Wenke Vökmann-Gröne

Chefin im Revier

Geschäftsführerin in einer Branche, in der meist Männer arbeiten: Dass das funktioniert, stellt Wenke Völkmann-Gröne seit rund 25 Jahren unter Beweis. Einfach war es nicht. „Und zu tun“, sagt sie, „gibt’s noch eine Menge. Bis das Thema Mann oder Frau keine Rolle mehr spielt.“
VON MARIO OLESCHKO
D er Ort hat Geschichte – und er strahlt sie auch aus. Hinter den in die Jahre gekommenen Hallen aus Backstein von anno dazumal reihen sich neuere Lager- und Werkhallen. Quer über den Hof, genau gegenüber der alten Torbogen-Einfahrt, steht wie eine Art Denkmal eine dieser wuchtigen Seilscheiben, wie sie im Ruhrgebiet oft zu sehen sind. Denn das hier ist das Gelände der ehemaligen Zeche Westhausen, mitten im Revier. Gleich um die Ecke gibt’s eine kleine Straße namens Völkmannsweg: Ein Beleg dafür, dass auch die Geschichte der Familie Völkmann eng mit diesem Ort verbunden ist – damals wie heute.
„Schon mein Urgroßvater war der Huf- und Wagenschmied in Dortmund-Bodelschwingh“, sagt Wenke Völkmann-Gröne beim Spaziergang übers Gelände. An der Seite der 56-Jährigen tapst ungeduldig Cato: ein quirliger, erst fünf Monate alter Rüde, der auch den Besuchern neugierig um die Beine wuselt und sie sofort für sich einnimmt. „Mein Großvater Emil hat dann 1936 das Unternehmen gegründet.“ Damals war der junge Betrieb fast ausschließlich auf die Instandsetzung von Anlagenkomponenten für den Steinkohlenbergbau hin ausgerichtet.
Banklehre, Jurastudium – dann Maschinenbaubetrieb
Wo früher Kohle gefördert wurde, nimmt heute etwa ein Dutzend kleinerer Unternehmen das Gelände in Beschlag. Einige davon sind Partner der Maschinenfabrik Völkmann GmbH. Bis etwa Ende 2025 soll auf dem Campus in Kooperation mit der Stadt Dortmund und der Wirtschaftsförderung die Digitale Lernfabrik entstehen: Eine Art Bildungscampus, um jungen Leuten die Vielfalt der Ausbildungsangebote in der dualen Ausbildung näher zu bringen. Für Völkmann-Gröne ein Herzensprojekt.
Bundesweit rund 250 Kunden hat ihr Unternehmen und kümmert sich auch heute noch um Instandhaltung größerer Industrieteile und Antriebstechnik. „Wir stellen nicht selbst her, wir sind Dienstleister. Wir haben uns zu Problemlösern für unsere Kunden entwickelt.“ Dass sie selbst einmal die Geschichte des Familienbetriebs fortschreiben würde, hätte sie früher nie gedacht – und es war auch nicht so geplant. Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau studierte Völkmann-Gröne Jura und arbeitete nebenher in einer Bank, bis ihr Vater sie fragte, ob sie sich nicht mehr in dem Familienbetrieb einbringen wolle. „Ich habe ihm gesagt: Nur, wenn ich hier genauso viel verdiene wie bei der Bank“, erzählt die Geschäftsführerin im Rückblick lachend. Der Vater stimmte zu, „und ich merkte schnell, dass es mir auch Freude macht, im Unternehmen Entscheidungen zu treffen.“ Im Jahr 2000 stieg sie in die Geschäftsführung ein. Allerdings war das alles andere als einfach – in mehrfacher Hinsicht.
Wandel, um zu überleben
Da war zunächst die alte Führungskultur. Der Seniorchef pflegte einen autoritären Stil. Alles musste über seinen Tisch gehen. Tochter und Vater gerieten häufig aneinander, „bis ich nach etwa anderthalb Jahren genug davon hatte und aufhören wollte“. Es war die Belegschaft, die sie davon abhielt und bat, weiterzumachen. Denn das Unternehmen musste sich ändern, um zu überleben – der Kohleausstieg im Revier machte es notwendig. Umschulungen, Aufbau einer guten IT, Akquise von Neukunden: Die damals Anfang Dreißigjährige verkörperte diesen dringenden Neuanfang besser als ihr Vater.
Als Frau ein Unternehmen zu leiten, in dem fast nur Männer arbeiten, war eine Herausforderung ganz eigener Art. Es konnte auch schon einmal vorkommen, dass Mitarbeiter, denen eine Entscheidung der jungen Chefin nicht passte, zum Senior gingen. So lange, bis dieser sich schließlich hinter seine Tochter stellte und selbst erkannte, dass es eine neue Herangehensweise brauchte, um bestehen zu können. 2008 stieg er aus – und die Tochter führt seitdem das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Ehemann Wilhelm Gröne, einem Ingenieur.
Vorurteile – und wie man sie nutzt
Nicht alle Beschäftigten blieben. Von manchen musste man sich trennen, weil sie nicht mitziehen wollten. „Heute würde ich das noch rigoroser angehen als damals“, sagt die Unternehmerin. Doch auch die Kunden mussten sich seinerzeit erst einmal an die junge Frau Anfang Dreißig gewöhnen. Noch gut erinnert sie sich an einen Termin bei einem großen Industrieunternehmen. „Imposante Villa, holzvertäfelter Konferenzraum, und drinnen zehn Herren, alle 50 plus, die sich erst einmal amüsiert zurücklehnten, als ich in den Raum kam.“ Man könne das als Frau auch für sich nutzen, sagt sie lächelnd. „Wer sich gut vorbereitet, überrascht dann auch schnell.“ Vorurteile, nicht ernst genommen werden: Das habe sie oft erlebt. Eine Weile. Diese Zeiten sind vorbei.
Gilt das auch generell für Frauen in Führungspositionen? „Es ist besser geworden. Aber wir sind leider noch immer nicht da, wo wir sein sollten.“ Das heißt für Völkmann-Gröne: Menschen, die in jeder Hinsicht nach Qualifikation eingestellt werden und nicht nach Geschlecht – insbesondere in Führungsetagen. „Zum einen, weil der Mix jedem Unternehmen guttut. Und zum anderen, weil Frauen zu diesem gesellschaftlichen Wandel beitragen können, wenn sie in Positionen sind, in denen sie mitentscheiden können.“
Empowerment von Frauen: Keine Einbahnstraße
Wichtig ist ihr, zu betonen, dass dies keine Einbahnstraße sein könne. Empowerment von Frauen funktioniere nicht ohne Männer – weder gesellschaftlich noch auf privater Ebene. „Ohne meinen Mann als Co-Geschäftsführer, der mich von Anfang an unterstützt hat, wäre all das nicht gegangen.“ Zum anderen hebt sie hervor: „Wir brauchen Frauen, die sich auch wirklich engagieren wollen.“ Einen roten Teppich dürfe keine erwarten. Aber: Bessere frühkindliche Förderung vor allem in den MINT-Fächern sei unerlässlich, um stereotypen Jung-Mädchen-Vorurteilen rechtzeitig vorzubeugen.
Männer, sagt sie, netzwerken anders. Kumpelhaft, in lockeren Runden. Frauen, die versuchen, sich anzupassen und in solchen Männerrunden genauso verhalten, liefen Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Andererseits: Frauen, die nicht bereit seien, sich ein Stückweit darauf einzulassen, hätten es mit dem Anschluss schwerer. „Das ist ein Spagat. Frauen müssen immer ihre Position finden.“
Und was rät die Unternehmerin Frauen, die mit dem Gedanken spielen, zu gründen oder eine Nachfolge anzutreten? „Macht es! Und versucht gar nicht erst, von Anfang an alles durchzuplanen, denn das wird ohnehin nicht funktionieren. Sucht euch Unterstützung und Mentorinnen, vernetzt euch. Aber: Macht es!“
Aus: Ruhr Wirtschaft 02/2024