100 Tage Bundesregierung: Industrie- und Handelskammern ziehen gemischte Bilanz für Brandenburg

Cottbus/Potsdam/Frankfurt (Oder), 15. August 2025 - Nach den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung ziehen die Brandenburger Industrie- und Handelskammern (IHKs) ein gemischtes Fazit. Zwar wurden erste Maßnahmen angestoßen, doch zentrale Erwartungen der regionalen Wirtschaft bleiben bislang unerfüllt.
„Der von Bundeskanzler Merz angekündigte Stimmungsumschwung in der Wirtschaft ist leider schon verpufft. Das fing bereits mit der unzureichenden Stromsteuerreform an. So werden etwa 85 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen keine Entlastung spüren. Die Fokussierung auf ausgewählte energieintensive Branchen und die Landwirtschaft ist unzureichend. Und selbst für die Industrie ist es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Das sagt André Fritsche, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus, als Sprecher der IHKs des Landes Brandenburg.
Positiv vermerken die IHKs, dass die Bundesregierung in kurzer Zeit Handlungsfähigkeit gezeigt und mit dem Investitions-Booster erste Impulse gesetzt hat.
„Für einige Betriebe, die derzeit in den Strukturwandel investieren, kann das eine wichtige Unterstützung sein. Allerdings reicht das nicht aus, um die Breite der regionalen Wirtschaft zu stärken“, so Fritsche weiter.
Deutliche Kritik üben die Kammern an der Verstetigung der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien.
„In unserer Grenzregion ist ein reibungsloser Waren- und Personenverkehr elementar. Die verschärften Kontrollen führen zu Verzögerungen in Lieferketten, erschweren den Einsatz polnischer und deutscher Fachkräfte beidseitig von Oder und Neiße und schwächen damit auch exportorientierte Unternehmen und insbesondere die Logistikbranche. Ein Zustand, der innerhalb der EU nicht akzeptabel ist“, warnt Fritsche. „Verheerend ist insbesondere das Signal für die etwa 40.000 polnischen Arbeitnehmer, die in Brandenburg arbeiten. Denn Grenzschließungen, auch wenn sie temporär sind, hinterlassen Spuren. Die europäische Einigung darf kein Lippenbekenntnis in angespannten Zeiten sein. Vertrauen und Planbarkeit sind im Arbeitsmarkt zentrale Faktoren. Wer einmal verunsichert wird, kommt ungern zurück. Zumal mehr polnische Staatsbürger Deutschland verlassen als zuziehen. Diese Trendwende wird sich mit diesen Grenzkontrollen weiter verstärken.“
Besondere Aufmerksamkeit fordert der IHK-Hauptgeschäftsführer Fritsche für den Mittelstand:
„Kleine und mittlere Unternehmen, vom Spreewälder Lebensmittelproduzenten über das Fuhrunternehmen in Oberhavel bis zum Tiefbauer in der Uckermark, haben ineffiziente, bürokratische Hürden satt. Ein echter Bürokratieabbau kann wirkungsvoller sein als neue Förderprogramme. Um den Zuwachs an neuen Pflichten zu begrenzen, sollte die Bundesregierung die „One in, one out“-Regelung auf mindestens eine „One in, two out“-Regel erweitern. So würde automatisch ein Bürokratieabbau erfolgen. Die Bundesregierung sollte hier die Vereinfachungsbestrebungen der EU unterstützen und sich dafür einsetzen, dass das Thema Bürokratieabbau im Rat oberste Priorität hat. Mit Vorhaben wie dem Tariftreuegesetz mit seinen umfangreichen Nachweispflichten für Unternehmen geht die Bundesregierung hier den falschen Weg. Es braucht mehr Vertrauen in die Unternehmen und der Bundeskanzler sollte hier in den kommenden Jahren Wort halten, um das Ruder herumzureißen“.
Die ersten 100 Tage zeigen aus Sicht der IHKs: Impulse sind erkennbar, der erhoffte Aufbruch für die Wirtschaft in Brandenburg bleibt jedoch aus. Entscheidend wird sein, ob die Bundesregierung in den kommenden Monaten strukturelle Weichenstellungen vornimmt – für mehr Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Vertrauen zwischen Wirtschaft und Politik.
Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) ist eine Kooperation der drei Industrie- und Handelskammern im Land Brandenburg. Sie vertritt die Interessen von etwa 160.000 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen.