Regionalplan-Fortschreibung: Flächen für die Zukunft

Zwei Seiten einer Medaille: Die Region Bodensee-Oberschwaben ist wirtschaftlich sehr erfolgreich, leidet aber unter zunehmend knappen Flächen für Industrie und Gewerbe, Wohnen und Verkehr. Der neue Regionalplan, der derzeit erarbeitet wird, soll die Flächennutzung in der Region bis 2035 regeln.

Allgemeines zum Regionalplan

Die Region Bodensee-Oberschwaben gehört zu den erfolgreichsten Regionen in Deutschland. Sie wächst seit langem in vielen Bereichen: mehr Einwohner, mehr Arbeitsplätze in mehr Unternehmen, mehr Wohlstand, mehr Touristen und mehr Verkehr. Was nicht wächst, ist die Fläche, die dafür zur Verfügung steht. So hat der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben bei der Erstellung des neuen Regionalplans die Herkulesaufgabe, dieser Wachstumsentwicklung gerecht zu werden und gleichzeitig die daraus folgenden Belastungen für Mensch und Umwelt möglichst verträglich zu halten. Und das vorausschauend für die nächsten 15 Jahre.

Fortschreibung des Regionalplans

Im Sommer 2021 erfolgte der Satzungsbeschluss über die Fortschreibung des Regionalplans durch die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben. Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg muss den Plan nun genehmigen, womit im dritten oder vierten Quartal 2022 gerechnet wird. Zentrale Themen des Regionalplans sind die Siedlungsentwicklung, vor allem Wohn- und Gewerbeflächen, die Freiraum- und die Rohstoffsicherung sowie die Sicherung der Infrastrukturachsen. Bei all diesen Themen haben die Konflikte in den letzten Jahren zugenommen, weil die Bevölkerung neuen Planungen oft sehr kritisch gegenübersteht. Nach der ersten Anhörungsrunde wurden am Planentwurf einige Änderungen vorgenommen, zum Beispiel wurden die Flächen für die Wohnungsbauschwerpunkte erhöht, die Gewerbeflächen wurden reduziert.

Gesamtinteresse der Wirtschaft

Nahezu alle Festlegungen, die im Regionalplan getroffen werden, wirken sich direkt oder indirekt auf die Entwicklung der Unternehmen in der Region aus. Die IHK Bodensee-Oberschwaben nimmt zum Regionalplan Stellung, weil es ihre gesetzliche Aufgabe ist, das Gesamtinteresse der Wirtschaft dazu zu formulieren. Dabei ist es der IHK besonders wichtig, dass ausreichend Gewerbeflächen in den drei Landkreisen ausgewiesen werden, dass in Zukunft genügend Wohnflächen für die Arbeitskräfte der regionalen Unternehmen zur Verfügung stehen und dass die Rohstoffversorgung sichergestellt ist. Der Regionalverband muss im weiteren Planungsverlauf alle öffentlichen und privaten Belange gerecht abwägen und in seinen Gremien in demokratischen Entscheidungsprozessen zu einem Satzungsbeschluss über die endgültige Planung kommen. Danach muss der Regionalplan vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg genehmigt werden.

Wohnungsbau

Mit 60.000 bis 70.000 zusätzlichen Einwohnern bis 2035 rechnet der Regionalverband. Der für das Bevölkerungswachstum ermittelte Wohnbauflächenbedarf in Höhe von 1.000 Hektar für die Region dient als Orientierungswert. Da die Region aktuell in vielen Teilen schon unter Wohnungsnot leidet, werden erstmals im Regionalplan Vorranggebiete für den Wohnungsbau ausgewiesen. Diese konzentrieren sich unter anderem auf das Oberzentrum Friedrichshafen/Ravensburg/ Weingarten oder eine Reihe von Mittelzentren wie zum Beispiel Bad Saulgau, Sigmaringen oder Überlingen und Leutkirch oder auch in Unterzentren wie zum Beispiel Meßkirch oder Isny. In diesen höherzentralen Orten sind zentrale Einrichtungen wie Schulen, medizinische Versorgung oder Einzelhandel aber auch Arbeitsplätze vorhanden. Größere Wohnansiedlungen in kleineren Orten würden Pendlerverkehre auslösen, die man nicht haben möchte.
Dies wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt entspannen. Da sich die Verfügbarkeit von Wohnraum zum entscheidenden Standortfaktor im Wettbewerb um Fachkräfte entwickelt hat, ist die Wirtschaft darauf angewiesen, dass diese Flächen schnellstmöglich in konkreten Wohnraum umgesetzt werden.

Schwerpunkte für Industrie und Gewerbe

Der Regionalverband geht davon aus, dass in der Region bis 2035 circa 600 bis 1.500 Hektar Gewerbeflächen benötigt werden. Als Schwerpunkte für Industrie und Gewerbe werden in der zweiten Entwurfsfassung zur Fortschreibung des Regionalplans etwa 800 Hektar Gewerbeflächen ausgewiesen. In der ersten Fassung waren es noch knapp 940 Hektar. Diese Flächen sind meist als interkommunale, größere Gebiete vorgesehen. Die interkommunale Zusammenarbeit ist geboten, um überhaupt annähernd die nötigen Flächenpotenziale erschließen zu können. Die Knappheit an verfügbaren Gewerbeflächen geht auf hohe Naturschutz- und Umweltauflagen oder die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten zurück, ist zum Teil aber auch hausgemacht. Gewerbeflächenausweisungen steht in einigen Fällen das sogenannte Anbindegebot im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg entgegen. Bei Einzelbetrachtung der Landkreise fällt auf, dass für den Bodenseekreis der prognostizierte Bedarf bei weitem nicht gedeckt werden kann, völlig unbefriedigend für die Wirtschaft. Gleichzeitig gibt es im Landkreis Sigmaringen ein großes Gewerbeflächenpotenzial, dass insbesondere die Flächenknappheit im Bodenseekreis ausgleichen soll.
Aktuell bestehen Gewerbeflächenengpässe im Landkreis Ravensburg und im Bodenseekreis. Deshalb wartet die Wirtschaft dringend darauf, dass die im neuen Regionalplan vorgesehenen Flächen so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden.
Damit der Flächenbedarf in Zukunft gedeckt werden kann, spricht sich die IHK dafür aus, den Rechtsrahmen anzupassen und das Anbindegebot zu lockern, wie es Bayern bereits vorgemacht hat. Hier wird großzügiger verfahren, gerade bei Gewerbestandorten an Autobahnanschlussstellen. Die IHK befürchtet neben der Flächenknappheit deshalb auch Wettbewerbsnachteile für den Wirtschaftsstandort Bodensee-Oberschwaben.

Anbindegebot

Das sogenannte Anbindegebot regelt, dass die Siedlungsentwicklung vorrangig am Bestand ausgerichtet werden muss. Gewerbegebiete müssen sich also an bereits bestehende Siedlungen anschließen. Bei Planungen, die diesem Ziel entgegenstehen, kann nur über ein Zielabweichungsverfahren beim Regierungspräsidium geklärt werden, ob eine Ansiedlung dennoch möglich ist. Seither hängt das Anbindegebot als Damoklesschwert über verschiedenen Vorhaben in der Region Bodensee-Oberschwaben, wie etwa den geplanten Gewerbegebieten Leutkirch-Riedlings, Friedrichshafen-Hirschlatt, Kißlegg-IKOWA, Pfullendorf-Wattenreute und Wangen-Herfatz. Damit steht fast ein Fünftel der dringend notwendigen Gewerbeflächen auf der Kippe.

Übersicht über den Inhalt des Regionalplans

  1. Grundsätze und Ziele für die räumliche Ordnung und Entwicklung der Region: Als allgemeine Entwicklungsziele gelten zum Beispiele die Stärkung der Region als international agierender Wirtschaftsraum und als attraktive Tourismusregion oder die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Diese Entwicklung soll im Einklang stehen mit naturräumlichen Qualitäten und sich an den Erfordernissen des Klimawandels ausrichten. Als Teil der internationalen Bodenseeregion soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert werden.
  2. Regionale Siedlungsstruktur: Hier werden die zentralen Funktionen der Teilräume und Kommunen sowie Entwicklungsachsen in der Region festgelegt. Die 87 Kommunen der Region werden nach ihren Funktionen eingeteilt vom Kleinzentrum bis zum Oberzentrum. Daneben werden unter anderem Schwerpunkte für den Wohnungsbau, für Industrie und Gewerbe sowie für Einzelhandelsgroßprojekte ausgewiesen.
  3. Regionale Freiraumstruktur: Hier erfolgt die Festlegung von regionalen Grünzügen und Grünzäsuren, die grundsätzlich von Bebauung frei zu halten sind. Zur Freiraumstruktur zählt auch die Festlegung von Vorranggebieten für Natur- und Landschaftsschutz, Vorranggebiete für Wald oder Wasservorkommen und Gebiete für den Abbau und die Sicherung oberflächennaher Rohstoffe. Zurückgestellt wurde das Kapitel „Energie“ (Windkraft und Photovoltaik). Dafür wird ein eigenständiger Teilregionalplan erstellt im Nachgang zur Fortschreibung des Regionalplans.
  4. Regionale Infrastruktur: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Aspekten des Themas Verkehr: Straßenverkehr, Schienenverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr, Güterver-kehr/kombinierter Verkehr, Luftverkehr, Bodenseeschifffahrt sowie Fuß- und Radverkehr.