das grundsätzlich beliebte Reiseland USA?
Na klar. Es ist ja allgemein bekannt, dass viele Europäer aufgrund der politischen Lage derzeit keine Lust haben, in die USA zu reisen. Davon profitieren wiederum andere Länder. So ist Kanada der große Gewinner des aktuellen Images der USA. Kanada liegt in ähnlicher Entfernung und bietet zum Teil sehr ähnliche Landschaften wie der südliche Nachbar.