Wettbewerbsrecht

Bis in die ersten Jahre des neuen Jahrtausends hinein galt das deutsche Wettbewerbsrecht als eines der strengsten in Europa, wenn nicht gar weltweit. In der Folge mehrerer umfassender Liberalisierungen hat sich diese Ausgangslage bis heute deutlich verändert.
Stellen Gratis-Zugaben und Preisrabatte rechtlich noch ein Problem dar?
In aller Regel eindeutig „nein“. Auch wenn vor allem die bereits länger im Einzelhandel Tätigen sich sicher noch an das „alte“ Zugabeverbot und die „Dreiprozent-Rabattgrenze“ erinnern werden: Die Zugabeverordnung und das Rabattgesetz, die hier einmal einschlägig waren, sind im Jahr 2001 bereits als erste „Steine“ aus der bis dahin „harten Mauer“ des Wettbewerbsrechts in Deutschland herausgebrochen und ersatzlos gestrichen worden. Seither ist es weder ein Problem, beim Kauf eines Brots drei Brötchen gratis dazuzugeben, noch Preisrabatte weit über drei Prozent hinaus zu versprechen und zu gewähren.
Und wie sieht es mit Sonder(verkaufs)veranstaltungen im Einzelhandel aus?
Hier ist die Rechtslage heute sehr „entspannt“. Bis zur Mitte des Jahres 2004 waren Sonderveranstaltungen, also Verkaufsveranstaltungen außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs, im Grundsatz verboten. Dieses Sonderveranstaltungsverbot kannte lediglich wenige, ganz konkret formulierte, Ausnahmen, für deren Eingreifen wiederum jeweils detailliert geregelte Voraussetzungen vorliegen mussten. Die Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Jahr 2004 hat allerdings dafür gesorgt, dass von diesen Restriktionen so gut wie nichts übrig geblieben ist. Kurz gesagt: Das gerade skizzierte Regel-Ausnahme-Verhältnis wurde umgekehrt. Seither sind folglich Sonderveranstaltungen jeder Art grundsätzlich zulässig, solange sie nicht gegen andere Normen des UWG verstoßen. Dabei ist vor allem zu beachten, dass das Wettbewerbsrecht nach wie vor auf den beiden Prinzipien „Klarheit“ und „Wahrheit“ beruht. Das bedeutet, dass Angaben in der Werbung - und zwar aus der Perspektive eines objektiven Adressaten betrachtet - verständlich, transparent, vollständig und nachprüfbar zutreffend sein müssen.
#Umbr
Wann kann ich einen Jubiläumsverkauf durchführen?
Galt bis 2004 noch, dass nur alle 25 Jahre (!) das Bestehen eines Unternehmens mit einem Jubiläumsverkauf gefeiert werden durfte, könnte man meinen, heutzutage werde permanent gefeiert. Ob das unternehmerisch gewünscht oder werbestrategisch empfehlenswert ist, ist nicht von Juristen zu beurteilen – wettbewerbsrechtlich erlaubt jedenfalls ist es. Wer möchte, der darf also häufiger Jubiläum feiern. Bei „runden“, „halbrunden“ oder „Schnapszahl“-Geschäftsjubiläen ist dies seither auch gang und gäbe. Gleiches gilt etwa für „große“ Geburtstage des Firmeninhabers. Wie weit man beim konkreten Jubiläumsanlass gehen möchte, ist allein dem eigenen Geschmack überlassen. Der Werbetext „Die ersten 100 Tage sind geschafft, 50 Prozent auf alles“ wäre zulässig. Auch „Drei Wochen Dauerregen“ dürfen zum Anlass genommen werden, das gesamte Sortiment an Schirmen, Stiefeln und Regenbekleidung pauschal zu reduzieren. Wichtig ist: Nur wahr muss der Jubiläumsanlass sein. Das Unternehmen muss also beispielsweise tatsächlich „66 Jahre am Ort“ bestehen, wenn dies in der Jubiläumswerbung herausgestellt wird. Zudem sollte der Sonderverkauf einen möglichst nahen zeitlichen Bezug zum Jubiläumsdatum haben und nicht übermäßig ausgedehnt werden. Eine vierwöchige Aktionsdauer dürfte in der Regel unproblematisch sein. Ebenso zulässig ist es, wenn Filialen am Jubiläum des Hauptbetriebs teilnehmen („Wir feiern mit!“) oder ein Konzern die Eröffnung einer neuen Filiale feiert – und wenn es die 73. ist.
Welche „Spielregeln“ gelten (noch) für Räumungsverkäufe?
Untypischerweise steht das wichtigste Wort in der Frage innerhalb der Klammer! Denn die UWG-Neuregelung hat in erster Linie mit sich gebracht, dass die gerade bei Räumungsverkäufen zu beachtenden Einschränkungen fast vollständig entfallen sind. Das bedeutet, dass Räumungsverkäufe heute nicht mehr nur aus bestimmten, im Gesetz geregelten, Gründen durchgeführt werden dürfen. Auch zeitliche Befristungen für ihre Durchführung sind im UWG nicht mehr geregelt. Selbst der zuvor unzulässige „Filialräumungsverkauf“ stellt heute kein rechtliches Problem mehr da. Ebenso entfallen ist die Pflicht, einen Räumungsverkauf zuvor bei der IHK anzuzeigen und ein Warenverzeichnis einzureichen. Woran muss dann überhaupt noch gedacht werden? Nun, zunächst einmal daran, dass auch im Zusammenhang mit Räumungsverkäufen Werbemaßnahmen nicht irreführend sein dürfen. Die Werbeaussagen müssen also der Wahrheit entsprechen. Wird mit einem „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ geworben, muss grundsätzlich an dessen Ende auch die Schließung erfolgen.
Zwar gibt es das Fortsetzungsverbot im strengen Sinne heute nicht mehr. Jedoch besteht bei der Fortführung eines Geschäfts nach Ankündigung der Geschäftsaufgabe die Gefahr der Irreführung und eine solche ist wettbewerbsrechtlich auch heute noch eindeutig verboten. Wird etwa nur das Sortiment verkleinert, kann aber durchaus auch ein Sortiments- oder Abteilungsabverkauf erfolgen. Da es über die zeitliche Dauer der Räumungsverkäufe ebenfalls keine gesetzlichen Regelungen mehr gibt, erfolgt eine eventuelle Missbrauchskontrolle letztlich nur durch die Gerichte. Auf jeden Fall ist aber darauf zu achten, dass die Aktionsdauer in einem plausiblen Verhältnis zum Anlass steht. „Daueraktionen“ über etliche Monate überstrapazieren diese wettbewerbsrechtliche Freiheit.
#Umbr
Was ist aus den (Abschnitts-)Schlussverkäufen geworden?
Winter- und Sommerschlussverkäufe gibt es nach wie vor. Entfallen ist auch in diesem Bereich das strenge gesetzliche Reglement. Es findet heute also weder eine Festlegung auf diese beiden Schlussverkäufe statt, noch sind der zeitliche Beginn und die erlaubte Dauer der „Sales“ geregelt und auch die frühere Festlegung auf ein bestimmtes Sortiment, das als „schlussverkaufsfähig“ gilt, existiert nicht mehr. Nicht zuletzt aus der guten Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte und der festen Etablierung in der Erwartungshaltung der Kunden heraus hält der Handel aber wenn auch jetzt in freierem Rahmen nach wie vor an „WSV“ und „SSV“ gern weiter fest.
Und was passiert mir, wenn ich doch einmal etwas falsch mache?
Die möglichen Reaktionen auf wettbewerbsrechtlich unzulässige Handlungen reichen vom freundlichen Hinweis bis zur direkten Anrufung eines Gerichts. In der Praxis wird sehr oft zunächst eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ausgesprochen. Diese kann von einer Wettbewerbsschutzeinrichtung, aber auch von einem Mitbewerber/Konkurrenten herrühren. Darin wird der Adressat in der Regel aufgefordert, innerhalb kurzer Frist eine sogenannte „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ abzugeben. Er soll also – unjuristisch ausgedrückt – versprechen, den Fehler, auf den er aufmerksam gemacht wird, nicht ein zweites Mal zu begehen und zugleich die Ernsthaftigkeit dieses Versprechens dadurch untermauern, dass er für den Fall des Verstoßes dagegen die Zahlung eines nicht unbeträchtlichen Betrages – zumeist mehrere Tausend Euro – verspricht. Zusätzlich sind vom zu Recht Abgemahnten auch die durch die Abmahnung entstandenen Kosten zu übernehmen. Es versteht sich von selbst, dass die Berechtigung der Abmahnung in jeglicher Hinsicht vom Abgemahnten bzw. seinem Rechtsanwalt überprüft werden sollte. Ist der dargestellte Sachverhalt tatsächlich korrekt, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor, ist der Absender auch berechtigt, die Abmahnung auszusprechen und werden Kosten nur in angemessener Höhe geltend gemacht? Ergeben sich bei dieser Prüfung keine Zweifel, ist die Abgabe der Unterlassungserklärung nicht nur erforderlich, sondern selbst für den von ihr Betroffenen sinnvoll, wird dadurch doch die Gefahr des Erlasses einer einstweiligen Verfügung bzw. der Klageerhebung gebannt.