„Wir bieten Start-ups mehr als nur Geld“

Mit VORNvc haben fünf Sparkassen aus der Region ihren eigenen Venture-Capital-Arm mit Sitz in Dortmund gegründet. Seit dem 1. Juli investiert der Fonds in technologieorientierte Start-ups mit Kapital, Netzwerk und Know-how.
Doch zieht es Gründer nicht eher nach Berlin? Und sind weiße Sneaker Grundvoraussetzung, um mit Start-ups ins Geschäft zu kommen? Ein Gespräch mit VORNvc-Geschäftsführer Nico Hemmann und Torsten Cremer, Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse Hamm und Vizepräsident der IHK zu Dortmund.
Laut dem Bundesverband Deutsche Startups e. V. ist die Zahl der Gründungen in Deutschland stark gestiegen. Im ersten Halbjahr 2025 gab es 1.500 – ein Zuwachs von neun Prozent im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2024. Zudem hat München Berlin als Start-up-Hochburg überholt. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Entwicklungen der Szene im Ruhrgebiet und besonders im IHK-Kammerbezirk ein?
Torsten Cremer: Sowohl NRW als auch das Ruhrgebiet müssen sich definitiv nicht verstecken. Im Gegenteil: Hier in der Region nehmen die Gründungen zu. Das liegt unter anderem daran, dass wir mit den Absolventen der TU und der FH Dortmund, der ISM, der Hochschule Hamm-Lippstadt sowie der SRH einen Pool erstklassig ausgebildeter Akademiker haben. Das sind in der Regel die Köpfe hinter neuen Start-ups. Außerdem sehen wir regelmäßig Gründer mit nichtakademischem Hintergrund. Beispielsweise im Handwerk, was uns mindestens genauso freut.
Welche Gründe gibt es für diese positive Entwicklung?
Nico Hemmann: Zu den Treibern zählen unter anderem übergeordnete Themen wie die Digitale Transformation, GreenTech und KI. Nach rund 15 Jahren Berufserfahrung in diesem Bereich stelle ich außerdem fest, dass die Szene insgesamt „erwachsener” geworden ist. Konkret bedeutet das: bessere Angebote für Start-ups, vor allem auch in den Bereichen Begleitung und Vernetzung, mehr verfügbares Kapital sowie eine größere Offenheit gegenüber Gründern, insbesondere vonseiten des Mittelstands.
Kommen wir zu VORNvc: Was ist das?
Cremer: VORNvc ist zum einen ein Venture-Capital-Geber. In der Gesellschaft bündeln die Sparkasse Dortmund, die Sparkasse Hamm, die Sparkasse an Volme und Ruhr, die Sparkasse an der Lippe sowie die Sparkasse UnnaKamen ihre entsprechenden Beteiligungsaktivitäten. Ebenfalls mit an Bord ist die landeseigene NRW.Bank. Darüber hinaus haben Unternehmen sowie Unternehmerinnen und Unternehmer in den Fonds investiert. Bereits zum Start verfügen wir über ein Kapital von mehr als 32 Millionen Euro und investieren bis zu fünf Millionen Euro in ein Start-up. Das sind durchaus relevante Summen. Zusätzlich verstehen wir VORNvc als Vernetzungs-Plattform, über die wir Unternehmen und die Region insgesamt stärken wollen.
Wie sieht diese Vernetzung aus?
Hemmann: Wir bringen Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen und Visionen zusammen. Ein Beispiel: Über das Privatkundengeschäft einer Sparkasse haben wir erfahren, dass ein Unternehmer nach dem Verkauf seines eigenen Start-ups selbst als Investor in junge, aufstrebende Unternehmen agiert. Durch die Zusammenführung mit VORNvc konnten wir ihn zum einen als Fondsinvestor gewinnen – und ihm zugleich die Möglichkeit bieten, sein Portfolio gezielt zu erweitern. Zum anderen teilen wir mit ihm Informationen zu Investmentgelegenheiten, die ihn interessieren könnten. Hier kommt eine dritte Funktion von VORNvc ins Spiel – die der Innovationsplattform.
Inwiefern Innovationsplattform?
Cremer: Wenn Mittelständler in Startups investieren, die an einer für das eigene Geschäft relevanten Innovation arbeiten, hat das natürlich den Charme, dass sie diese womöglich schon sehr frühzeitig nutzen beziehungsweise mitnutzen können.
Gibt es konkrete Beispiele?
Hemmann: Auf jeden Fall. Nehmen wir das Unternehmen Sionic Smart Glass. Hier waren wir von Anfang an dabei. Das Start-up mit Sitz im TechnologieZentrumDortmund entwickelt, produziert und vermarktet mikrooptische, elektrochrome Folien für schaltbare Fenster. Mithilfe dieser Smart-Glass-Technologie kann die Transparenz von Glasflächen dynamisch gesteuert werden, wodurch einfallendes Licht und Wärme effizient reguliert werden. Das wiederum senkt den Energieverbrauch von Gebäuden deutlich. Zukünftig werden die Folien zudem Strom produzieren können. Im Vergleich zu herkömmlichen Raffstores sind sie zudem deutlich kostengünstiger und lassen sich nahtlos in bestehende Fassaden integrieren. Das interessiert natürlich Bauträger und -unternehmen aus unserem Kundenkreis sowie uns als Sparkassen selbst. Schließlich besitzen wir einen großen Immobilienbestand mit den entsprechenden Glasflächen.
Sie kommen beide aus der „Sparkassen-Welt“. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit jungen Gründern vor diesem Hintergrund?
Cremer: Was wir mit Start-ups erleben, entspricht in der Regel nicht dem „Bank-Standard“, sondern ist immer wieder etwas völlig Neues. Allein diese Abwechslung macht wirklich Spaß. Immer wieder beeindruckend sind auch die Begeisterung und das Engagement, mit denen die Gründer bei der Sache sind. Entgegen aller Klischees ist es ihnen allerdings nicht besonders wichtig, dass wir in weißen Sneakern zu Terminen erscheinen. Entscheidender ist, dass wir gute Angebote machen, ein starkes Netzwerk bieten und fit in den relevanten Themen sind.
Stichwort „innoclub“: Das Netzwerk aus Unternehmen, Mentoren und institutionellen Partnern wurde ins Leben gerufen, um Innovationen und Unternehmertum zu stärken und die Transformation der Wirtschaft mitzugestalten. Auch VORNvc ist Mitglied. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Hemmann: Der innoclub hat sich für uns zu einem sehr guten und wichtigen Netzwerk entwickelt. Hier kommen etablierte Unternehmen und exzellente Start-ups zusammen, um sich gegenseitig zu inspirieren und Erfahrungen, Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen miteinander zu teilen. Sie alle eint, dass sie etwas für die Region tun möchten. Das entspricht einerseits den Zielen von VORNvc und andererseits genau dem „Sparkasse-Spirit“, den wir in uns tragen. Getreu dem Motto „Wir sind da, wo du bist. Wir sind verlässlich und lokal verankert“. Als VORNvc-Geschäftsführer habe ich natürlich immer die Herausforderung, mit gleich fünf „Sparkassen-Flaggen“ im Gepäck aufzuschlagen“ (lacht).

Das Interview führten Tobias Böcker und Gero Brandenburg