Recht und Steuern

Hinweisgeberschutzgesetz - Handlungsbedarf für Unternehmen

Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen für Unternehmen ab 50 Mitarbeiter
Am 11. Mai 2023 stimmte der Bundestag dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) zu und erließ einen Gesetzesbeschluss, welcher am 12. Mai 2023 die Zustimmung des Bundesrates erhielt. Das Gesetz wurde am 02.06.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist einen Monat nach Gesetzesverkündung, mithin am 02.07.2023 in Kraft getreten.
Das Hinweisgeberschutzgesetz zur Umsetzung der EU-Whistleblowing Richtlinie („Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“) umfasst 42 Paragrafen und dient dazu, mit Hilfe von hinweisgebenden Personen, sog. Whistleblowern, Rechtsverstöße und Missstände besser aufzudecken und gleichzeitig deren Schutz vor Konsequenzen/Repressalien sicherzustellen. Besondere Bedeutung erlangt dabei der § 12 des HinSchG, welcher eine Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldestellen für Unternehmen ab 50 Beschäftigten vorsieht.

Wer ist betroffen?

Von den Regelungen des neuen Gesetzes sind alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden betroffen. Betroffene Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten müssen bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes die Vorgaben umsetzen. Kleineren und mittelständischen Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Personen beschäftigen, wird eine verlängerte „Schonfrist“ bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt.
Unabhängig von der Beschäftigtenzahl sind außerdem betroffen:
  • Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 10 des Wertpapierhandelsgesetzes,
  • Datenbereitstellungsdienste im Sinne des § 2 Abs. 40 des Wertpapierhandelsgesetzes,
  • Börsenträger im Sinne des Börsengesetzes,
  • Institute im Sinne des § 1 Abs. 1 b des Kreditwesengesetzes und Institute im Sinne des § 2 Abs. 1 des Wertpapierinstitutgesetzes,
  • Gegenparteien im Sinne des Artikel 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments,
  • Kapitalverwaltungsgesellschaften gem. § 17 Abs. 1 des Kapitalanlagengesetzbuches sowie
  • Unternehmen gem. § 1 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes mit Ausnahme der nach den §§ 61 bis 66a des Versicherungsaufsichtsgesetzes tätigen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens
Insoweit sind alle natürlichen oder juristischen Personen und rechtsfähige Personengesellschaften, die mindestens eine Person beschäftigen als Beschäftigungsgeber anzusehen.

Woraus können „Informationen“ gewonnen werden und welche Anforderungen bestehen?

Sowohl Informationen, welche z. B. in einem Bewerbungsverfahren gewonnen, als auch solche, die nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erlangt werden, sind vom HinSchG erfasst. Dabei setzen „Informationen“ wenigstens begründete Verdachtsmomente oder das Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden sowie über Versuche zur Verschleierung solcher Verstöße voraus.
In Anbetracht der oftmals irreversiblen Auswirkungen auf den Ruf eines betroffenen Kollegen oder Unternehmens sind hohe Anforderungen an das Merkmal der „Information“ zu knüpfen. Insofern müssen zur Bejahung eines Verdachtsmoments ausreichende Indizien bzw. ein hinreichender Grund zu der Annahme, eine Information entspreche der Wahrheit, vorliegen. Die Information muss dennoch nicht obligatorisch der Wahrheit entsprechen, da der Hinweisgeber einen gewissen Irrtumsschutz nach § 33 I Nr. 2 HinSchG genießt. Der Schutz besteht jedoch nur insoweit, als die Information vom Hinweisgeber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig gemeldet worden ist, sollte dies der Fall sein, so ist der Hinweisgeber gem. § 38 HinSchG zum Ersatz des aus dieser unrichtigen Meldung entstandenen Schadens verpflichtet.
Die Informationen müssen zudem einen Bezug zur beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit aufweisen, § 3 II HinSchG. Die Meldung rein privater Verfehlungen fällt nicht unter den Anwendungsbereich.

Um welche Verstöße geht es?

Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes ist sehr weit gefasst und geht dadurch, dass er neben Verstößen gegen das geltende europäische Recht auch Verstöße gegen das nationale Recht umfasst, über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie hinaus. Umfasst sind neben Verstößen gegen Strafvorschriften auch Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit sie dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen (z.B. Vorschriften aus den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes).
Mit dieser Ausweitung will der Gesetzgeber Klarheit schaffen und vermeiden, dass die Beschränkung auf Verstöße ausschließlich gegen EU-Recht dazu führt, dass hinweisgebende Personen aus Unsicherheit in Bezug auf den rechtlichen Anwendungsbereich von der Abgabe ihrer Meldung Abstand nehmen.

Wer sind „Hinweisgebende Personen“?

In den persönlichen Anwendungsbereich fallen zunächst alle „hinweisgebenden Personen“. Darunter sind natürliche Personen zu verstehen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an Meldestellen nach dem HinSchG melden oder offenlegen, § 1 I HinSchG. Hauptsächlich betroffen sind private Beschäftigte und solche im öffentlichen Dienst. Als „Beschäftigte“ zu qualifizieren sind dabei unter anderem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, Beamtinnen und Beamte sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

Wozu sind Unternehmen verpflichtet?

