Arbeitsrecht
Im zweiten Teil unserer neuen Serie über die bei der IHK meistgestellten Rechtsfragen geht es diesmal um den wichtigen Bereich „Arbeitsrecht“. Auch wenn es hier insbesondere mit den Arbeitgeberverbänden sowie den Fachanwälten für Arbeitsrecht viele spezialisierte Ansprechpartner gibt, erreichen auch die IHK täglich Unternehmerfragen zu diesem Gebiet.
Ich möchte Arbeitnehmer einstellen. Was muss ich beachten?
Sind nur kurzzeitig auftretende „Arbeitsspitzen“ zu bewältigen, kann die Beauftragung von Dienstleistern oder der Einsatz von Leiharbeitnehmern eine gute Lösung sein. Hat Ihre Personalplanung aber ergeben, dass der Arbeitskräftebedarf längerfristig besteht, muss entschieden werden, ob eine Voll-, Teilzeitkraft oder nur eine Aushilfe benötigt wird. Bei der Arbeitnehmersuche hilft die örtliche Agentur für Arbeit oder auch (in der Regel gegen Provision) ein gewerblicher Arbeitsvermittler. Stellenangebote werden in Tageszeitungen, Fachzeitschriften und im Internet (Homepage oder Jobportale) veröffentlicht. Arbeitgeber präsentieren sich seit einigen Jahren verstärkt auch auf Job- bzw. Karrieremessen.
Denken Sie bei Stellenangeboten grundsätzlich an eine geschlechtsneutrale Formulierung sowie – wenn der Arbeitsplatz dafür geeignet ist – die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung. Rechnen Sie (auch) mit Online-Bewerbungen. Beim Führen von Vorstellungsgesprächen dürfen alle arbeitsplatzbezogenen Fragen gestellt werden. Solche Fragen muss der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten. Unzulässig sind dagegen etwa Fragen nach der Religions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit bzw. nach dem Bestehen einer Schwangerschaft. Bei diesen Fragen besteht für den Bewerber folglich auch keine Wahrheitspflicht. Verfügt der Betrieb über einen Betriebsrat, ist dieser vor einer Einstellung umfassend zu unterrichten und seine Zustimmung einzuholen. Auch wenn nur befristete Arbeitsverträge zwingend schriftlich geschlossen werden müssen, da anderenfalls die Befristungsabrede unwirksam ist, ist die Schriftform generell zu empfehlen.
Als Mindestinhalt sollte ein Arbeitsvertrag die folgenden Aspekte regeln:
› Name und Anschrift der Vertragsparteien (Arbeitgeber/Arbeitnehmer)
› Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (Probezeit maximal sechs Monate!)
› Dauer des Arbeitsverhältnisses (bei Befristung) und ggf. Sachgrund der Befristung
› Bezeichnung und/oder Beschreibung der Tätigkeit und Arbeitsort
› Regelung des Arbeitsentgelts (Achtung! Seit dem 1.1.2015 gilt der Mindestlohn.)
› Regelung der Arbeitszeit
› Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (gesetzlicher Mindesturlaub: vier Wochen)
› Kündigungsfristen (ggf. Verweis auf generelle Regelungen bzw. § 622 BGB)
› Hinweis auf geltende Tarifverträge, Betriebs- und/oder Dienstvereinbarungen.
Vom neuen Arbeitnehmer benötigt der Arbeitgeber den Sozialversicherungsausweis (Kopie anfertigen!), ggf. ausländerrechtliche Erlaubnisse sowie eine Urlaubsbescheinigung des früheren Arbeitgebers. Ferner muss er wissen, in welcher Krankenkasse der Arbeitnehmer versichert ist. Statt der früher verwendeten Lohnsteuerkarte reicht zur Teilnahme am ELStAM-Verfahren (= Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale) seit 2013 das Geburtsdatum und die steuerliche Identifikationsnummer des Arbeitnehmers aus sowie die Auskunft, ob es sich um das Haupt- oder ein Nebenarbeitsverhältnis handelt. Binnen zwei Wochen ist die Anmeldung des Arbeitnehmers bei der Krankenkasse vorzunehmen. Die Meldung an die Berufsgenossenschaft erfolgt einmal jährlich. Beantragen Sie bei der ersten Einstellung eines Arbeitnehmers bitte auch eine Betriebsnummer bei der Agentur für Arbeit. Unter dieser Betriebsnummer sind die Beiträge zur Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung an die Krankenkasse abzuführen, bei der der Arbeitnehmer versichert ist.
