Kammern sehen keinen Durchbruch beim Bürokratieabbau im EU-Lieferkettengesetz

Nach Verhandlungsabschluss und gestrigem EU-Parlamentsbeschluss zum Lieferkettengesetz (CSDDD) warnen Brandenburger IHKs vor unscharfer Umsetzung auf nationaler Ebene und möglichen Belastungen für Unternehmen
Der erzielte Kompromiss von Europäischem Parlament und Kommission sieht gegenüber den ursprünglichen Entwürfen erhebliche Abschwächungen vor. Künftig sollen nur sehr große Unternehmen ab 5.000 Beschäftigten und 1,5 Mrd. Euro Umsatz betroffen sein, weitreichende Berichtspflichten sowie ein europäisches Haftungsregime sollen entfallen. Aus Sicht der Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Brandenburg bringt der Kompromiss zwar Erleichterungen, lässt jedoch gleichzeitig viele Fragen offen.
„Die jetzige Einigung kann nur der Anfang des Bürokratieabbaus in der EU sein. Das CSDDD schafft erste Klarheiten für die unternehmerische Planungsfähigkeit, mindert aber immer noch nicht die bürokratische Last, unter der auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch das Gesetz leiden werden. Wir brauchen praxistaugliche Vorgaben ohne neue Bürokratie. Nur ein klarer und verhältnismäßiger Rechtsrahmen ermöglicht es Brandenburger Unternehmen nachhaltig und zugleich wettbewerbsfähig zu wirtschaften“, sagt Ina Hänsel, Präsidentin der IHK Potsdam stellvertretend für die Landesarbeitsgemeinschaft der Brandenburger IHKs.

Auswirkungen auf Unternehmen in Brandenburg

Die tatsächlichen Auswirkungen hängen nach Ansicht der IHKs stark davon ab, wie die Mitgliedstaaten die Regeln konkret ausgestalten. Nicht nachvollziehbare Bürokratie ist keine Basis für die Zukunft. Eine Überprüfung der Richtlinie Mitte 2031 in ihrem Anwendungsbereich ist daher richtig und wichtig. Beinahe zwei Drittel der befragten Brandenburger Unternehmen machten bereits im Frühjahr 2025 in der DIHK-Außenwirtschaftsumfrage deutlich, dass sie ihr internationales Geschäft durch ansteigende Bürokratie gefährdet sehen.
Informelles Durchreichen der Berichtspflichten an den Mittelstand bleibt: Die Weitergabe der Pflichten bleibt real: Auch wenn viele Brandenburger Unternehmen unter den Schwellenwerten liegen, ist damit zu rechnen, dass Auftraggeber weiterhin zahlreiche Informationen zu den Nachhaltigkeitspflichten verlangen. Damit wird der administrative Aufwand weiterhin auf KMU abgewälzt. Das CSDDD sieht hierfür keine Schutz- oder Meldemöglichkeiten bei Missbrauch für KMU vor.
Mehr Bürokratie durch die Hintertür: Unternehmen, die Teil internationaler Lieferketten sind, müssen voraussichtlich trotzdem ESG-Selbstauskünfte, Risikoanalysen oder Zertifizierungen vorlegen – insbesondere gegenüber betroffenen Konzernen in Deutschland oder anderen EU-Ländern.
Wettbewerbsfähigkeit der Region hängt von einheitlicher Umsetzung ab: Wenn EU-Staaten unterschiedlich streng regulieren, könnte das zu Verzerrungen führen. Die Brandenburger IHKs warnen deshalb vor einer „ungleichen Lastenverteilung“ im Binnenmarkt und fordern weiterhin im Zuge der verschobenen Umsetzungsfrist in deutsches Recht nun bis Mitte 2028 dringend ein sofortiges Aussetzen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit dem 1. Januar 2023 gilt. Dieses weist u. a. in Bezug auf die Anwendungsschwellen weitaus strengere Anforderungen auf, die auf EU-Ebene zu fundamentalen Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft führen.
Nach der gestrigen Zustimmung des Europäischen Parlaments (EP) zu der im Trilog erzielten Einigung zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) und der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), muss nun noch die formale Verabschiedung durch den Rat erfolgen, bevor die Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden kann.

Hintergrund:

Die Brandenburger Industrie- und Handelskammern hatten sich bereits im vergangenen Jahr für erhebliche Anpassungen und Erleichterungen der CSDDD eingesetzt und an die Landes-, Bundes- und EU-Politik ein umfassendes Forderungspapier adressiert und eine Vielzahl politischer Gespräche geführt. In Zukunft werden die IHKs in Brandenburg ihr Engagement auf EU-Ebene noch weiter erhöhen, um den Forderungen der regionalen Unternehmen noch mehr Gehör zu verschaffen.
Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) ist eine Kooperation der drei Industrie- und Handelskammern im Land Brandenburg. Sie vertritt die Interessen von etwa 160.000 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen.