Cristalli‘s – Prämierter Schinken aus antiken Kellern
Schinken ist eben nicht gleich Schinken. Wer wollte das je bezweifelt haben? Und mag der vakuumverpackte Osnabrücker Friedensschinken (den gibt es tatsächlich!) noch so lammfromm daherkommen: im Wettstreit um ausgeprägten Geschmack und feinwürziges Aroma hat er gegenüber seinem Kollegen aus der Frischetheke das Nachsehen. Nun ist Frischetheke auch nicht gleich Frischetheke. Im Cristalli‘s in Braunschweigs Schloss-Arkaden wird der berühmte Prosciutto di Parma DOP mit derart viel Leidenschaft und Fachkompetenz feilgeboten, aufgeschnitten und gepflegt, dass das Consorzio del Prosciutto di Parma Christian Cristalli nun schon seit mehr als zehn Jahren in Folge als Parmaschinken-Spezialist auszeichnet. Ein beurkundeter Ritterschlag. Und ein Qualitätsausweis.
Christian Cristalli betreibt seinen italienischen Feinkostladen in den Braunschweiger Schloss-Arkaden seit fast 20 Jahren.
2007 ist Cristalli aus dem Magniviertel, wo er gemeinsam mit Anikó Cristalli drei Jahre zuvor das Geschäft für italienische Lebensart eröffnet hatte, in die Schloss-Arkaden umgezogen. Eine Entscheidung, die er auch knapp 20 Jahre später nicht bereut. Das Magniviertel sei wunderschön, ohne Frage, aber im Schloss „sind wir sichtbarer, der Erstkontakt ist unkomplizierter möglich, wir liegen deutlich zentraler“. Und ein Parkhaus hat‘s auch noch.
Italienische Lebensart – der Name ist Programm
Als er die Verhandlungen um den Standort führte, hatten sich die hochkochenden Emotionen zwischen Schlossverfechtern und jenen, die das Schloss nur als Vorhängeschloss vor einem Einkaufstempel abstempelten, noch immer nicht beruhigt. Cristalli entschied sich nur anhand von Bauplänen und Modellen für seinen Standort. Er ist immer noch glücklich über seine Wahl. Das Geschäft hat einen trichterförmigen Grundriss, bietet viel Einsicht für die Kundschaft, wirkt offen, geräumig, einladend.
Das Consorzio del Prosciutto di Parma zeichnet Christian Cristalli seit mehr als zehn Jahren in Folge als Parmaschinken-Spezialist aus.
Der einprägsame Zusatz „Italienische Lebensart“ gesellt sich zum vollständigen Firmenschriftzug über der Verkaufsfläche – und dieser ist Programm: geliefert wird von Erzeugern aus Italien. Bevor wir uns jetzt allzu sehr in der Vielfalt der Schinken- und Wurstspezialitäten verzetteln, dabei den Käse nicht vergessen und die Antipasti, reden wir noch mal über den Champion in der Theke, den vom Consorzio geadelten Prosciutto di Parma DOP. Das EU-Siegel Denominazione di origine protetta kennzeichnet Lebensmittel, die aus einer ganz bestimmten Region kommen und nach traditionellen Verfahren hergestellt werden. „Ganz wichtig ist auch der Reifeprozess des Schinkens“, sagt Cristalli. Der Gran Riserva reift bis zu 24 Monate in antiken Kellern rund um die Stadt Parma, für diese außergewöhnlich lange Reifezeit müssen die Keulen eine bestimmte Größe haben, „damit nichts austrocknet“. Regelmäßige Kontrollen und langjährige Erfahrung der Produzenten sind daher unerlässlich.
Die Wertschätzung und das Vertrauen in die Qualität unserer Lebensmittel waren immer da.Christian Cristalli
Produkt der Käserei Carozzi wird von Hand gepflegt
Cristalli kennt die Menschen, von denen er seine Produkte geliefert bekommt. Manche sind von Anfang an dabei. Zum Beispiel die Familie Carozzi, die ihre Käserei schon seit mehr als 60 Jahren nahe des Comer Sees betreibt. Cristalli ist begeistert von deren Leidenschaft: „Da ist noch unglaublich viel Handarbeit dabei.“ Ein Beispiel: So müsse der Käse während der Reifung jeden Tag aus der Lake genommen, gebürstet und gedreht werden. Für diese Pflege des Produkts sind allein zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. Apropos: Im Cristalli‘s arbeiten acht Frauen und Männer, allesamt in Vollzeit im Zweischichtensystem. Geöffnet ist täglich, 80 Prozent sei Stammkundschaft, schätzt der 51-Jährige. Vor den Weihnachtsfeiertagen ist die Schlange manchmal so lang, dass man wie beim Check-in am Flughafen ordnend mit Absperrungen regulieren könnte. Aber das war bisher noch nicht nötig, irgendwie regelt sich das dann im freundlich-festtagsvorfreudig gestimmten Miteinander.
Neben Schinken, Wurst und Käse werden auch andere Produkte in der Auslage feilgeboten.
