Koalitionsvertrag

Positive Signale für die Wirtschaft, aber kein Befreiungsschlag
Der von Union und SPD vorgelegte Koalitionsvertrag lässt leider den erhofften wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag durch tiefgreifende Strukturreformen vermissen. „Es hätte deutlich mehr Impulse und Anreize für Investitionen, Innovationen und Produktivität gebraucht, um einen echten wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen. Aber man hat sich immerhin recht zügig auf einige Maßnahmen geeinigt, die – wenn auch teilweise spät – in die richtige Richtung gehen.“ So lautet das Resümee von Dr. Andreas Engel, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Coburg.

Zu begrüßen sind aus Sicht des IHK-Präsidenten die angekündigte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren als erste Schritte zur Bürokratieentlastung, die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes und die bürokratiearme Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie, das Moratorium für alle neuen Statistikpflichten, konkrete Festlegungen zur Digitalisierung der Verwaltung, der Einstieg in die Unternehmenssteuerreform sowie die Absenkung des Strompreises durch Reduzierung der Stromsteuer auf EU-Mindestmaß, Einführung eines subventionierten Industriestrompreises für energieintensive Betriebe und Absenkung der Netzentgelte auf den Strompreis. Überfällig ist die vereinbarte Einrichtung eines ,One-Stop-Shop‘ für Gründer, also eine digitale Anlaufstelle zur Erledigung aller notwendigen Formalitäten innerhalb von 24 Stunden. Die Förderung der E-Mobilität ist ein weiteres gutes Signal für unsere Automotive-Industrie.

Auch wenn das einige positive Punkte sind, gilt es doch, genau hinzusehen:
  • So besteht das Risiko, dass der riesige Zuwachs an Schulden vor allem zu Verschwendung und Inflation führt – wenn nicht zügig strukturelle Reformen umgesetzt werden.
  • Die zu begrüßende Möglichkeit der degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen setzt voraus, dass die Unternehmen überhaupt die finanziellen Spielräume für Investitionen haben. Und mit Blick auf aktuelle Entwicklungen, die eher auf Abwanderung weiter Teile der deutschen Wirtschaft hindeuten, bleibt zu hoffen, dass es tatsächlich expansionswillige Unternehmen gibt, für die der geplante „Deutschlandfonds“ Eigenkapitalspritzen und Kredite zur Unterstützung vorsieht.
  • Zu zaghaft ist die Absenkung der steuerlichen Belastung: So soll erst ab 2028 die Körperschaftssteuer sinken und auch nur um einen Prozentpunkt jährlich, Zielmarke sind zehn Prozent. Am Ende läge die Gesamtbelastung für unsere Unternehmen unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer bei 25 Prozent gegenüber heute 30 Prozent. Entlastung bei der Einkommensteuer kommt leider nur für Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen.
Mit „Verantwortung für Deutschland“ ist der von Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag überschrieben. „Bei diesem Titel kam mir unwillkürlich das berühmte Zitat von Molière in den Sinn“, sagt IHK-Präsident Dr. Andreas Engel. Der französische Dichter formulierte im 17. Jahrhundert die unvergängliche Erkenntnis „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Mit Blick auf den Koalitionsvertrag heißt das: Die künftigen Regierungsparteien haben zwar viele richtige Maßnahmen vereinbart, doch leider werden weiterhin wichtige Themen ungelöst in die Zukunft geschoben, denn es gibt: keine Rentenreform, keine Reduktion der Lohnnebenkosten, keine grundlegende Unternehmenssteuerreform und keine Abschaffung des Soli, wie von der Wirtschaft schon länger angemahnt. „Der schnelle Abschluss der Koalitionsverhandlungen durch die Politik bringt Planungssicherheit und erste positive Signale für die Wirtschaft. In gemeinsamer Verantwortung für unser Land gilt es nun, schnell in die Umsetzung zu kommen und das Beste aus den vereinbarten Maßnahmen zu machen“, so Dr. Engel abschließend.