Unter dem Dach des Mutes

Dieser Satz gefällt Phillip Mally nur bedingt: „vom Auszubildenden zum Geschäftsführer“
Das sagt Phillip Mally, der zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Marina Schöning seit dem 1. Januar 2021 die Geschäftsführung der se.services GmbH übernommen hat.
„Er impliziert, dass ich von Anfang an zielgerichtet darauf hingearbeitet hätte, ähnlich der Vorstellung vom Tellerwäscher zum Millionär“, sagt er. Beides sei mitnichten so. „Tatsächlich war der Weg alles andere als geradlinig und von zahlreichen Herausforderungen und äußeren Einflüssen geprägt.“
Bereits zu Zeiten der DDR wurden in Schulzendorf, südöstlich von Berlin und nicht weit vom Flughafen BER entfernt, Elektrodienstleistungen angeboten. Aus der damaligen Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) entstand Anfang der 90er Jahre die Schulzendorfer Elektro GmbH. Im Jahr 2008 gründete diese die se.services GmbH als Tochterunternehmen, die von Beginn an die operativen Aufgaben übernahm und heute vollständig eigenständig agiert. Mit der Unternehmensübergabe im Jahr 2021 beschränkt sich die Schulzendorfer Elektro GmbH ausschließlich auf die Verwaltung der Immobilien, während die se.services GmbH als das eigentliche Unternehmen alle operativen Geschäfte führt. Bis zur Übergabe an Marina Schöning und Phillip Mally leiteten Thomas Troppens und Thomas Audien die Geschäfte.

Innovative Lösungen im Portfolio

„Ich habe hier meine Ausbildung gemacht“, erinnert sich Mally. „2003 ging es los, 2007 war ich Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik und 2014 folgte der Meistertitel.“
Arbeit gab es reichlich. Die se.services GmbH ist seitdem in immer mehr Bereichen tätig – im Gewerbebau und dem Handel, in öffentlichen Institutionen und Industrieprojekten in der Elektrotechnik. Auch innovative Lösungen wie PV-Anlagen oder energiesparende und intelligente Straßenbeleuchtung gehören zum Portfolio.
„Allerdings immer im gewerblichen Bereich. Zu unseren Referenzen hier aus der Region gehören zum Beispiel der BER und das A10-Center am Berliner Ring. Die Versorgung des privaten Bereichs sichern in Schulzendorf kleine Elektrofirmen ab.“
Marina Schöning hat ihre Berufserfahrungen aus dem Industriebau in den alten Bundesländern und ist studierte Kauffrau. Seit 2017 arbeitet sie für die se.services. Mally sieht seine Geschäftspartnerin so: „Engagiert, kompetent, zielstrebig und mit Weitblick“.

Die Gespräche in Sachen einer eventuellen Unternehmensübergabe/-übernahme liefen bereits seit 2018/2019. Mally hatte bis dahin zwar hin und wieder gemeint, dass er sich gut vorstellen könne, das Unternehmen fortzuführen, aber „dann wurde diese Möglichkeit auf einmal konkret, mit Händen zu greifen“. Mally und Schöning ergriffen die Chance. Sie stellten sich all den Unwägbarkeiten, Problemen und Herausforderungen, die da kamen.

Darüber möchten beide berichten, Erfahrungen teilen und auf mögliche Probleme aufmerksam machen, „mit denen niemand rechnet. Wir stehen gerne persönlich zum Austausch bereit, wenn andere den Schritt in eine Unternehmensübernahme gehen möchten.“ Wenn diese nicht innerhalb der eigenen Familie erfolgten, sei es manchmal noch komplizierter. Emotionale Aspekte spielten eine Rolle, wirtschaftliche, familiäre natürlich und insbesondere finanzielle. Alles kommt irgendwie zusammen und muss gelöst werden. Wie gestaltet man eine solche Unternehmensübergabe? Was ist stemmbar? Welche Finanzierungsmodelle gibt es? Was ist der Inhalt, wo gibt es noch offene Punkte? Wie wird was kommuniziert? Welche rechtlichen Punkte sind darüber hinaus zu beachten?

