Entwicklungsstrategie 2030
Regionale Entwicklungsstrategie
Bodensee-Oberschwaben vereint industrielle Kompetenz, exzellente Forschung und hohe Lebensqualität. Die Region ist ein wettbewerbsfähiger, nachhaltiger und attraktiver Industrie-, Hightech- und Innovationsstandort – geprägt von lebenswerten Innenstädten, touristischer Attraktivität, leistungsfähigem Handel und Dienstleistungen sowie verlässlicher Infrastruktur.
Diese Vielfalt verleiht der Region ein eigenständiges und zukunftsfähiges Profil mit klaren Alleinstellungsmerkmalen. Daraus ergeben sich gezielte Schwerpunkte für die wirtschaftspolitische Interessenvertretung, die regionale Entwicklung sowie für Unterstützungsangebote und Initiativen für Unternehmen. Eine Region mit faktischer Vollbeschäftigung und exportstarker Industrie benötigt andere Strategien als Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit oder stark regional geprägten Lieferketten.
Grundlage für diese zielgerichtete Ausrichtung ist die regionale Entwicklungsstrategie. Sie umfasst die Landkreise Bodenseekreis, Konstanz, Ravensburg und Sigmaringen und beruht auf umfassenden sozioökonomischen Analysen sowie Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Bewertungen (SWOT) der wirtschaftsrelevanten Handlungsfelder. Ergänzend werden vorhandene Strategien von der Ebene der Europäischen Union bis zur Landesebene einbezogen, um Synergien zu schaffen und Förderpotenziale optimal zu nutzen.
Der Ansatz folgt einem modernen Verständnis von Regional Governance, was angesichts der Vielzahl an Themen, Akteuren und politischen Einflüssen durch die Europäische Union, den Bund und das Land effizient ist. Dadurch werden eine gemeinsame Zielrichtung, Koordination, Arbeitsteilung, Synergien und die Vermeidung paralleler Aktivitäten sichergestellt.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Fördergelder, zum Beispiel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), nur bewilligt werden, wenn Projekte durch eine Regionalstrategie begründet werden. Die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben übernimmt daher diese koordinierende Rolle inklusive Strategiefortschreibung und stellt die erforderlichen Ressourcen für Strategieentwicklung, Sitzungen und Koordination bereit – unabhängig von Fördergeldern oder externer Finanzierung.
Die regionale Entwicklungsstrategie formuliert Vision, Leitbild und konkrete Ziele für die Region und wird regelmäßig fortgeschrieben. Dabei fließen die Ergebnisse laufender Projekte und neuer Entwicklungen kontinuierlich ein. Rund 50 regionale Institutionen bringen ihre Expertise in diesen Prozess ein – von Wirtschaft und Wissenschaft über Verwaltung bis hin zu regionalen Netzwerken.
Darüber hinaus dient die Strategie als Rahmen und Orientierung für zahlreiche weitere Initiativen. Sie stärkt die gemeinsame Identität als Wirtschaftsraum, bietet eine Grundlage für fachliche Teilstrategien und unterstützt die Region bei Wettbewerben und Förderprogrammen wie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder RegioWIN.
So entsteht ein klarer, gemeinsamer Rahmen für nachhaltiges Wachstum, Innovation und Lebensqualität – und die Region Bodensee-Oberschwaben positioniert sich weiterhin als einer der führenden Wirtschaftsstandorte Baden-Württembergs.
Sozioökonomische Analyse
Die sozioökonomische Analyse zeigt, wie wirtschaftsstark und vielfältig die Region Bodensee-Oberschwaben ist:
Bevölkerung und Beschäftigung:
- Rund 648.000 Menschen leben in der Region, davon etwa 278.700 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Wirtschaftskraft:
- Die regionale Bruttowertschöpfung beträgt circa 30 Milliarden Euro.
Industrie:
- Mit rund 40 Prozent Anteil an Bruttowertschöpfung und Beschäftigung ist das produzierende Gewerbe überdurchschnittlich stark vertreten. Etwa die Hälfte des Industrieumsatzes entfällt auf Auslandsgeschäfte.
Branchenvielfalt:
- Die Region deckt ein breites Spektrum ab – von Produktionstechnologien über Automotive, Elektronik und Pharma, Luft- und Raumfahrt bis zu Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Dienstleistungen, Handel und Tourismus.
Diese Strukturen unterstreichen die Wettbewerbsfähigkeit der Region und bilden die Grundlage für strategische Projekte, Innovationsförderung und gezielte Unternehmensunterstützung.
