Aufbewahrungsfristen nach den handelsrechtlichen Bestimmungen

Jeder Gewerbetreibende ist verpflichtet, geschäftliche Unterlagen über einen bestimmten Zeitraum aufzubewahren. Grundsätzlich richten sich die Aufbewahrungsfristen nach dem Steuerrecht und dem Handelsrecht. Im Bereich des Steuerrechts kommt dafür die Abgabenordnung (AO) in Betracht, im Bereich des Handelsrechts hält das Handelsgesetzbuch (HGB) die entsprechenden Bestimmungen für Kaufleute vor. Die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften stimmen großenteils überein. Es gibt aber auch Aufbewahrungsfristen aus anderen Rechtsgebieten, so zum Beispiel aus dem Arbeitsrecht, dem Sozialversicherungsrecht oder dem Produkthaftungsgesetz. Im folgenden wird insbesondere auf die Aufbewahrungspflichten nach dem Handelsrecht eingegangen.

Wer muss die Aufbewahrungsfristen beachten?

Nach § 257 Handelsgesetzbuch ist jeder Kaufmann zur Aufbewahrung verpflichtet. Nach der Definition in § 1 Handelsgesetzbuch gilt als Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Den Aufbewahrungsvorschriften unterliegen daher die vollkaufmännischen Unternehmen. Die gängigsten Rechtsformen sind zum Beispiel
  • der/die eingetragene/r Kaufmann/-frau
  • OHG
  • KG und GmbH & Co. KG beziehungsweise UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG
  • GmbH und UG (haftungsbeschränkt)
  • AG
  • eingetragene Genossenschaft
Die Aufbewahrungspflicht bezieht sich auf den einzelnen Betrieb, auch wenn mehrere Personen an dem Unternehmen beteiligt sind. Die Verantwortung liegt beim jeweiligen Inhaber der Einzelfirma, bei den persönlich haftenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft und bei den zuständigen Organen einer Kapitalgesellschaft.

Was ist aufzubewahren?

Die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen von Kaufleuten sind in § 257 Handelsgesetzbuch aufgelistet. Nach § 257 Absatz 1 Handelsgesetzbuch sind folgende Unterlagen geordnet aufzubewahren:
  • Handelsbücher
  • Inventare
  • Eröffnungsbilanzen
  • Jahresabschlüsse
  • die zum Verständnis dieser Unterlagen erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
  • empfangene Handels- und Geschäftsbriefe
  • Wiedergaben der abgesandten Handels- und Geschäftsbriefe
  • Buchungsbelege
Problematisch ist in der Praxis die richtige Einordnung der Unterlagen. So ist zum Beispiel nicht jeder Brief ist ein Geschäftsbrief und nicht jeder Beleg ein Buchungsbeleg.

Was ist was?

Zu den Handelsbüchern gehören Grund-, Haupt- und Nebenbücher. Im Grundbuch (Journal) sind die Geschäftsvorfälle chronologisch aufgeführt. Das Hauptbuch orientiert sich nach sachlichen Kriterien. Nebenbücher lagern bestimmte Einzelinformationen aus dem Hauptbuch aus. Sie dienen der Entlastung und Übersichtlichkeit des Hauptbuches.
Inventare sind Aufzeichnungen über die körperliche und wertmäßige Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden. Je nach Art und angewandtem Verfahren müssen zusätzlich Inventuranweisungen, Verfahrensbeschreibungen oder ähnliche Aufzeichnungen aufbewahrt werden.
Eröffnungsbilanzen sind Bilanzen, die zu Beginn eines Handelsgewerbes aufzustellen sind.
Jahresabschlüsse bestehen aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung und sind für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres zu erstellen. Sie geben das Verhältnis des Vermögens und der Schulden des Kaufmanns an.
Nach dem Handelsgesetzbuch sind Arbeitsanweisungen und Organisationsvorschriften aufzubewahren, die zum Verständnis der Bücher et cetera notwendig sind. Hierunter fallen auch Unterlagen, die die Technik eines DV-Buchführungssystems erläutern.
Handelsbriefe sind nur Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft betreffen. Als Geschäftsbrief (Handelsbrief) gilt jegliche Korrespondenz, die der Vorbereitung, der Durchführung oder der Rückgängigmachung eines Geschäftes dient. Korrespondenz, die nicht zum Abschluss eines Geschäfts geführt hat (zum Beispiel nicht erfolgreiche Angebote, Werbeflyer, Prospekte) ist kein Handels-/Geschäftsbrief.
Buchungsbelege haben die Funktion nachzuweisen, dass einem gebuchten Sachverhalt auch ein tatsächlich existierender Vorgang zugrunde liegt. Dabei sind alle Sachverhalte buchungspflichtig, die eine Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens haben. Oft sind externe Buchungsbelege zugleich auch Geschäftsbriefe.

