70 Jahre Industriepark Schwarze Pumpe: Vom Kohlegiganten zum Strukturwandel-Hotspot
Was immer blieb, war der Wille zur Erneuerung
70 Jahre Industrieparks Schwarze Pumpe: Vom Kohlegiganten zum Strukturwandel-Hotspot
1955 erfolgte in der Lausitz der erste Spatenstich für ein industriepolitisches Mammutprojekt: Der Grundstein für das spätere Gaskombinat Schwarze Pumpe wurde gelegt – eine riesige Anlage zur Verarbeitung der heimischen Braunkohle, die Jahrzehnte später nun zur Keimzelle eines der spannendsten Transformationsräume Europas werden soll.
Der Industriepark Schwarze Pumpe, seit Gründungszeiten und bis zur Wende Anfang der 90er Jahre als Gaskombinat Schwarze Pumpe bekannt, könnte fortlaufend als ein Beispiel gelungener, weil nachhaltiger Anpassung an transformatorische Herausforderungen gelten. Das Fazit für die Betreiber klingt schlicht und einfach: Dranbleiben. Geduld bewahren. Die eigene Orientierung nicht verlieren. Die Sache im Vordergrund belassen und verteidigen.
1959 floss die erste Kohle durch die Förderbänder. Was folgte, war eine beispiellose Erfolgsgeschichte industrieller Leistungsfähigkeit: In der Endausbaustufe verfügte das Kombinat über drei Kraftwerke, drei Brikettfabriken, drei Kokereien – und versorgte rund 80 Prozent der DDR mit Stadtgas. Schwarze Pumpe wurde zu einem der zehn ertragreichsten Unternehmen des Landes. Ein Ort, der Arbeit, Versorgungssicherheit und technologische Pionierarbeit in sich vereinte.
Mit der Wende 1989 kam der Bruch – und gleichzeitig die Chance. Der Zugang zu neuen Technologien und internationalen Märkten öffnete neue Horizonte, machte aber auch einen tiefgreifenden Strukturwandel erforderlich. Großanlagen wurden zurückgebaut, ganze Wertschöpfungsketten neu gedacht. Was blieb, war nicht nur der industrielle Kern, sondern auch der Wille zur Erneuerung.
Mit der Wende 1989 kam der Bruch – und gleichzeitig die Chance. Der Zugang zu neuen Technologien und internationalen Märkten öffnete neue Horizonte, machte aber auch einen tiefgreifenden Strukturwandel erforderlich. Großanlagen wurden zurückgebaut, ganze Wertschöpfungsketten neu gedacht. Was blieb, war nicht nur der industrielle Kern, sondern auch der Wille zur Erneuerung.
Vom Kohlegiganten zu Zukunftsbranchen
Mit der Ansiedlung der Papierindustrie im Jahr 2005 begann ein neues Kapitel. Die Gründung des Zweckverbands Industriepark Schwarze Pumpe (ZV ISP) durch die brandenburgische Stadt Spremberg und die sächsische Gemeinde Spreetal markierte den Beginn eines zielgerichteten Strukturaufbaus. Unterstützt von der ASG Spremberg GmbH, Wirtschaftsfördergesellschaft und Infrastrukturbetreiber, wurden seither über 350 Millionen Euro in Straßen, Medienversorgung, Flächenentwicklung und Standortmanagement investiert. Aus dem einstigen Kohlegiganten ist ein moderner, differenziert strukturierter Industriepark geworden – mit klarer Ausrichtung auf Zukunftsbranchen.
Heute beherbergt der ISP über 120 Unternehmen in den Bereichen Energieversorgung, Papierproduktion, Maschinen- und Anlagenbau, Logistik und weiteren Branchen. Und das ist erst der Anfang. Denn der Industriepark steht erneut an einer historischen Schwelle: dem zweiten großen Strukturwandel seiner Geschichte – dem Kohleausstieg.