Außerdem kann man ja beim Schlangestehen so schön die Auslage im Tresen betrachten – übrigens „der Porsche unter den Tresen“. Vom Preis her eh, aber auch, weil er ein ausgeklügeltes Kühlungssystem hat, wo nichts schnell austrocknet. Man kann dann schon mal überlegen, ob man eine piemontesische Salami wählt oder doch lieber eine Mortadella. Als Original-Mortadella kommt sie selbstverständlich aus der Gegend um Bologna. Ihr Aroma sei, sofern frisch aufgeschnitten, einfach unvergleichlich. „Meine Oma hat Mortadella immer nur so eingekauft, dass die Portion noch am gleichen Tag gegessen wurde.“
Vor der Selbstständigkeit lagen zwölf Stationen in der Hotellerie
Überhaupt die Großeltern. Bei ihnen in Apulien hat er viele Sommer seiner Kindheit verbracht. Dort stand seine Wiege, als 3-Jähriger kam er mit den Eltern nach Bad Gandersheim. Die Eltern arbeiteten in der Gastronomie, nach seinem Abitur begann sein beruflicher Werdegang in der Hotellerie. Nach zwölf Stationen war Cristalli zuletzt Hoteldirektor im Braunschweiger Mercure. Etwas Eigenes zu machen – damit hatte er schon immer geliebäugelt. Nun betreibt er im Schloss eines der wenigen inhabergeführten Geschäfte. Das macht wohl auch den Bella-Italia-Charme des Ladens aus.
Das inhabergeführte Geschäft ist vielen Besuchenden aus Braunschweig und der Region ein Begriff und bietet neben Schinken und Wurst auch verschiedene Käsesorten an.
Wie aufs Stichwort mischt sich kurz ein Gast aus dem Bistrobereich ein. Er kommt eigens aus Wolfenbüttel, feiert heute mit seiner Frau den mittlerweile vierunddreißigsten Kennenlerntag. „Extrem toll hier, die gemischte Platte kann ich nur empfehlen“, sagt er uns mit offenkundig kulinarischer Versiertheit. 20 Plätze bietet der von Weinregalen umspielte Bistrobereich, am Wochenende genießen auch schon mal bis zu 40 Personen die Crostini Tricolori oder Antipasti di Verdure aus der kleinen Bistrokarte. 25 Prozent des Umsatzes gehen auf Bistro und Catering. Die Theke bringt den Hauptumsatz.
Kinder waren mit ihren Pausenbroten Schulhof-Stars
Cristallis Tochter macht gerade ihren Master in Informatik, der Sohn wird Physiotherapeut. Mit ihren exquisit belegten Pausenbroten waren sie „die Stars auf dem Schulhof“, aber ihr Vater ist doch froh, dass sie nicht den Weg in die Selbstständigkeit gewählt haben. Er liebt und lebt seinen Job – zweifellos. Aber zum Ladenschluss um 20 Uhr ist lange nicht Schluss, dann muss alles eingepackt, gereinigt werden, „denn unsere hochwertigen Produkte wollen gepflegt sein“.
Wenn er zurückblickt: Was hat sich verändert im Kundenverhalten im Laufe der Jahre? Da muss er nicht lange nachdenken: „Die Wertschätzung und das Vertrauen in die Qualität unserer Lebensmittel waren immer da.“ Die Leute seien mit den Jahren interessierter und informierter geworden. Und das meint jetzt nicht, dass den Menschen erstmal das Einmaleins der Wurst verklickert werden musste, dass nämlich die dem Kleinkind im Supermarkt über den Fleischtresen gereichte Mortadellascheibe mit il originale nichts zu tun hat. Soweit waren wir in Braunschweig auch schon. Aber Hand aufs Herz: Wussten Sie, dass man Original Spaghetti Carbonara mit Guanciale zubereitet? Wenn ja: Hut ab! Ich dachte immer mit Pancetta sei ich schon auf der originalen Seite. Aber der feine Unterschied ist eben: Guanciale ist Schweinebacke, Pancetta Schweinebauch.
Wenn er zurückblickt: Was hat sich verändert im Kundenverhalten im Laufe der Jahre? Da muss er nicht lange nachdenken: „Die Wertschätzung und das Vertrauen in die Qualität unserer Lebensmittel waren immer da.“ Die Leute seien mit den Jahren interessierter und informierter geworden. Und das meint jetzt nicht, dass den Menschen erstmal das Einmaleins der Wurst verklickert werden musste, dass nämlich die dem Kleinkind im Supermarkt über den Fleischtresen gereichte Mortadellascheibe mit il originale nichts zu tun hat. Soweit waren wir in Braunschweig auch schon. Aber Hand aufs Herz: Wussten Sie, dass man Original Spaghetti Carbonara mit Guanciale zubereitet? Wenn ja: Hut ab! Ich dachte immer mit Pancetta sei ich schon auf der originalen Seite. Aber der feine Unterschied ist eben: Guanciale ist Schweinebacke, Pancetta Schweinebauch.
Cristalli kocht, wenn er denn Zeit hat, wie auch anders, gern italienisch. Leibspeise: Parmigiana; ein Auflauf aus gebackenen Auberginenscheiben, Tomatensugo und Mozzarella oder Parmesan. Eben italienische Lebensart vom Köstlichsten!
suja
8/2025