Wie lange?

10 Jahre aufzubewahren sind:
  • Handelsbücher
  • Inventare
  • Eröffnungsbilanzen
  • Jahresabschlüsse
  • die zum Verständnis dieser Unterlagen erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
  • Buchungsbelege
6 Jahre alle anderen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen:
  • empfangene Handels- und Geschäftsbriefe
  • Wiedergaben der abgesandten Handels- und Geschäftsbriefe
Erfüllen Unterlagen die Kriterien mehrerer Kategorien (zum Beispiel ein Handelsbrief ist gleichzeitig Rechnung oder Buchungsbeleg), so gilt die längere Aufbewahrungsfrist (also 10 Jahre).

Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

Beispiel: Herr Mustermann ist eingetragener Kaufmann. Sein Steuerberater hat seinen Jahresabschluss für das Jahr 2015 im November 2016 fertig gestellt. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres 2016 und endet somit am 31.12.2026.

Bei abweichenden Kalenderjahren beginnt die Aufbewahrungsfrist ebenfalls mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres.

In welcher Form?

Grundsätzlich können aus Platzgründen alle aufbewahrungspflichtigen Unterlagen - mit Ausnahme der Jahresabschlüsse und der Eröffnungsbilanz (diese sind im Original aufzubewahren) - auf Datenträgern gespeichert werden. Bei der Archivierung auf Datenträgern kommt entweder die bildliche oder inhaltliche Wiedergabe in Betracht. In diesem Fall muss sicher gestellt sein, dass die Daten tatsächlich lesbar sind, solange die Aufbewahrungsfrist gilt. § 257 Absatz 3 Handelsgesetzbuch.


Aufbewahrung im Original

Die Aufbewahrung im Original muss gesichert und geordnet erfolgen. Eine gesicherte Aufbewahrung bedeutet, dass der Raum oder das Gebäude, in dem die Unterlagen aufbewahrt werden, vor Einwirkungen wie Feuer, Wasser und Feuchtigkeit geschützt ist. Insbesondere muss auch gewährleistet sein, dass die Schrift auf dem verwendeten Papier nicht verblasst. Die geordnete Aufbewahrung erfordert, dass ein sachverständiger Dritter die Unterlagen in angemessener Zeit prüfen können muss. Hierzu kann beispielsweise ein Regelwerk dienen, in dem unter anderem festgelegt wird, welche Unterlagen nach welchen Ordnungskriterien archiviert werden und wer dafür verantwortlich ist.


Die bildliche Wiedergabe

Die bildliche Wiedergabe erfordert die originalgetreue Übertragung des Bildes auf das Speichermedium sowie die gesicherte und geordnete Aufbewahrung der Speichermedien und eine lesbare bildliche Wiedergabe bei Bedarf. Dabei kann die bildliche Wiedergabe auch kleinformatiger wieder hergestellt werden. Sie muss allerdings alle auf dem Original angebrachten Sicht-, Kontroll- und Bearbeitungsvermerke enthalten. Im Einzelfall kann auch der Farbe Beweiskraft zukommen, zum Beispiel bei einer Rechnung, wenn allein die Farbe beweist, dass es sich dabei um das Original und nicht um den Durchschlag handelt.

