Erfahrungsberichte vergangener Reisen

„How to make it in New York. Or not.“ - Jamata Events aus Lünen berichtet

Am 16. September stieg Stefan Gajewski, Geschäftsführer des Startups Jamata Events aus Lünen, in den Flieger am Düsseldorfer Flughafen. Ziel der Reise: New York City. Für ihn längst kein neues Reiseziel mehr, die üblichen Sightseeing-Ziele waren schon bei den ersten Besuchen abgehakt. Dieses Mal flog er geschäftlich in die Stadt, die niemals schläft. Grund der Reise war die Zusage für das einwöchige, vom Land NRW geförderte, Programm Startup New York – NRW der IHKs in Dortmund und Düsseldorf. Das Programm wird vor Ort von der AHK, der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, organisiert und soll nordrheinwestfälischen Startups helfen, die ersten Schritte auf dem US-Markt realistischer zu planen. Im Webblog „startupbrett.de“ schildert Stefan Gajewski seine Erfahrungen, die er auf der Reise gemacht hat. Hier ein Auszug daraus:
Wir, das sind mein Co-Founder Sebastian und ich, hatten uns für das STEP NYC mit unserem Startup Jamata Events beworben. Wir haben mit Jamata eine Ticket-Plattform entwickelt, die verschiedene Ticketanbieter kombiniert. Mit 260.000 Events sind wir einer der größten Aggregatoren für Konzerttickets in Europa. Wir hatten schon länger geplant, unsere Plattform auch auf dem amerikanischen Markt zu etablieren, und das Angebot der AHK kam uns sehr gelegen, um mehr über das Business in den USA zu erfahren: Eine Woche lang Workshops, Netzwerken, Mentoring und eine Pitch-Night vor New Yorks VC-Gebern.
Dementsprechend kamen wir motiviert und euphorisch in die ersten Workshops mit New Yorker Firmen und dem Co-Host VentureOut, die sich darauf spezialisiert haben, ausländische Startups mit der New Yorker Tech-Szene zu verknüpfen. Einer der ersten Sätze hat uns auf den Boden der Tatsachen geholt: „Nobody of you is going to fly back with Venture Capital after this week“. Das hat gesessen und muss erst mal verstanden werden: Wer in den USA ein Startup aufbauen möchte, hat es nämlich mit grundsätzlich anderen kulturellen und geschäftlichen Verständnissen zu tun als in Europa. Kein Venture Capital Geber in New York wartet auf Euer deutsches Startup. Es gibt Tausende Startups in New York, dazu Accelerator-Programme, Universitäten und Innovations-Hubs. Kein Investor hat Interesse daran, in ein europäisches Unternehmen zu investieren, dessen Markt er nicht kennt, dessen Gesetze er nicht versteht, und dessen Gründer er nicht mal eben besuchen kann (Stichwort: Hands on). Also geht es darum, die USA zu verstehen, Kontakte zu machen, ein Büro zu eröffnen, und im richtigen Moment Investoren ins Unternehmen zu holen.
How to start?
Der wichtigste Schritt in dieser Woche war das Aufbauen des Netzwerks mit der lokalen Szene. Ich habe in dieser Woche an die 40 Unternehmer, Investoren und Entrepreneure persönlich kennengelernt und mich vernetzt: Über E-Mail und LinkedIn (Xing is for Germans only). Dabei ist es unheimlich wichtig, alle Gesprächspartner und Kontakte vorab zu sichten und richtig einzuschätzen. Insbesondere der Grad an Spezialisierung der VC-Geber ist enorm hoch, aber einfach über deren Webseite zu recherchieren. Checkt vorab, in welche Branchen und Phasen ein Investor einzahlt und welche Startups bereits im Portfolio sind. Macht der Kontakt Sinn? Kann er Euch weiterempfehlen? Seid ihr persönlich im Gespräch, steht dem weiteren Kontakt in der Regel nichts mehr im Weg. Schreibt eine Introduction, die Euer Startup in 3-4 Sätzen erklärt, und sendet diese als Follow-Up mit Eurem Pitch-Deck an die Gesprächspartner.
Am Times Square pitchen
Highlight des Programms war eine Pitch-Night mit rund 80 geladenen Gästen, unweit des Times Squares in Manhattan. In einem Zweiminuten-Pitch konnten wir unsere Idee vor Publikum und einer Jury aus Angels und VC-Gebern vortragen. Es fühlt sich anders an im 26. Stock eines Wolkenkratzers zu pitchen als in einem Veranstaltungssaal in Deutschland. Es war ein überragendes Gefühl beim Vortragen auf die anliegenden Hochhäuser zu blicken. Natürlich gehört Lampenfieber dazu, in einem fremden Land und nicht in der Muttersprache zu pitchen, aber solltet Ihr jemals die Chance bekommen dann macht es, denn hey: F*** – once in a lifetime ...
In Vorbereitung auf die Pitch-Night haben wir unser Pitch-Deck gefühlte hundert Mal verändert und optimiert. Und wir haben am Produkt gearbeitet, um den hohen Innovationsgrad vorzustellen. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Team bedanken, das Nachtschichten eingelegt hat, um unseren Facebook Messenger Chatbot pünktlich bis zur Pitch-Night fertigzustellen. Damit konnten wir sehr einfach Innovation erklären und zum Ausprobieren einladen. Unter www.facebook.com/jamataevents/ könnt Ihr den Bot selbst testen. Amerikaner fokussieren bei Vorträgen aufs Wesentliche, filtern Bullshit- Content und wollen schnell verstehen, worum es geht. „If you can’t tell your idea in two minutes, it’s probably no good idea ...“ Also hat sich unser Pitch-Deck auf eine zwei Sätze Intro, Problems & Solutions, Produktbilder (samt dem neuen Facebook Bot) und einer Teamvorstellung reduziert, abgerundet mit ein paar Zahlen (Marketsize und Traction). Nach dem Pitch ist vor dem Pitch, und auch hier ist das Netzwerken mit Jury und Publikum der erste Schritt zum Invest und nicht nur die eigentliche Präsentation.
Für alle Gründer, die noch nie gepitcht haben: Die Realität läuft nicht bei Vox und heißt „Höhle der Löwen“, sondern ist ein Prozess von mehreren Monaten harter Arbeit. Das ist in New York nicht anders als hier. Ihr müsst Eure Glaubwürdigkeit aufbauen, Euer Durchhalten beweisen, Euer Talent darstellen und dauerhaft überzeugen. Wer in die USA kommt und meint, alles ist einfacher als in Deutschland, vor allem, was Steuern und Gesetze angeht, dem schenke ich ein mildes Lächeln. Die Gesetzeslage in den USA passiert auf mindestens drei Ebenen: Land, Bundestaat und Stadt. Ähnlich ist es bei den Steuern. Die Buchhaltung lässt sich nicht selber oder von Deutschland aus regeln, und wer beim Bewerbungsgespräch einen möglichen Angestellten nach Alter oder Geschlecht (!) fragt, kann wegen Diskriminierung verklagt werden. Wer außerhalb der Unternehmer-Hochburg Delaware gegründet hat, hat dann ggf. besonders Pech: Oft entscheidet eine Jury aus Bürgern vor Gericht über Euer Schicksal und nicht ein Richter mit fundiertem Wissen. Zur Planung und Durchführung kommen die weitaus höheren Kosten zur Lebenshaltung und durch Dienstleister wie Steuerberater und Anwälte, aber auch Angestellte verdienen weitaus mehr als in Deutschland. Ich habe einen Vollzeit-Uber-Fahrer aus New Jersey gefragt, was er verdient: 3.200 Dollar netto, und das reicht gerade einmal zum Bezahlen der Rechnungen. Spätestens an dieser Stelle sollte jedem klar sein, dass man mit einem 1.000.000 USD Invest in Deutschland wesentlich länger arbeiten kann als in New York.
Fazit
Wer in den USA gründen möchte und keine Erfahrungen auf dem US-Markt hat, sollte sich das Programm Startup New York – NRW näher ansehen. Die über NRW International geförderte Reise findet Ende nächsten Jahres erneut statt. Außerdem bietet die AHK mehrmals im Jahr unter dem Titel STEP NYC weitere Reisen nach New York oder ins Silicon Valley an. Wir haben uns bewusst für New York entschieden, da dort Gehälter und Mieten wesentlich geringer sind und der Standort strategisch für unseren Markt Sinn macht. Der nächste Schritt könnte, abhängig vom Geschäftsfeld, für Euch der German Accelerator sein, der auch in New York stattfindet und mindestens drei Monate dauert. Das Programm bietet Büroräume, regelmäßiges Mentoring, Workshops und Netzwerk-Events.
www.jamata-events.com