Positionspapier Freizeit- und Tourismuswirtschaft

Die Freizeit- und Tourismuswirtschaft ist für das Land Baden-Württemberg, die Region Bodensee-Oberschwaben und das angrenzende Allgäu ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Tourismusbranche, allen voran das Gastgewerbe, garantiert standortsichere und wohnortnahe Arbeits- und Ausbildungsplätze. Außerdem erhöhen die Freizeitangebote die Lebensqualität. In der Vollversammlung am 25. Oktober 2023 hat die IHK Bodensee-Oberschwaben das Positionspapier Freizeit- und Tourismuswirtschaft als Grundlage ihrer wirtschaftspolitischen Arbeit beschlossen. 

Wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor, Stand Oktober 2023

Der Tourismus ist für das Land Baden-Württemberg, die Destination Bodensee, das angrenzende württembergische Allgäu sowie das Reisegebiet Oberschwaben ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vom Tourismus profitieren nicht nur die Freizeit- und Tourismusbranche, sondern auch Betriebe im Einzelhandel oder Dienstleistungssektor. Zudem profitieren Gastronomen und Beherbergungsbetriebe in den Innenstädten, denn durch die Symbiose dieser Anbieter wird die Attraktivität der Innenstädte für Tagesgäste, Urlauber und Einheimische erst erlebbar. In ländlichen Regionen können durch den Tourismus außerdem Verkehrsinfrastrukturen und Nahversorgungsangebote aufrechterhalten und erweitert werden. 
Mit der Ansiedlung des Center Parcs Allgäu nahe Leutkirch im Jahr 2018 hat sich ein touristisches Schwergewicht etabliert, das seitdem jedes Jahr circa 350.000 Gäste mit rund 1,3 Millionen Übernachtungen generiert. Der Center Parcs Allgäu ist ein touristischer Magnet von dem viele regionale Betriebe profitieren, denn ein Großteil der Gäste erkundet während des Aufenthalts die attraktiven und vielseitigen Landschaften in einem Umkreis von circa bis zu 80 Kilometer. Durch diese Ausflüge profitieren viele gastronomische Betriebe, zahlreiche Freizeiteinrichtungen, Museen aber auch der Einzelhandel und Dienstleistungsbetriebe. 
Die Tourismusbranche, allen voran das Gastgewerbe, garantiert standortsichere und wohnortnahe Arbeits- und Ausbildungsplätze. Außerdem erhöhen die Freizeitangebote die Lebensqualität. Dies kommt auch der einheimischen Bevölkerung zu Gute und kann sehr hilfreich bei der Anwerbung von Arbeits- und Fachkräften sein. 
Die IHK Bodensee-Oberschwaben befürwortet, die finanzielle Förderung der Freizeit und Tourismuswirtschaft durch die Landesregierung. Die finanzielle Tourismusförderung der Unternehmen aber auch der Kommunen wird nachfolgend erläutert:

1. Effiziente touristische Strukturen und Kooperationen

Der Erfolg des Tourismus in unserer Region   hängt unter anderem von leistungsstarken Tourismus- und Vermarktungsorganisationen ab. In der Region Bodensee-Oberschwaben sind folgende Organisationen für die Bewerbung und Vermarktung zuständig: (a) Die Internationale Bodensee Tourismus GmbH (IBT), Konstanz, vermarktet den internationalen Bodensee in den relevanten europäischen Märkten. (b) Die Deutsche Bodensee Tourismus GmbH (DBT), Friedrichshafen, hat den Auftrag das deutsche Bodenseeufer zu vermarkten und touristische Strategien zu entwickeln. So hat die DBT GmbH die Echt-Bodensee-Card etabliert, mit der Urlauber unter anderem den regionalen ÖPNV kostenfrei nutzen können. (c) Die Oberschwaben Tourismus GmbH, Bad Schussenried, ist für das Reisegebiet Oberschwaben und das württembergische Allgäu im deutschsprachigen Raum zuständig. Durch den Zusammenschluss der Tourist-Informationen der Städte und Gemeinden mit Unternehmen werden zudem gemeinsam touristische Produkte entwickelt. 
Durch eine gute Zusammenarbeit zwischen den Tourismus Organisationen und den Beherbergungsbetrieben und Gastronomen werden neue Projekte angestoßen und Synergieeffekte erzielt. Dadurch können unter anderem die knappen finanziellen Marketingmittel gebündelt werden. Für die erfolgreiche Weiterentwicklung und Vermarktung der Destination braucht es außerdem eine überregionale Strategie. Diese darf sich nicht an Städten oder Landkreisgrenzen ausrichten, sondern muss die Stärken der jeweiligen Destination klar herausarbeiten. 
Die IHK Bodensee-Oberschwaben unterstützt die touristischen Organisationen sowie die Unternehmen in diesem Wirtschaftszweig auf vielfältige Weise. Unter anderem führt sie die Geschäftsstelle des Verbandes der Tourismuswirtschaft (VTWB) e.V. Der VTWB ist ein Zusammenschluss, in dem sich die touristischen Leistungsträger der Freizeitwirtschaft rund um den Bodensee organisieren. Mitglied sind zum Beispiel die Insel Mainau, alle Schiffsbetriebe rund um den See, die Pfänder- sowie Säntisbahn, Schloss Salem, das Ravensburger Spieleland, der Affenberg, Pfahlbauten Museum und viele andere.  