Die inhaltliche Wiedergabe

Die inhaltliche Wiedergabe erfordert, dass die aufzubewahrenden Informationen vollständig und richtig auf das magnetische Speichermedium übernommen werden, dass der Inhalt während der Aufbewahrung nicht verändert wird, und dass die Wiedergabe während der Aufbewahrungsfrist möglich ist.

Kurze Übersicht


Schriftgut
Frist
Rechtsgrundlage
Form
Handelsbücher
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
inhaltliche Wiedergabe
Inventare
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
inhaltliche Wiedergabe
Eröffnungsbilanzen
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
Original
Jahresabschlüsse
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
Original
zum Verständnis erforderliche Arbeitsanweisungen und sonstige Organisationsunterlagen
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
inhaltliche Wiedergabe
Buchungsbelege
10 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 1 Handelsgesetzbuch
inhaltliche Wiedergabe
empfangene Handelsbriefe
6 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 2 Handelsgesetzbuch
bildliche Wiedergabe
abgesendete Handelsbriefe (Wiedergaben)
6 Jahre
§ 257 Absatz 1 Nummer 2 Handelsgesetzbuch
bildliche Wiedergabe

Einzelne Beispiele finden Sie im Verzeichnis der Aufbewahrungsfristen am Schluss.

Verletzung der Aufbewahrungspflicht

Die Verletzung der Aufbewahrungspflicht ist strafbar. Nach § 257 Strafgesetzbuch betrifft dies vor allem Fälle, in denen Handelsbücher oder sonstige Unterlagen vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite geschafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt werden und dadurch die Übersicht über den Vermögensstand erschwert wird.

§ 283b Absatz 1 Nummer 6 Strafgesetzbuch sieht bei einer Verletzung der Aufbewahrungspflicht in einem laufenden Insolvenzverfahren, bei einer Überschuldung oder drohenden Zahlungsunfähigkeit sogar ein höheres Strafmaß vor.

Besonderheiten für Kapitalgesellschaften i.L.

Bei der Liquidation von Kapitalgesellschaften sind besondere Aufbewahrungsfristen zu beachten.

Ist die Liquidation einer GmbH beendet, sind nach § 74 Absatz 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Bücher und Schriften für die Dauer von 10 Jahren einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Sieht die Satzung dazu nichts vor, bestimmt das zuständige Gericht die entsprechende Person.

Bei einer AG oder KGaA sind die Bücher und Schriften nach der Abwicklung an einem vom Gericht sicheren Ort zur Aufbewahrung 10 Jahre zu hinterlegen, § 273 Absatz 2 Aktiengesetz.

Beispielsfälle (Verzeichnis der Aufbewahrungsfristen)

Das Verzeichnis listet in alphabetischer Reihenfolge die wesentlichen Schriftgutarten auf. Dabei kann aus der Bezeichnung des Schriftgutes allein noch keine Aussage über seine Aufbewahrung gemacht werden. Entscheidend ist die Funktion, die das Schriftgut im Betrieb hat.