Heute beherbergt der ISP über 120 Unternehmen in den Bereichen Energieversorgung, Papierproduktion, Maschinen- und Anlagenbau, Logistik und weiteren Branchen. Und das ist erst der Anfang. Denn der Industriepark steht erneut an einer historischen Schwelle: dem zweiten großen Strukturwandel seiner Geschichte – dem Kohleausstieg.
Erfahrung, Innovation, Tradition, Fortschritt
Der Industriepark Schwarze Pumpe ist kein anonymer Raum aus Asphalt und Beton. Er ist gelebte Industriegeschichte, ein Symbol für Wandel – und ein Versprechen auf Perspektive. Hier entstehen Produkte, Technologien und Lösungen, die das Rückgrat einer nachhaltigen Wirtschaft bilden werden. Erfahrung trifft auf Innovation, Tradition auf Fortschritt.
Nach 70 Jahren steht der ISP erneut an einem Wendepunkt. Doch diesmal ist es kein Bruch, sondern ein Aufbruch. Mit dem festen Willen, nicht nur Schritt zu halten mit dem Wandel – sondern ihn aktiv zu gestalten.
Nach 70 Jahren steht der ISP erneut an einem Wendepunkt. Doch diesmal ist es kein Bruch, sondern ein Aufbruch. Mit dem festen Willen, nicht nur Schritt zu halten mit dem Wandel – sondern ihn aktiv zu gestalten.
Wir haben unsere Ziele immer über Umleitungen erreichen müssen
„FORUM“ sprach dazu mit den beiden Geschäftsführern der ASG Spremberg GmbH, Petra Axel (PA) und Roland Peine (RP). Die ASG verantwortet das Management und die Entwicklung des Industrieparks.
Das Geschäftsführer-Duo der ASG Spremberg GmbH, Petra Axel und Roland Peine, verantworten die zukunftsfähige Entwicklung des Standortes. Im Hintergrund das entstehende EBS-Heizkraftwerk (Ersatzbrennstoff‑Kraftwerk) von Hamburger Rieger, welches aus Abfällen Strom und Prozessdampf gewinnt – ein hocheffizientes, umweltschonendes Kraft-Wärme-Kopplungsmodell direkt an der Papierfabrik. Das Kraftwerk trägt Symbolcharakter für die im Industriepark angestrebte Kreislaufwirtschaft.
Frau Axel, Herr Peine, Ihr Engagement prägt den Industriepark. Was bedeutet der Standort Ihnen persönlich?
Roland Peine: Wir sind hier hineingewachsen, haben uns mitentwickelt und sind heute diejenigen, die viel Wissen mitbringen. Wir waren und sind auch in stürmischen Zeiten erfolgreich. Aber gab es jemals Zeiten, in denen es nicht stürmisch war? Momentan ist es wieder mehr als stürmisch, und mehr, als uns lieb ist. Aber unsere Vorgänger haben die richtigen Weichen gestellt. Es wurde beizeiten erkannt, nicht nur auf Kohle zu setzen, sondern schon die Etablierung anderer Wertschöpfungsketten zu initiieren. Das sichert uns heute den Erfolg.
Petra Axel: Unabhängig von nur einer Branche zu sein, war immer unser Markenzeichen. Der erste ASG-Geschäftsführer Manfred Hänel hat mal gesagt: „Wir müssen ein großer Gemischtwarenladen sein.“ Nach dieser Devise arbeiten wir, das hat uns durch alle Zeiten relativ stabil getragen.
Schwarze Pumpe ist nicht nur einfach ein Wirtschaftsstandort. Er gilt mittlerweile als Hotspot des Strukturwandels in der Lausitz. Sie tragen mittlerweile eine Verantwortung, die mehr in sich birgt, als es zu Beginn Ihrer Laufbahn in der ASG schien.
Roland Peine: Natürlich ist das eine große Verantwortung, der sich die ASG stellt. Wir haben eine strategische Aufgabe für die ganze Region – wir nehmen diese Herausforderung an!