2. Arbeits- und Fachkräftemangel verfestigt sich 

Tourismus ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern aufgrund der hohen Arbeitsintensität ebenso ein Beschäftigungsmotor, der insbesondere im ländlichen Raum standortgebundene Arbeitsplätze schafft. Der demographische Wandel sowie der Fachkräftemangel machen es immer problematischer, offene Stellen adäquat zu besetzen. In Folge der Corona-Pandemie haben schätzungsweise 30 Prozent der Beschäftigten die Tourismusbranche verlassen. 
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung haben viele Ausbildungsbetriebe ihre Bemühungen verstärkt mit Hilfe der dualen Berufsausbildung ihren eigenen Fachkräftenachwuchs zu schaffen. Leider übersteigt die Anzahl der freien Lehrstellen deutlich die Bewerbernachfrage. Durch Intensivierung ihrer landesweiten Ausbildungskampagne unterstützen die IHKs die Betriebe bei der Nachwuchswerbung. 
Zusätzlich zur Qualität der Ausbildung muss in der arbeitsintensiven Freizeit- und Tourismuswirtschaft die Beschäftigung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland vereinfacht werden. Deshalb haben sich die IHKs unter anderem für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung ausgesprochen und haben weitere Vorschläge bezüglich der noch ausstehenden Ausführungsbestimmungen gemacht.  

 3. Bürokratieabbau – Mehr Markt und weniger Regulierung im Tourismus

Die Tourismusbranche ist geprägt von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die serviceorientierte Branche ist durch eine Vielzahl von bürokratischen Vorschriften und
Dokumentationspflichten belastet. Unternehmen in der dynamischen Freizeit- und Tourismuswirtschaft müssen ihr Geschäftsmodell kontinuierlich überprüfen, um den Erwartungen und Wünschen der Kunden gerecht zu werden. Gleichzeitig müssen sich die inhabergeführten Betriebe in der Hotellerie und Gastronomie vor allem auf die serviceorientierte Arbeit mit den Gästen konzentrieren. Die bürokratischen Belastungen müssen deshalb auf ein notwendiges und im Tagesgeschäft handhabbares Maß reduziert werden.
Aktuell klagen mehr KMU denn je über ein Übermaß an Bestimmungen und bürokratischen Hemmnissen. Es ist daher unerlässlich, verlässliche Rahmenbedingungen für die Betriebe zu schaffen und bei den Dokumentationspflichten und Kontrollen einen Verbraucherschutz mit Augenmaß zu gewährleisten. Die IHK spricht sich dafür aus, dass das Prinzip in der Gesetzgebung „One in, one out“ das heißt. für jede neue Regelung soll eine andere Regelung entfallen, wieder der Anspruch der Legislative wird. Bei Gesetzgebungsverfahren auf EU-, Bundes- und Landesebene muss wieder stärker darauf geachtet werden, dass die neuen gesetzlichen Regelungen auch von kleinen mittelständischen Unternehmen umgesetzt werden können.
Wichtig ist darüber hinaus, dass nationale Gesetzesvorgaben nicht über die Zielsetzungen der europäischen Vorgaben hinausgehen. Außerdem gilt es zu prüfen, inwiefern bürokratische Informations- und Dokumentationspflichten durch digitale Lösungen vereinfacht oder sogar abgeschafft werden können. Ein Schritt in diese richtige Richtung war bspw. die Einführung des digitalen Meldescheins.

4. Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen

Steuerpolitik ist ein wichtiger Ansatzpunkt um die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Betriebe in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft zu stärken. Dies betrifft vor allem die vielen kleinen und mittleren Unternehmen dieser Branche. Begrenzte personelle Kapazitäten machen es den Unternehmen besonders schwer alle relevanten Steuergesetze und Vorschriften im Auge zu behalten. Die Komplexität und Vielfalt der zu beachtenden Regeln ist enorm. All dies führt zu Rechtsunsicherheiten sowie zu erheblichen administrativen und finanziellen Belastungen. Zudem schwächen leistungsfeindliche Steuerregeln die Innovations- und Investitionskraft der Unternehmen. 
Die aktuelle Diskussion über die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von 7 Prozent auf 19 Prozent das heißt die Rückkehr der Besteuerung, die vor der Corona-Pandemie gegolten hat, zeigt die Ungereimtheiten des Mehrwertsteuersystems. Essen zum Mitnehmen, zum Teil im Supermarkt oder per Essenslieferung wird mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt, während ein Gastronom seinen Gästen zukünftig wieder 19 Prozent berechnen soll. 
Die IHKs sprechen sich grundsätzlich für breit angelegte und einheitlich niedrige Steuersätze für alle Wirtschaftszweige aus. Hierzu gehört    auch die Bereinigung der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze für den Verkauf von Speisen in der Gastronomie (19 Prozent) und in Ladenlokalen oder Imbissständen (7 Prozent). Da aktuell nicht mit einer grundlegenden Bereinigung des Mehrwertsteuersystems zu rechnen ist und vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der gastronomischen Betriebe mit der hohen Inflation, dem Fachkräftemangel und hohen der Energiepreisen konfrontiert sind, hält die IHK Bodensee-Oberschwaben die Beibehaltung des  reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Speisen im Gastronomiebereich über das Jahr 2023 hinaus für zumindest 24 Monate gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Planungssicherheit der Unternehmen und die rechtzeitige Umsetzung in den EDV-Systemen, sollte eine Entscheidung zeitnah zu erfolgen.

5. Digitalisierung im Tourismus – innovativer Wachstumstreiber für die Branche

Online-Reiseagenturen und Touristikwebpages mit Erfahrungsberichten verändert die Reisewelt. Digitale Prozesse lösen alte Geschäftsmodelle ab und brechen Strukturen beim Buchungs- und Konsumverhalten auf. Darüber hinaus schaffen Gästekarten zusätzliche Anreize für den Besuch bestimmter Attraktionen. Mit Hilfe der durch die Karten gewonnenen Daten können zum Beispiel Gästeströme je nach Nachfrage oder Wetterlage gelenkt werden und multidimensionale Formen des Marketings sind möglich.
Jedoch stellen die neuen digitalen Möglichkeiten kleine und mittelständische Tourismusunternehmen als auch die zuständigen Destinationsmanagement-Organisationen und Tourismusinformationen vor große Herausforderungen, da sie häufig nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen oder das notwendige Know-how verfügen. Zudem stoßen Betriebe im ländlichen Raum auf besondere Schwierigkeiten bei der Digitalisierung, da dort die Versorgung mit schnellem Internet teilweise noch unbefriedigend ist. Damit die Möglichkeiten der Digitalisierung in der gesamten Region Bodensee-Oberschwaben voll ausgeschöpft werden können, bedarf es einer flächendeckenden Versorgung mit schnellem Glasfaser- und Mobilen-Internet. Da sich viele touristische Attraktionen in ländlich geprägten Gebieten befinden, ist es für die Tourismusbranche zudem wichtig, dass weiterhin bestehende Versorgungsunterschiede zwischen „Stadt“ und „Land“ ausgeglichen werden. Die IHK Bodensee-Oberschwaben spricht sich demzufolge für den schnellen Glasfaser- und Mobilfunkausbau aus. 

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