Dankbar für Unterstützung

„Bei allen diesen Punkten und Fragen bin ich heilfroh, dass mich Marina Schöning in der Planungs- und Übergangszeit zu jeder Zeit mit ihrem enormen Engagement, ihrem Wissen und Einsatz unterstützt hat“, schwärmt Mally und bricht gleich mal eine Lanze für starke Frauen.
Er erzählt weiter: „Irgendwann war es so weit. Plan und Finanzen waren klar. Die alte Geschäftsführung und wir mussten unseren Kollegen verkünden, dass der Generationenwechsel zum 1. Januar 2021 anstand.“ Für nicht wenige Mitarbeiter eine schockierende Nachricht. „Wie jetzt? Marina und Phillip sind jetzt Chefs? Phillip aus der Projektleitung und Marina vom Controlling?“ Viele Emotionen, Verwunderung, aber auch Mitarbeiter, die sich freuten, dass es weiterging. Ihnen fehlte vielleicht das Zutrauen. „130 Mitarbeiter verantwortungsvoll in diese Zukunft mitzunehmen, war nicht leicht. Die Geschicke der Firma so zu leiten, dass sie auch in Zukunft tragfähig bleibt, erforderte jede Menge Weitblick, kritisches Hinterfragen und offene transparente Kommunikation“, sagt Mally. „Heute sind wir auf einem guten Weg und haben einiges erreicht, dennoch müssen wir weiterhin uns das eine oder andere schwer erarbeiten und leiten“.

Große Herausforderungen während der Corona-Pandemie

Rückblickend war die Zeit der Unternehmensübernahme geprägt von tiefgreifenden Veränderungen, insbesondere durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Materialengpässe, steigende Kosten und die Notwendigkeit, intern Strukturen anzupassen, stellten große Herausforderungen dar.
„Nicht alle Mitarbeiter konnten oder wollten sich mit den neuen Anforderungen und den notwendigen Prozessen anfreunden. Gleichzeitig konnten wir jedoch auch neue Mitarbeiter von außen gewinnen, die sich schnell in die Strukturen oder Anforderungen einfügten und erfolgreich mit den neuen Prozessen arbeiten“, berichtet der Geschäftsführer. „Viele Situationen jedenfalls, auch solche, die hier nicht angerissen werden, sind Topthemen für Unternehmensübernahmen“, sagt Mally. „Wenn die unter dem Dach des Mutes gelöst werden, sind die Zukunftsaussichten gut. Den Mut hatten und haben wir.“ Die Beratungen der IHK Cottbus zum Thema Generationsnachfolge hätten ebenfalls geholfen. „Im Arbeitsalltag haben wir nicht mehr viele Berührungspunkte“, so Mally. „Aber alle, die eine Unternehmensübernahme oder -gründung planen, sollten den Kontakt zur IHK nicht scheuen. Dort hilft man.“
Auf die Frage, ob die se.services innovativ arbeiten würden, kommt ein klares „Ja“.
Mally sagt: „Die se.services GmbH steigt gerade auf hochmoderne und effiziente ERP-Software mit ihren vielen praktischen Modulen um. Künftige Möglichkeiten werden, auch unter Einbeziehung von KI, schon heute gebündelt und geklärt, wie sie zum Einsatz kommen können.“
Hierher gehören auch die Beispiele aus der Praxis, die die se.services GmbH abbildet. Zum Beispiel PV-Anlagen-Projekte oder intelligente und energiesparende Straßenbeleuchtungssysteme, die nur dann hell leuchten, wenn es auf der Straße Bewegung gibt. Oder die Entwicklung, die Partner und Hochschulen in enger Zusammenarbeit mit Schöning für den Bereich der VR-/AR-Technologie und deren Nutzung im Handwerk voranbringen.

Von der Politik wünsche man sich, wie so viele, weniger Auflagen, Bürokratieabbau und mehr gezielte Unterstützung für den Mittelstand.
„Unternehmer und Unternehmerinnen äußern das immer wieder. Schade ist, dass sich gefühlt nichts ändert. Die Unternehmen müssen weiterhin allen täglichen Herausforderungen gerecht werden, zusätzliche Auflagen oder Bürokratien verstehen und sie auf eigene Kosten umsetzen und anwenden.“ Auch wenn das alles nicht einfach ist, „dürfen dadurch Potenziale, Möglichkeiten und der Mut zum Fortschritt, der so wichtig ist, nicht verloren gehen“.

Und wo sieht sich die se.services GmbH 2050?

„Wir werden eine stabile Firma sein, die auf qualitativ hochwertige Dienstleistungen und innovative Lösungen setzt, die immer gebraucht werden. Aber eventuell ist in 25 Jahren auch schon unsere eigene Unternehmensübergabe erfolgt“, verabschiedet sich Phillip Mally lächelnd aus dem Gespräch.
Der Artikel von Heike Schulze/Brandenburg Media erschien im FORUM 4|2025