Schriftgut
Frist (Jahre)
Abtretungserklärungen
6
Änderungsnachweise der EDV-Buchführung
10
Angebote
6 mit Auftragsfolge; ohne Auftragsfolge: 0
Anlagenvermögensbücher- und Karteien
10
Arbeitsanweisungen für EDV-Buchführung
10
Aufbewahrungsvorschriften für betriebliche EDV-Dokumentation
10
Ausgangsrechnungen
10
Außendienstabrechnungen
10
Bankbelege
10
Bankbürgschaften
6
Bilanzen und Bilanzanlagen
10
Buchungsbelege
10
Darlehensverträge (nach Ablauf des Vertrags)
6
Dauerauftragsunterlagen (nach Ablauf des Vertrags)
10
Debitorenliste (soweit Bilanzunterlage)
10
Einkaufsbücher
10
Eingangsrechnungen
10
Fahrtkostenerstattungsunterlagen
10
Fehlermeldungen, Fehlerkorrekturanweisung bei EDV-Buchführung
10
Frachtbriefe
6
Gehaltslisten
10
Geschäftsberichte
10
Geschäftsbriefe (außer Rechnungen oder Gutschriften)
6
Gesellschafterversammlungen/-beschlüsse, Protokolle
10
Gewinn- und Verlustrechnung
10
Gründungskakten
10
Grundbuchauszüge
10, soweit Inventurunterlagen;
6 zur Kreditsicherung (nach Vertragablauf); ansonsten 0
Grundstücksverzeichnis (soweit Inventar)
10
Gutschriften
10
Halbjahresabschlüsse
0
Handelsbriefe (außer Rechnungen oder Gutschriften)
6
Handelsbücher
10
Handelsregisterauszüge
0
Hauptabschlussübersicht
10
Hauptversammlungen (Beschlüsse, Protokolle, sonstige Unterlagen)
10
Investitionszulage (Unterlagen)
6
Inventare und Inventarnachweise
10
Jahresabschlusserläuterungen
10
Journale für Hauptbuch oder Kontokorrent
10
Kalkulationsunterlagen
6
Kassenberichte
10
Kassenbücher/-blätter
10
Kassenzettel
10, soweit Tagessummenbons aufbewahrt werden: 0
Kontenpläne und Kontenplanänderungen
10
Kontenregister
10
Kontokorrentbelege
10
Kreditunterlagen (nach Ablauf des Vertrags)
10, soweit Buchungsbeleg, 6 soweit Korrespondenz
Lagerbuchführungen
10
Lieferscheine
6 (sofern als Beleg-
nachweis, vor allem im
Zusammenhang mit
einer Rechnung: 10)
Lohnbelege
10
Lohnlisten
10
Mahnbescheide
6
Mietunterlagen (nach Vertragsende)
10, soweit handelsrechtlich relevant
Nachnahmebelege
10
Nebenbücher
10
Organisationsunterlagen der EDV-Buchführung
10
Pachtunterlagen (nach Vertragsende)
6, soweit handelsrechtlich relevant
Postgiroauszüge, soweit Buchungsbelege
10
Preislisten, soweit Buchgungsunterlagen
10
Prozessakten (nach Abschluss des Prozesses)
10
Quittungen, soweit Buchungsunterlagen
10
Rechnungen
10
Reisekostenabrechnung
10
Repräsentationsaufwendungen (Unterlagen)
10
Sachkonten
10
Saldenbilanzen
10
Schadensunterlagen
10, soweit Bilanzunterlagen, sonst 6
Schriftwechsel extern
6
Spendenbescheinigungen
10
Teilzahlungsunterlagen, soweit Buchungsunterlagen
10
Überstundenliste
10 (soweit Lohnbeleg), 0 (soweit Kontrollunterlagen)
Verbindlichkeiten (Zusammenstellung)
10, soweit Bilanzunterlagen
Verkaufsbücher
10
Vermögensverzeichnis
10
Vermögenswirksame Leistungen (Unterlagen)
10, sofern Buchungsbeleg; 10 bei Handels- und Geschäftsbriefen
Versandunterlagen allgemein
10 (soweit Buchungsbelege)
Versicherungspolicen (nach Ablauf der Versicherung)
6
Verträge
10, soweit handelsrechtlich relevant; ansonsten 6
Vertreterunterlagen
6
Vollmachten
6 nach Erlöschen
Wareneingangs- und Warenausgangsbücher
10
Wertpapierkaufs- und -verkaufsabrechnungen
10
Wechsel (eingelöste)
10
Zahlungsbelege
10
Zinsrechnungen
10
Zugriffsregelungen bei EDV-Buchführung
10
Zwischenbilanz bei Gesellschafterwechsel oder Umstellung des Wirtschaftsjahres
10