Handlungsfelder
Neben vielen weiteren Handlungsfeldern im Kleinen ergeben sich aus der Branchenstruktur und weiteren regionalen Spezifika insbesondere folgende Handlungsfelder:
Fachkräfte und Bildung:
- Die Region steht vor der Herausforderung, ausreichend qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Dies reicht von Bildungspartnerschaften mit Schulen über Aus- und Weiterbildung bis hin zu qualifizierter Zuwanderung.
Infrastruktur und Standort:
- Bestehende Verkehrswege, Breitbandversorgung und Flächen für Gewerbe, Wohnungsbau und Energiewende müssen weiterentwickelt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Knappheit von Flächen (bei gleichzeitig im Landesvergleich geringer Flächenversiegelung) stellt eine besondere Herausforderung dar.
Digitalisierung und Innovation:
- Forschung und Innovation sind eine zentrale Grundlage für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, hierfür müssen optimale Rahmenbedingungen bestehen. Digitalisierungspotenziale müssen noch stärker genutzt, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Start-ups weiter gestärkt werden.
Wettbewerbsfähigkeit und Europa:
- Bürokratie, Handelshemmnisse und regulatorische Barrieren hemmen die regionale Wirtschaft und erschweren die Nutzung der Chancen des EU-Binnenmarkts. Ein schneller und entschlossener Abbau übermäßiger Bürokratie zählt zu den dringendsten Handlungsfeldern für den langfristigen Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Wohlstand.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz:
- Nachhaltigkeitsziele und Klimaschutzmaßnahmen werden in einem ausgewogenen Verhältnis mit Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit integriert und konkrete Maßnahmen umgesetzt. Markt- und wettbewerbsfähige nachhaltige Technologien aus der Region leisten einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Klima- und Umweltschutz.
Neue Weltordnung:
- In den vergangenen Jahren gewinnt der Übergang in eine neue Weltordnung zunehmend an Bedeutung. Dies betrifft Handelspolitik, technologische Vorsprünge, strategische Unabhängigkeit und Resilienz. Auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung spiegelt sich dieser Wandel wider: Die Region Bodensee-Oberschwaben ist sowohl als bedeutender Standort der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie als auch insgesamt als Hightech-Region von globalen Veränderungen betroffen und liefert gleichzeitig innovative Lösungen.
SWOT-Analysen
In den detaillierten Analysen der Handlungsfelder treten verschiedene Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zutage – beispielhaft in den folgenden Bereichen:
Schwächen und Risiken:
- Unzureichende Verkehrsinfrastruktur
- Hohe bürokratische Belastungen
- Mangel an Arbeitskräften und Flächen
- Eingeschränkter ÖPNV
- Wahrnehmung der Region primär als Urlaubsregion, weniger als Hochtechnologiestandort
Stärken und Chancen:
- Vielfältige Branchenstruktur und breites Jobangebot
- Hohe Lebensqualität durch den gelungenen Ausgleich zwischen Wirtschaftskraft und Naturraum
- Einbindung in die internationale Bodenseeregion mit Zugang zu Absatzmärkten, Kooperationen und Forschungspartnerschaften
- Innovationskraft und technologisches Know-how als Basis für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit
Entwicklungsziele
Das übergeordnete Ziel ist, vorhandene Schwächen abzubauen, Risiken zu verringern, Stärken zu stärken und Chancen zu nutzen. Dies gliedert sich in drei Zielbereiche, zu denen jeweils exemplarische Teilziele aufgeführt sind:
Transformation und Wettbewerbsfähigkeit:
- Erfolgreiche Erschließung neuer Technologien, Märkte und Geschäftsmodelle im Zuge der weltweiten Transformation unter dem Einfluss von Künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeitstechnologien, veränderten Lieferketten und geopolitischen Einflüssen. Hierfür sind zudem von der Infrastruktur bis zum Bürokratieabbau Rahmenbedingungen zu verbessern.
Stärkung der Fachkräftebasis:
- Von Bildungsinhalten oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf über die qualifizierte Zuwanderung bis hin zu passgenauer Weiterbildung für neue Aufgaben im Zuge von Innovation, Transformation und Diversifizierung müssen Rahmenbedingungen verbessert und konkrete Angebote mit messbarem Mehrwert geschaffen werden.
Stärkung der Standortqualität:
- Ausreichende Flächen für Gewerbe und Wohnraum, Qualität und Bezahlbarkeit der Energieversorgung, hohe Lebensqualität für Fachkräfte, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Nachhaltigkeit sowie weitere Faktoren.