Petra Axel: Wir sind ein länderübergreifender Industriepark, das ist einmalig in Deutschland. Wir tragen die Verantwortung gegenüber den Kommunen, den ansässigen Unternehmen und nicht zuletzt unseren aktuell 86 Mitarbeitern.
Wenn Sie an die Tradition denken – was bedeutet die 70-jährige Geschichte des Standortes für Sie?
Roland Peine: Die 70 Jahre haben der Region Wohlstand gebracht. Aus dem einstigen Kohlestandort wurde ein innovativer Industriestandort. Natürlich wurde hier früher Raubbau betrieben, das ist nicht zu verleugnen. Wo früher Humus war, liegt heute Kippensand, und der Grundwasserpegel wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen. Aber es war auch eine enorme Aufbauleistung. Schon zu DDR-Zeiten hat dieser Standort einen Großteil des Landes versorgt. Unsere heutige Aufgabe ist es, neue Unternehmen anzusiedeln und durch gut bezahlte Industriearbeitsplätze den Wohlstand der Region zu sichern. Und: Wo sich Industrie ansiedelt, hat auch der Mittelstand sein Auskommen.
Warum steht der Industriepark heute besser da als andere ehemalige Industriestandorte in Ostdeutschland?
Roland Peine: Der Startpunkt war 2003 mit der Ansiedlung der Papierfabrik Hamburger Containerboard. Da musste die Infrastruktur völlig neu aufgestellt werden. Das hat ein Entwicklungspotenzial angezeigt, was glücklicherweise auch erkannt wurde. Das war kein Selbstläufer. Das Agieren des Investors Papierfabrik war dabei bemerkenswert: Solide, seriös und zuverlässig!
Petra Axel: In die Erneuerung der Infrastruktur wurde bereits Anfang 2000 investiert. Das war vorausschauend, aber dabei auch mutig. Denn die ersten Investitionen erfolgten zu Zeiten, wo wenige in den neuen Bundesländern daran glaubten, dass es nochmal wirtschaftlich aufwärts gehen könnte. Die Zeiten des massenhaften Wegzuges scheinen vergessen. Jetzt geht es darum, Menschen zum Rückzug zu überzeugen. Die Situation hat sich komplett gedreht! Das geht nur mit attraktiven Industriearbeitsplätzen.
Der Industriepark ist geteilt durch Gebiete in Sachsen und Brandenburg. Die Landesgrenze durchschneidet das Areal. Hat das Vor- oder Nachteile?
Roland Peine: Beides. Vorteil: Wir haben hier zwei Länder und dadurch auch zwei Förderkulissen. Nachteil: Es ist eine Herausforderung, die Regelungen hinsichtlich von Genehmigungsverfahren, länderbezogenen Förderansätze, Bauleitplanung etc. zu beachten. Im Brandenburger Teil gibt es zum Beispiel 30 Prozent GRW-Förderung, im sächsischen nur 20 Prozent. Unsere Stärke ist, dass wir das Gesamtbild kennen. Wir machen aus zwei Geschäftsmodellen ein funktionierendes Konzept.
Petra Axel: Trotz der Komplexität haben wir mit beiden Ländern eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt – mit den Ministerien, den Förderbanken und den Verwaltungen. Gerade bei der Erarbeitung von Studien und Konzepten ist es wichtig, immer für den gesamten Standort zu planen und nicht an der Landesgrenze aufzuhören.
Die Entwicklung des Industrieparks profitiert vom Strukturwandel. Könnte er ohne bestehen?
Roland Peine: Nein. Mit der Entscheidung zum Kohleausstieg war klar: Wir müssen uns neu aufstellen – mit Beginn des Strukturwandels. Ohne diese Transformation wird es nicht gehen.
Petra Axel: Kohleausstieg ohne Strukturwandel geht nicht. Die Weichen sind gestellt, wir müssen uns dieser Herausforderung stellen und gemeinsam voran gehen.