Ich habe Schwierigkeiten mit einem Mitarbeiter. Was kann ich tun?
Zuallererst: Widerstehen Sie jeder Verlockung zu „Schnellschüssen“! Denn arbeitsrechtlich werden Sie in der Regel zumindest teuer bezahlen, was Sie in erster emotionaler Aufwallung veranlasst haben. Da Arbeitsrecht in weiten Bereichen Arbeitnehmerschutzrecht ist, müssen Sie Ihr Vorgehen sehr sachlich erwägen.
Orientieren Sie sich dabei stets an der objektiven Schwere der Störung des individuellen Arbeitsverhältnisses. Kleinere Irritationen lassen sich durch ein klärendes Mitarbeitergespräch ausräumen. Leichte Verfehlungen sollten durch eine – auch nur formlose – Ermahnung gerügt werden. Ist dies nicht (mehr) ausreichend, kommt eine förmliche Abmahnung des Mitarbeiters in Betracht. Mit diesem Sanktionsmittel rügt der Arbeitgeber ausdrücklich arbeitsvertragswidriges Verhalten (konkrete Schilderung!), erinnert den Arbeitnehmer an die künftige Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten und droht ihm weitere Konsequenzen – insbesondere die (verhaltensbedingte) Kündigung – für den Fall an, dass keine Besserung eintritt. Grundsätzlich erst als „ultima ratio“ – also als letztes Mittel – und zumeist erst nach einer oder sogar, je nach Schwere der Vorfälle, mehreren Abmahnungen darf eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden.
Ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unausweichlich, genügt bei Kleinbetrieben (zehn Arbeitnehmer oder weniger) eine schriftliche Kündigungserklärung, bei deren Zugang die Kündigungsfrist (siehe § 622 BGB) gewahrt und der Arbeitnehmer aufgefordert wird, sich unverzüglich nach Erhalt arbeitssuchend zu melden. Eine ausführliche schriftliche Begründung ist hier nicht erforderlich. Hat der Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer, sind ergänzend die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zu beachten. Nach diesem ist eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Gründe oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die konkreten Umstände, die zur personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung veranlassen, sind in diesem Fall dezidiert darzulegen und ggf. auch zu beweisen. Bei der betriebsbedingten Kündigung ist zudem auch noch eine sogenannte „Sozialauswahl“ durchzuführen.
Spätestens hier ist eine qualifizierte Beratung und Begleitung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wohl unerlässlich. Noch höher sind die Hürden bei einer außerordentlichen („fristlosen“) Kündigung: Hier müssen Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu einer eventuellen Vertragsbeendigung unzumutbar machen.
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses durch den Arbeitgeber, § 630 BGB. Dabei darf der Arbeitnehmer zwischen einem einfachen und einem qualifizierten wählen. Letzteres enthält zusätzlich zu den Angaben eines einfachen Zeugnisses (Art und Dauer der Tätigkeit) auch noch bewertende Ausführungen über die Leistung und die Führung des Arbeitnehmers. Jedes Arbeitszeugnis muss sowohl wahrheitsgemäß als auch wohlwollend abgefasst werden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen schlechten Arbeitnehmer besser zu beurteilen, als er tatsächlich war. Gegen unwahre und/oder nicht wohlwollende Zeugnisse kann sich der Empfänger jedoch mit einem Berichtigungsanspruch wenden.
Zeugnisse werden zumeist wie folgt aufgebaut:
› Überschrift: (Arbeits-)Zeugnis, Zwischen-, Ausbildungs-, Praktikantenzeugnis
› Eingangsformel: Personalien, Dauer des Arbeitsverhältnisses
› Aufgabenbeschreibung: Tätigkeit, Hierarchie, Kompetenzen, Verantwortung
› Leistungsbeurteilung: Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitsweise, Arbeitserfolg, Führungsleistung (bei Vorgesetzten)
› Verhaltensbeurteilung: Verhalten zu Vorgesetzten, Kollegen und Dritten
› Schlussabsatz: Dankes-/Bedauernsformel, Zukunftswünsche, Ausstellungsort und Ausstellungsdatum, Unterschrift
Das Zeugnis wird auf Geschäftspapier erteilt. Dabei bleibt das Anschriftenfeld frei. Handschriftliche Zusätze, Streichungen, Verunreinigungen, Knicke usw. sind zu vermeiden. Der Arbeitgeber, mindestens aber ein Vorgesetzter, unterzeichnet das Zeugnis eigenhändig.
(aus: Ruhr Wirtschaft, Das regionale Unternehmermagazin, Februar 2015)