Eine Verpflichtung die internen Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglicht, besteht nicht (§ 16 I HinSchG). Indes sollen anonyme Meldungen ebenfalls bearbeitet werden. Demgegenüber sind Hinweisgeber nicht normativ dazu gehalten, ihre Informationen primär an interne Meldestellen anzuzeigen und haben insoweit ein Wahlrecht, ob externe oder interne Meldestellen bevorzugt werden. Folglich kann die Einrichtung interner anonymer Meldestellen für die Ausübung des Wahlrechts im Einzelfall entscheidend und förderlich sein.
Die interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem eine bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit beschäftigte Person, eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut wird, § 14 I HinSchG. Mithin ist es auch möglich, die Einrichtung der Meldestelle auszulagern, so z. B. an externe Anwälte als Ombudspersonen. Allerdings entbindet die Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle den Beschäftigungsgeber nicht von der Pflicht, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Verstoß abzustellen, § 14 I S. 2 HinSchG.
In Frage kämen z. B. webbasierte Systeme oder die telefonische Entgegennahme von Meldungen.
Aber beachte: Interne Meldekanäle müssen zwingend Meldungen entweder in mündlicher oder in Textform ermöglichen, § 16 III HinSchG.
Dabei müssen mündliche Meldungen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

Was heißt das konkret? – Empfehlungen und wichtige Hinweise

Vor Einrichtung der Meldestelle sollten Beschäftigten über den Grund und die Existenz der Meldestelle informiert werden.
Sofern eine Meldung eingeht, ist diese zu dokumentieren (§ 11 HinSchG) und der Eingang ist dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen zu bestätigen (§ 17 I Nr. 1 HinSchG).
Nachfolgend prüft die Meldestelle unter anderem, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt, prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung und ersucht erforderlichenfalls die hinweisgebende Person um weitere Informationen (§ 17 HinSchG). Gegebenenfalls sind einzelfallabhängig auch eigene interne Untersuchungen durch Sie vorzunehmen (§ 18 HinSchG).
Spätestens drei Monate nach Eingang der Meldung muss der hinweisgebenden Person eine Rückmeldung über geplante oder bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese mitgeteilt werden. Eine Rückmeldung kann jedoch gegebenenfalls unterbleiben, wenn die Durchführung von Maßnahmen oder die internen Nachforschungen durch eine solche Rückmeldung gefährdet wären.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass datenschutzrechtliche Regelungen jederzeit zu wahren sind und die Dokumentation drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen ist (Löschfrist aus § 11 V HinSchG). Die Dokumentation kann länger aufbewahrt werden, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist.
Zudem besteht ein Repressalienverbot aus § 36 HinSchG. Dieses besagt, dass gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien verboten sind. Dies gilt auch für die Androhung und den Versuch, Repressalien auszuüben. Als Repressalien gelten dabei alle Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann (§ 3 VI HinSchG). Hierzu zählen z. B. eine Suspendierung oder Kündigung des Beschäftigten sowie die Versagung einer Beförderung, gegebenenfalls Änderungen von Arbeitszeiten und die Nichtumwandlung eines befristeten in einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Was sind die Konsequenzen bei Verstößen?

Ein Unternehmen, welches ungeachtet seiner Verpflichtung aus § 12 HinSchG keine internen Meldestellen einrichtet oder verbotswidrig gegen eine hinweisgebende Person eine Repressalie ergreift, handelt ordnungswidrig.
Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot ist der Verursacher verpflichtet, der hinweisgebenden Person den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen und muss eine Geldbuße in Höhe von maximal 50.000 € zahlen. Ein Schmerzensgeld für immaterielle Schäden ist hingegen nicht vorgesehen.
Die Nichteinrichtung einer internen Meldestelle hat seinerseits eine Geldbuße in Höhe von bis zu 20.000 € zur Folge.

Welche Vorteile bietet ein Hinweisgeberschutzsystem?

Neben dem zeitlichen und kostentechnischen Aufwand sind mit der Implementierung eines solchen Meldekanals aber auch zahlreiche Vorteile verbunden, die sich langfristig positiv auswirken können.
Die frühzeitige Erkennung von Verstößen ermöglicht Unternehmen, schnell zu reagieren und bei bevorstehenden Gefahren rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können, um so wachstums- oder existenzgefährdende Strafen sowie Imagebeeinträchtigungen zu verhindern.
Neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten können sich Hinweisgeberschutzsysteme dadurch, dass sie für mehr Transparenz und Integrität sorgen, auch positiv auf das allgemeine Betriebsklima auswirken. Zwischenmenschlichen Vergehen wie sexueller Belästigung oder Mobbing kann mithilfe dessen entgegengewirkt werden.

Fazit und praktische Hinweise

Trotz verlängerter Einrichtungsfrist sollten sich auch kleinere und mittelständische Unternehmen mit der komplexen Rechtslage frühzeitig auseinandersetzen und schon jetzt entsprechende Vorbereitungen treffen, um die Funktionsfähigkeit eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Hinweisgebersystems zu gewährleisten. Falls bereits eine Meldestelle existiert, gilt es zu prüfen, ob diese den Vorgaben des Gesetzes entspricht und ob ggf. Anpassungen veranlasst werden müssen.
Die Weiterbildung der IHK bietet einen Online-Sprint an, im Rahmen dessen die Möglichkeiten der Implementierung einer Meldestelle im Unternehmen erläutert werden. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.
Zudem sollten datenschutzrechtliche Fragestellungen mit der/dem Datenschutzbeauftragten geklärt und bestenfalls weitere Fachbereiche wie Personal, Recht und Compliance in den Prozess eingebunden werden.
Unternehmen mit einem Betriebsrat müssen zudem berücksichtigen, dass dieser bei der Ausgestaltung einen Hinweisgebersystems Mitbestimmungsrechte hat, sodass hier eine entsprechende Betriebsvereinbarung getroffen werden muss. Nähere Informationen zu Mitbestimmungsrechten von Betriebsräten erhalten Sie hier.
Stand: April 2024