Wenn alles gut läuft – was ist Ihre Vision? Wo steht Schwarze Pumpe bis 2038?
Petra Axel: Unsere neu erschlossenen Flächen werden alle besiedelt sind. Wir sind aktuell und andauernd in Gesprächen mit Unternehmen, die verbindliche Anfragen gestellt haben. Meine Vision ist, dass der Industriepark 2038 mit seiner Erweiterung komplett ausgelastet ist.
Roland Peine: 2038 ist uns die Transformation gelungen. Wir werden grünen Wasserstoff als Energieträger nutzen, grünes Kerosin und moderne Batterien produzieren. Die Innovationsfähigkeit wird auf ein neues Level gehoben sein. Wir arbeiten an Forschungseinrichtungen auf der sächsischen Seite und wollen auch mehr Forschung nach Brandenburg holen. Das wird der nächste Entwicklungsschritt.
Was brauchen Sie dafür – und was hemmt Sie?
Roland Peine: Wir brauchen den Anschluss ans Wasserstoff-Kernnetz und Verbindlichkeiten auf allen Ebenen – Bund, Länder, Landkreise. Ohne klare Rahmenbedingungen funktioniert es nicht. Was uns bremst, ist der extreme bürokratische Aufwand. Jeder Cent wird mehrfach überprüft, Entscheidungen dauern nicht selten 2 Jahre.
Petra Axel: Die Förderregularien sind komplex. Aber wir sind auf einem guten Weg. In Sachsen wurden inzwischen Zuwendungsbescheide für die südliche Erweiterung des Industrieparks in Millionenhöhe erteilt. Auch die Brandenburger Fördermittelgeber stehen positiv zum Strukturwandel im Industriepark. Wir haben uns gemeinsam mit den Ländern durch viele Hürden gearbeitet.
Worauf sind Sie persönlich stolz?
Petra Axel: Ich bin stolz, dass es gelungen ist, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen und gebunden zu haben. Nur mit einem motivierten, kompetenten Team sind alle Herausforderungen zu meistern. Deshalb bin ich auch stolz auf unsere Leute. Jeden Tag wird hier großartige Arbeit geleistet; auch bei der alltäglichen Betriebsführung, die politikunabhängig verlässlich sein muss, weil sonst der Industriepark stillstehen würde.
Roland Peine: Wir sind immer mit den Aufgaben gewachsen. Wir haben nie aufgegeben, nach Rückschlägen sind wir wieder aufgestanden. Auch heute, wo vieles schwieriger ist als je zuvor, laufen unsere Projekte weiter. Nichts wird abgesagt. Im Gegenteil: Es geht uns nicht schnell genug – aber wir bleiben dran. Und - wir sind mehr als einmal in Vorleistung gegangen, haben nicht nachfrage-, sondern angebotsorientiert agiert – und jedes unserer Angebote wurde von der Industrie dankend angenommen. Wir haben unsere Ziele nie auf dem direkten Weg erreicht, mussten immer Umleitungen nehmen. Aber insbesondere auch die Fördermittelgeber waren in Umleitungen finden meisterhaft.
Zur Person:
Roland Peine, Bauingenieur, begann 2003 bei der ASG Spremberg als Bauleiter. 2016 wurde er zum Technischen Geschäftsführer der ASG bestellt. Darüber hinaus engagiert er sich als Vizepräsident des Unternehmerverbandes Berlin-Brandenburg.
Petra Axel, Verwaltungsfachangestellte, gehört seit der Gründung der ASG im Mai 1992 als kaufmännische Sachbearbeiterin zum Team. 2010 erhielt sie die Einzelprokura, bevor sie am 1. Februar 2017 zur Kaufmännischen Geschäftsführerin der ASG Spremberg und gleichzeitig zur Geschäftsführerin des Zweckverbandes Industriepark Schwarze Pumpe bestellt wurde.
Dieser Text ist im Brandenburger Magazin FORUM 09/2025 erschienen.