Globale Resilienz und strategische Handlungsfähigkeit:
- Die Region soll ihre Resilienz und globale Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie technologische Unabhängigkeit, strategische Flexibilität und internationale Kooperationen ausbaut und gleichzeitig Lösungen für die Herausforderungen einer sich wandelnden Weltordnung liefert.
Beispielhafte Maßnahmen
Die Festlegung und Umsetzung von Maßnahmen zur Erreichung der Entwicklungsziele erfolgt arbeitsteilig durch verschiedene Institutionen, zum Beispiel IHK, Wirtschaftsförderer, Hochschulen, im Rahmen von Projektkonsortien und in weiteren Konstellationen. Ein Teil der Maßnahmen und der dafür erforderlichen Ressourcen, zum Beispiel Personalkapazitäten, wird dauerhaft eingerichtet, solange dies sinnvoll ist. Andere Maßnahmen sind temporär angelegt oder werden als durch staatliche Fördergelder getragene Projekte umgesetzt.
Langfristig verfügbare Maßnahmen umfassen beispielsweise:
- Beratungsangebote zu internationalen Märkten, Digitalisierung, Geschäftsmodellinnovationen oder Ressourceneffizienz
- Weiterbildungsangebote zu unterschiedlichen Themen
- Beratungen zu Existenzgründung, Unternehmensnachfolge oder zur Beschäftigung internationaler Fachkräfte
Förderprojekte haben unter anderem Forschungsinfrastrukturen aufgebaut, zum Beispiel:
- RITZ Friedrichshafen
- InnoCamp Sigmaringen
- Software zur KI-gestützten Erstberatung rund um Transformationsthemen
Politische Arbeit konzentriert sich beispielhaft auf:
- Produktvorschriften (insbesondere für produzierende Unternehmen)
- Mitarbeiterentsendung (Grenzregion)
- Energieversorgung (z. B. Wasserstoff-Kernnetz)
Insgesamt wurden hunderte Angebote, Maßnahmen und Projekte realisiert, von Beratungs- und Vernetzungsangeboten über politische Interessenvertretung bis hin zu Online-Anwendungen – von Existenzgründung bis zur Aktualitätsprüfung von Normen.
Initiativen und Strukturen
Beispiele für Initiativen, Strukturen und Kulissen der Regionalentwicklung in der Bodenseeregion sowie ausgewählte Zieldimensionen:
- LEADER: Nachhaltige Wirtschaft, Kommunalentwicklung, Landesentwicklung, Tourismus.
- Interreg V Projektdatenbank | Interreg VI Projektdatenbank: Naturschutz, Anpassung an den Klimawandel, moderne Verwaltung, Tourismus, Forschungs- und Innovationskapazitäten uvm.
- Internationale Bodenseekonferenz: Strategien und Projekte rund um Raumentwicklung, Bildung, Gesundheit und Soziales, Kultur, Wirtschaft uvm.
- Wissenschaftsverbund Bodensee: Hochschulverbund, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Forschung und Innovation uvm.
- DenkRaumBodensee: ThinkTank rund um die Entwicklung der Bodenseeregion.
- RegioWIN: Das Wirtschaftsministerium, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fördern regionale Entwicklungskonzepte in Baden-Württemberg, unter anderem in der Bodenseeregion.
- Weitere Strukturen und Projekte: Exemplarisch sei ein bereits vor Jahren zielgerichtet aufgebautes Projekt zur Transformation der Automobilindustrie genannt.
Ausblick
Die Region Bodensee-Oberschwaben positioniert sich auch künftig als nachhaltiger, attraktiver und auf internationalem Niveau wettbewerbsfähiger Industrie- und Hightech-Standort. Sie zeichnet sich durch eine überdurchschnittlich hohe Innovationskraft der Unternehmen sowie durch ein leistungsfähiges regionales Innovationsökosystem aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Verwaltung aus.
Den größten Anteil daran haben aktuell die Unternehmen mit rund 30 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung und Investitionen in Forschung und Entwicklung in Milliardenhöhe. Aber auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Bildungseinrichtungen, Politik und Verwaltung, Einrichtungen der Wirtschaftsförderung und viele weitere Akteure leisten einen wesentlichen Beitrag.
Grundlage für eine weiterhin zielgerichtete Zusammenarbeit, Arbeitsteilung und Synergienutzung ist auch in Zukunft eine im regionalen Konsens festgelegte Entwicklungsstrategie. Diese wird regelmäßig weiterentwickelt, während Organisation und Koordination bei der IHK Bodensee-Oberschwaben liegen.
