Spezialtiefbau-Innovation: Mittelständler meldet Patent an

Der Titel des Forschungsprojekts ist etwas sperrig: „Entwicklung und Optimierung einer kunststoffbasierten Leitwand zur Effizienzsteigerung der Schlitzwandherstellung“. Dahinter verbirgt sich eine Idee, deren Umsetzung bestimmte Bauarbeiten im Spezialtiefbau deutlich einfacher, kostengünstiger und ressourcenschonender machen könnte. Zudem würde weniger Personal benötigt. Zur Erklärung für Laien: Solche Leitwände (nicht zu verwechseln mit Betonleitwänden zur Verkehrssicherung) sind wichtige Baubehelfe bei der Erstellung von Schlitzwänden, die wiederum der Sicherung von tiefen Baugruben, Unterführungen und zur Abdichtung gegen Grundwasser dienen. Die Leitwände ermöglichen die präzise Führung des Greifers oder einer Fräse bei der Herstellung von Schlitzwänden. Sie werden oberirdisch auf beiden Seiten des geplanten Schlitzes erstellt. Kurz: Sie sind extrem wichtig für viele Projekte im Spezialtiefbau. Bislang werden Leitwände zeitaufwendig vor Ort auf der Baustelle aus Stahlbeton hergestellt und nach einmaliger Nutzung wieder abgerissen.
„Genau das wollen wir ändern“, sagt Markus Jaunich. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der TBS Tiefbau-Service GmbH in Cottbus, die seit 2023 gemeinsam mit dem Fraunhofer- Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Wildau und Prof. Dr. Holger Seidlitz von der BTU Cottbus-Senftenberg an der Innovation arbeitet.
Gefördert wird die Entwicklung durch das Programm „Unternehmen Revier“ des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich an regionale Akteure der sächsischen und brandenburgischen Landkreise Bautzen, Dahme- Spreewald, Elbe-Elster, Görlitz, Oberspreewald- Lausitz und Spree-Neiße sowie der Stadt Cottbus richtet. TBS hatte sich erfolgreich für den 8. Ideen- und Projektwettbewerb in der Lausitz beworben. Unternehmen waren – auch zusammen mit wissenschaftlichen Einrichtungen – dazu aufgerufen gewesen, ihre innovativen Vorhaben der Produktentwicklung und Geschäftsfelderweiterung zu präsentieren. Unterstützt werden Projekte, die „Modellcharakter im Strukturwandel auf wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Ebene haben“, wie es in der Ausschreibung heißt.
Genau das ist laut Jaunich bei den neuen Leitwänden der Fall: Diese Zukunftstechnologie könnte zur erhöhten Wertschöpfung in der Region beitragen, zumal auch der Senftenberger Kunststoffhersteller Puralis und die BASF in Schwarzheide beteiligt sind. „Man kann durchaus von einem regionalen Produkt sprechen“, sagt der TBS-Geschäftsführer.
Bei diesem Produkt handelt es sich im Kern um L-förmige Module aus Kunststoff, die jeweils 1,20 Meter hoch und breit sowie 80 Zentimeter tief sind. Miteinander verbunden ergeben sie die Leitwand. „Die Module lassen sich problemlos per Lkw zu den Baustellen transportieren und sind vor Ort binnen kurzer Zeit montiert.“ Der Clou: Mindestens zehnmal lassen sich die Module nach TBS-Angaben wiederverwenden.
„Im Anschluss kann der Kunststoff geschreddert und recycelt werden“, so Jaunich.
Bei TBS denkt man darüber nach, die neuartigen Leitwände nicht nur selbst zu fertigen und anzuwenden, sondern auch Lizenzen zu vergeben. „Vermietung wäre ebenfalls denkbar.“ Der Mittelständler mit Sitz im Cottbuser Eichenpark ist auf Elemente für den Spezialtiefbau fokussiert. Kunden sind große und mittelständische Bauunternehmen, die in ganz Deutschland und darüber hinaus tätig sind.
„Unsere Hauptleistung ist die Herstellung von Bohrschablonen“, erklärt Jaunich.
Es sind Führungen für Großbohrgeräte, die für Bohrpfahlwände gebraucht werden. Ziel ist es, damit Baugruben oder abschüssiges Gelände abzusichern. Der nächstgrößere Umsatzbringer sind Kopfbalken aus Beton sowie die besagten Leitwände. Das Unternehmen wurde 1999 gegründet und Anfang 2016 von Markus Jaunich übernommen.
„In technischer Hinsicht war ich damals ein absoluter Quereinsteiger“, sagt er.
Heute sind er und sein Unternehmen ein Paradebeispiel für eine gelungene Unternehmensnachfolge. Gemeinsam mit der bestehenden Belegschaft und neuen Teammitgliedern gelang es ihm, den Jahresumsatz auf aktuell zwei Millionen Euro zu verdoppeln.
Auch beim Personal gab es Wachstum: „Als ich damals anfing, hatten wir 15 Mitarbeitende. Inzwischen sind es 23.“
Neue Leute finde man über persönliche Kontakte der bestehenden Belegschaft sowie über die sozialen Medien.

Ins kalte Wasser gesprungen

Auch wenn Jaunich von der Baubranche zunächst wenig Ahnung hatte – das Unternehmertum an sich war ihm sozusagen in die Wiege gelegt worden.
„Ich wusste schon als Kind, was es bedeutet, selbstständig zu sein.“
Das konnte er sich bei seinem Großvater abgucken, einem selbstständigen Schuhmachermeister, in dessen Cottbuser Haus die Familie lebte. Kundenverkehr war daher etwas Alltägliches. Der heute 44-Jährige studierte Betriebswirtschaft mit Diplomabschluss und arbeite danach eine zeit lang bei einer großen Steuerberatungsgesellschaft in Berlin. Beste Basis für eine steile Karriere im Angestelltenverhältnis, möchte man meinen – doch für Jaunich war „die Materie einfach zu trocken“, wie er sagt.
Er stürzte sich daraufhinvoll in seinen mit zwei Freunden gegründeten Onlinehandel mit regionalen Spezialitäten, unter anderem aus dem Spreewald. Doch nach acht Jahren im Handel war es für den Cottbuser Zeit für einen erneuten Wechsel des Betätigungsfelds. Dann klopfte der Zufall in Person seines Onkels an. Der studierte Bauingenieur überlegte, die TBS zu übernehmen. Sein Neffe sollte ihn in kaufmännischen Belangen beraten. So der ursprüngliche Plan. Als der Onkel es sich aber mit der Übernahme schließlich anders überlegte, sprang der Neffe selbst „ins kalte Wasser“. Mit seinem Vorgänger in der Firma, einem „Selfmade-Unternehmer“ Mitte 70, habe er sich von Anfang an wunderbar verstanden.
„Ich denke, dass ist das Wichtigste für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung“, sagt Jaunich. Digitalisierung der Prozesse Zur ersten Einarbeitung begleitete er den damaligen Eigner ein halbes Jahr. „Ich saß im Büro, fuhr auf Baustellen und tauschte mich intensiv mit den Vorarbeitern aus.“
Dann wurde es ernst und er hielt allein das Steuer in der Hand. Geholfen habe ihm die Möglichkeit, in den ersten Jahren auf die Erfahrungen und das Wissen des Gründers zurückgreifen zu können.
„Dafür war ich sehr dankbar.“ Zugleich drehte er vieles im Unternehmen auf links: „Eine meiner ersten Amtshandlungen war, Prozesse zu digitalisieren und eine kaufmännische Software zu etablieren.“
Diese Suche nach Optimierungen führte mehrere Jahre später auch zum aktuellen Leitwand-Projekt.

Praxisreife bald erreicht

Der 44-Jährige, der unter anderem früher im IHK-Handelsausschuss tätig war und Fördermitglied bei den Wirtschaftsjunioren ist, blickt zuversichtlich auf die kommenden Monate.
„Nach ersten Tests der mobilen Leitwände auf verschiedenen Baustellen gibt es zwar noch einige ,Hausaufgaben’ zu erledigen. Ich denke aber, dass wir im nächsten Jahr die Praxisreife erreichen werden.“
Das Patent sei auf jeden Fall schon angemeldet. Das staatliche Förderprojekt ist Ende September ausgelaufen.
„Wir sind gerade dabei, uns für ein Folgeprojekt zu bewerben“, sagt Jaunich. Er rechnet damit, dass man mit der Innovation Ende 2026 „sozusagen in Serie gehen könnte“. Vielleicht sind dann in wenigen Jahren gar keine Stahlbeton-Varianten mehr auf deutschen Baustellen zu sehen. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, schränkt der Unternehmer ein.
Er bleibt auf dem Teppich und setzt nun erst mal alles daran, dass das entwickelte Konzept für sein Unternehmen und dessen Kunden funktioniert.
Der Artikel im FORUM 11|2025 wurde geschrieben von Daniel Boss.