Ein Programm, das Wellen schlagen soll

Das Land Brandenburg investiert mehr als 17 Millionen Euro in Start-up-Zentren, um Unternehmensgründungen anzuheizen
Es sei wie der Moment, wenn ein Kieselstein in einen spiegelglatten See geworfen wird und die Wellenkreise sich dann über die ganze Wasseroberfläche ausbreiten. So hat Rafael Kugel einmal den Moment beschrieben, wenn aus einer Idee ein neues Unternehmen entsteht. Derartige Entwicklungen soll auch ein neues Programm der brandenburgischen Landesregierung zur Unterstützung weiterer Unternehmensgründungen im Land durch Start-up-Zentren auslösen.
Daran arbeitet auch der von dem mehrfachen Firmengründer Kugel ins Leben gerufene „Reaktor Wildau“, direkt in Nachbarschaft der Technischen Hochschule (TH). In die Etablierung insgesamt sechs derartiger Zentren für frisch gegründete Firmen im Land, zu denen auch eine entsprechende Einrichtung der Thiem-Research GmbH in Cottbus zählt, will die Landesregierung bis 2028 mehr als 17 Millionen Euro aus eigenen und Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) investieren. So sollen Aufbau und Wachstum junger Unternehmen mit der Vermittlung unternehmerischer Kompetenz und kundiger Vernetzung im Land beschleunigt werden, um weitere Grundlagen für eine erfolgreiche Gründungsszene zu schaffen. Erfahrungen aus der Start-up-Förderung zeigen, dass Risiken erheblich gemindert werden können, wenn Gründerteams in der entscheidenden Phase des Wachstums professionelle Unterstützung erhalten.
„Über die neuen Start-up-Zentren soll Gründerinnen und Gründern ganz gezieltes Know-how vermittelt werden, um sich nachhaltig im Markt behaupten zu können“, sagt Kerstin Jöntgen, Vorstandsmitglied der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) zu dem Vorhaben.
Sie könnten dazu beitragen, noch mehr innovative Gründungen in Brandenburg zu ermöglichen, und junge Unternehmen bei ihrer Etablierung und weiteren Entwicklung unterstützen. Ziel ist es, das Start-up-Ökosystem in Brandenburg nachhaltig zu stärken und das Land zu einem führenden Hotspot innovativer Gründungen zu machen. Laut unterschiedlichen Studien belegt Brandenburg bei jungen, innovativen Start-up-Neugründungen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums, das das Programm auch koordiniert, bundesweit schon seit einiger Zeit vordere Plätze.
„Es gibt mir das Gefühl, dass sich in Brandenburg inzwischen wirklich etwas tut“, sagt Rafael Kugel zu dem Landesprogramm, von dem er selbst mit seinem Projekt profitieren wird.

Gründung mit Reaktor Wildau

Zusammen mit Sascha Schubert, der ein ähnliches Start-up-Center in Berlin aufgebaut hat, und Samir Roshandel, der derartige Erfahrungen in Niedersachsen sammelte, hat er den Reaktor Wildau gegründet. Dessen gute Verzahnung mit Wagniskapital-Investoren und Organisationen wie den Business Angels sieht Rafael Kugel, der in der Vergangenheit auch das Start-up-Center der TH Wildau betreut hat, als einen Grund der geplanten millionenschweren Förderung durch das Land. Zudem seien die Netzwerk-Erfahrungen, die Sascha Schubert aus Berlin als bundesweitem Hotspot in Sachen Gründung mitbringt, natürlich ein wichtiges Potenzial. Der Fokus des Reaktors auf junge Firmen aus den Branchen Mobilität, Künstliche Intelligenz sowie dem Energiebereich, der historisch gerade für das südliche Brandenburg mit der Braunkohle wirtschaftlich prägend war und auf Basis anderer Ressourcen bleiben soll, dürfte ein weiterer Grund gewesen sein.
Die Gründer vom Reaktor Wildau (v.l.): Rafael Kugel, Sascha Schubert, Samir Roshandel. Foto: Ulrich Schuster
Zudem soll der Reaktor auch Möglichkeiten des Tests von Prototypen neu gegründeter Unternehmen in Realumgebungen ermöglichen, wie etwa von Wasserstoffbussen im Öffentlichen Nahverkehr in Probeeinsätzen. Jeweils etwa zehn Unternehmensgründungen werden im Rahmen der sechs bis zwölf Monate andauernden Betreuung Bestandteil der „Kohorte“.
Zu „Start-up-Kohorten“, also Gruppen neu gegründeter Unternehmen, wie es auch das brandenburgische Wirtschaftsministerium formuliert, sollen alle sechs der geförderten Gründerzentren in Brandenburg werden – neben Wildau und Cottbus auch Potsdam, Bad Belzig, Beeskow und Strausberg. Die neu gegründeten Firmen bekommen intensive Betreuung durch professionelle Begleiter, die sie fit für den Weltmarkt machen und bei der Skalierung ihrer Ideen unterstützen sollen – von der Finanzierung über Patentfragen bis zur internationalen Vernetzung und Unterstützung bei der Kundenakquise. Wichtiges Element ist aber auch der Austausch mit den anderen betreuten Gründungen, um gemeinsame Erfahrungen zu schaffen.
„Die Förderung von Start-ups ist eine der Schlüsselstrategien, um Brandenburg als innovativen Wirtschaftsstandort weiter zu stärken“, formuliert es der brandenburgische Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD). Die Start-up-Zentren würden den idealen Rahmen bieten, „um innovative Gründerinnen und Gründer aus Zukunftsbranchen optimal zu unterstützen und ihre zukunftsweisenden Ideen weltweit erfolgreich zu positionieren“.
Mit der Förderung verfolgt Brandenburg das langfristige Ziel, das Land als führenden Standort für innovative Gründungen zu profilieren, heißt es in einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. Die Wirtschaft in Brandenburg steht vor enormen Herausforderungen. Die fortschreitende Digitalisierung, die demografische Entwicklung, die Anpassung an eine moderne Arbeitswelt erfordern die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen könnten Start-ups im Sinne von jungen, innovativen und wachstumsorientierten Unternehmen spielen. Die Start-up-Zentren sollen bis Juli mit der Rekrutierung der Start-up-Kohorten beginnen und die Entwicklungsprogramme spätestens zu Beginn des kommenden Jahres starten.
Die Start-ups sollen in den Zentren sowohl branchenübergreifende als auch spezialisierte Unterstützung in Bereichen wie Digitalisierung, Medien, Life Sciences, Medizin, Energie, Kreislaufwirtschaft und autonome Mobilität bekommen. Vorgesehen ist, dass sie intensive Betreuung durch erfahrene Coaches erhalten, die sie bei der Prüfung ihrer Wachstumschancen auf Basis ihrer Ideen unterstützen. Neben professioneller Beratung und maßgeschneiderten Schulungsangeboten stellen die Zentren den Gründerteams eine umfassende technische Infrastruktur, moderne Büroräume, Labore und Werkstätten zur Verfügung. Um ihren Markterfolg zu forcieren, sollen die jungen Unternehmen für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr in die Zentren aufgenommen werden und dort entsprechende Räumlichkeiten erhalten.

Thiem-Research GmbH als Start-up-Zentrum

Für die ebenfalls als Inkubator für frisch gestartete Firmen geförderte gemeinnützige Thiem-Research GmbH in Cottbus beginnt im Zusammenhang mit einem geplanten Erweiterungsgebäude der Medizinischen Universität Lausitz - Carl Thiem (MUL-CT) die Etablierung eines neuen Start-up-Zentrums. Es soll auf vier Etagen und etwa 1200 Quadratmetern Fläche Büros, Coworking-Plätze, Werkstätten und medizinische Labore für die geförderten Unternehmen beheimaten. Parallel dazu wird eine Betreibergesellschaft etabliert.
Geplant sei, mindestens zehn jungen Unternehmen vor allem aus dem Gesundheitsbereich, der Biotechnologie und Medizintechnik hier eine neue vorübergehende Heimat mit entsprechender Infrastruktur und damit Möglichkeiten der weiteren Entwicklung bestenfalls bis zum Markteintritt zu bieten, sagt Thiem-Research-Leiter Steffen Ortmann. „Wir wollen neu gegründeten Firmen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln und auf dem Markt Fuß zu fassen“, so Ortmann.
Vorgesehen ist auch ein individuelles Budget in Höhe von im Schnitt 20000 Euro pro Unternehmen, das aus dem Landesprogramm getragen wird. Zudem sollen die Unternehmen von den Kontakten der Thiem-Research GmbH zu branchentypischen Netzwerken profitieren.
Als Forschungseinrichtung der Medizinischen Universität Lausitz - Carl Thiem entwickelt die 2019 gegründete Thiem-Research GmbH neue Konzepte und Gesundheitstechnologien nicht nur im Labor, sondern mitten in der Realität des Versorgungsalltags und versucht sie in Kooperation mit anderen Forschungsbereichen zu bringen.
„Mit interdisziplinären Teams werden in unterschiedlichen Projekten Entwicklungen der Medizin der Zukunft untersucht und mit ihren Daten der Forschung verfügbar gemacht“, schildert Steffen Ortmann.
So gab es unter anderem Studien zu einem sogenannten Medizin-Radar, mit dem kontaktlos Herzfrequenzen und Atemfunktionen überprüft werden können. In weiteren Projekten geht es um die Nutzung laserbasierter Diagnosetechniken auch im Zusammenhang mit Krebserkrankungen oder um Konzepte der Integration von Telenotärzten in die medizinische Versorgung. Gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium wurden zudem Kooperationen verschiedener medizinischer Einrichtungen in Diagnose und Therapie mit dem Einsatz von Datenbrillen entwickelt.

Vom Gutshof bis zum Incubator Village

Zu den insgesamt sechs geförderten Start-up-Zentren zählen auch entsprechende Einrichtungen in Potsdam, Bad Belzig, Strausberg und Beeskow.
In der Landeshauptstadt geht es um die MediaTech Hub Potsdam Management GmbH, die den Schwerpunkt auf digitale Medien, künstliche Intelligenz, immersive Techniken sowie weitere Medientechnologien legt und entsprechende junge Unternehmen fördern will.
In Bad Belzig entsteht unter dem Namen „Start-up-Zentrum Gutshof Glien“ ein Zentrum mit der Fokussierung auf die Cluster Mobilität und Logistik sowie Gesundheitswirtschaft und Informationstechnologien.
In Strausberg setzt die STIC Wirtschaftsfördergesellschaft Märkisch-Oderland mbH in ihrem bestehenden Technologiezentrum den Fokus auf autonome Fahr- und Flugsysteme, Luftfahrt sowie branchenübergreifende Innovationen und will neu gegründete Firmen aus diesen Sparten unterstützen.
In Beeskow etabliert die Valuedfriends Workspaces GmbH unter dem Titel „Incubator Village“ ein Start-up-Zentrum, das sich als branchenoffen versteht.
Den Text für das FORUM schrieb Gerald Dietz / Brandenburg Media