Türkei

Arbeitsvertrag

Wird ein Arbeitnehmer vorübergehend in die Türkei entsandt, ist dies unter Umständen bereits durch den Arbeitsvertrag und das dort vereinbarte arbeitgeberseitige Weisungsrecht abgedeckt. Um Besonderheiten besser Rechnung zu tragen, schließen die Parteien jedoch oftmals zusätzlich einen Entsendungsvertrag (Zusatzvereinbarung) zum Arbeitsvertrag ab. Im Entsendungsvertrag können die Parteien eine Vereinbarung treffen, welches Recht für das Vertragsverhältnis gelten soll.
Das anwendbare Recht darf für die Zeit des Auslandseinsatzes als deutsche Recht oder als türkische Recht vereinbart werden (Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 der EG-Verordnung Nr. 593/2008 und Artikel 24 des türkischen Gesetz Nr. 5718). Wurde keine Rechtswahl getroffen, ist der Entsendungsvertrag gemäß Artikel 8 Absatz 2 Rom-I-VO dem Recht des Staates, in dem oder von dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, unterworfen. Für die vorübergehende Mitarbeiterentsendung ins Ausland bleibt es bei der Anwendung deutschen Arbeitsrechts.
Bei längerem Aufenthalt des Arbeitnehmers - etwa in einer Niederlassung oder gegebenenfalls bei einem Kooperationspartner vor Ort – entscheidet man sich oftmals für einen Lokalvertrag. Insbesondere auch im Hinblick auf hohem Kosten, die bei einer Entsendung regelmäßig auftreten. So gehören bei einem Entsendungsvertrag neben dem Grundgehalt Zuschüsse für Mietkosten, gegebenenfalls Lebenshaltungskosten, Umzugskosten oder Schulgebühren zu den üblichen Vergütungsbestandteilen. Ein Lokalvertrag muss dabei im Gegensatz zur Entsendevereinbarung komplett neu aufgesetzt werden. Wenn der Vertrag sich zudem auf einen ausländischen Betriebsteil oder Kooperationspartner bezieht, muss dieser Betriebsteil oder Partner über eine eigenständige juristische Persönlichkeit verfügen. Maßgeblich kann ein Repräsentanzbüro keine Vertragspartei sein. Ein Repräsentanzbüro kann nämlich nur für bestimmte Ziele gegründet und muss besonderen Rechtsvorschriften unterworfen werden (siehe: Art 3 h des türkischen Gesetzes Nr. 4875 und Art 6 ff. der türkischen Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 4875).
Im Falle eines Entsendevertrags wird die Vertragsbeziehung zwischen dem deutschen Arbeitgeber und dem entsendeten Arbeitnehmer fortgesetzt, während beim Lokalvertrag die Vertragsbeziehungen ausschließlich zwischen der ausländischen Niederlassung oder dem Kooperationspartner und dem entsendeten Arbeitnehmer existieren. Bei einem Lokalvertrag ist ausländisches Recht anzuwenden, es sei denn die Parteien haben eine andere Rechtswahl getroffen. Im beiden Fällen müssen im Arbeitsvertrag insbesondere folgende Regelungen bestehen:
  • Dauer der Entsendung bzw. Einstellung (beim Lokalvertrag)
  • Verantwortungsbereich und Beschreibung der Tätigkeit
  • Arbeitszeit
  • Feiertage
  • Urlaubsanspruch
  • Mobilitätszusagen
  • Arbeitsentgelt
  • Ausgleich von Mehraufwendungen (wie Reisekosten, Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
  • Zusatzversicherungen
  • Betriebliche Altersvorsorge
  • Rückkehrbedingungen
  • Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr

Visum und Einreisebestimmungen

Für deutsche und EU-Staatsbürger sind die Einreise und der Aufenthalt in die Türkei zu touristischen geschäftlichen zwecken bis zu 90 Tage innerhalb der letzten 180 Tagen ohne Visum erlaubt. Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für touristische Aufenthalte und Geschäftsreisen.
Darunter fallen jedoch nicht Entsendungen zu Montage- oder sonstigen Erwerbszwecken. Für dieses wird entweder ein Montagevisum oder ein Arbeitsvisum benötigt. Das Visum kann vor der Reise online über die Plattform Visa for Turkey oder beim zuständigen türkischen Generalkonsulat beantragt werden.
Das Montagevisum berechtigt den betroffenen Mitarbeiter innerhalb von 365 Tagen bis zu drei Monate in die Türkei reisen und gelieferte Industrieanlagen zu montieren oder Wartungs- und Reparaturarbeiten an diesen Anlagen durchzuführen bzw. das örtliche Personal an ihnen zu schulen.  
Für den Antrag werden die folgenden Unterlagen (Original + Kopie) benötigt:
  • Reisepass – dieser muss noch 1 Jahr nach dem geplanten Abreisedatum gültig sein und mindestens 2 leere Seiten enthalten;
  • Zwei biometrische, max. sechs Monate alte Passfotos (35mm x 45mm) mit weißem Hintergrund;
  • Eine Bestätigung des türkischen Unternehmens, dass der Mitarbeiter in der Türkei Montagearbeiten durchführen wird sowie Ort und Dauer der Montagearbeiten;
  • Ein Einladungsschreiben des türkischen Unternehmens über Ort und Dauer der Montagearbeiten, sowie einer Kostenübernahmeerklärung;
  • Ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis;
  • Ein aktueller Krankenversicherungsnachweis;
  • Ein Flugticket sowie der Nachweis über eine Hotelübernachtung am Einreisetag.
Bezüglich des Bestätigungs- und Einladungsschreibens sollte darauf geachtet werden, dass die beschriebenen Tätigkeiten auf ein Jahr befristet und auf eine Mehrfacheinreise ausgerichtet sind, falls die Tätigkeit nicht am Stück durchgeführt werden soll. Die Kosten belaufen sich derzeit auf ca. 365 EUR pro Person. Das persönliche Erscheinen im zuständigen türkischen Generalkonsulat ist erforderlich.

Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis

Sollen während des Aufenthalts Dienstleistungen ausgeführt werden, die nicht in den Anwendungsbereich des Montagevisums fallen oder soll die Entsendung für einen längeren Zeitraum als 90 Tage erfolgen, so ist in der Regel eine Arbeitserlaubnis erforderlich. Eine Arbeitserlaubnis zählt gleichzeitig als Aufenthaltserlaubnis. Wenn eine rechtmäßige Arbeitserlaubnis vorliegt, ist diese Erlaubnis daher auch als Aufenthaltserlaubnis gültig.
Die Regelungen zum türkischen Ausländerrecht finden sich im türkischen Internationalen Arbeitskraftsgesetz Nr. 6735 vom 28/7/2016 und in der türkischen Durchführungsverordnung dieses Gesetzes vom 02.02.2022.
Gemäß Art 6 Abs. 2 des türkischen Gesetzes Nr. 6735 darf in der Türkei kein Ausländer ohne Arbeitserlaubnis oder ohne Befreiung von der Arbeitserlaubnis arbeiten. Eine Befreiung von der Arbeitserlaubnis kommt für die folgenden Fallgruppen in Frage:
  • Vorstandsmitglieder von in der Türkei ansässigen Aktiengesellschaften, die ihren Wohnsitz außerhalb der Türkei haben,
  • Aktionäre von in der Türkei ansässigen Unternehmen, die nicht offiziell eine Führungsposition in dem Unternehmen innehaben, und
  • Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringer, die sich weniger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in der Türkei aufhalten.
Der Antrag auf Arbeitserlaubnis oder Befreiung von der Arbeitserlaubnis wird beim türkischen Konsulat gestellt. Ist eine reine Mitarbeiterentsendung beabsichtigt, kann der Antrag auch online unter https://www.evisa.gov.tr/de/ gestellt werden. Ist der Arbeitnehmer schon in der Türkei, muss die Befreiung beim türkischen Konsulat oder beim türkischen Arbeitsamt beantragt werden (Art 13 Abs. 2 des türkischen Gesetz Nr. 6735).
Der Antragsteller, der schon in der Türkei ist und die Arbeitserlaubnis in der Türkei beantragt hat, muss innerhalb eines Monates ab dem ersten Tag der Genehmigung mit der Arbeit beginnen. Wenn der Antrag beim türkischen Konsulat im Deutschland gestellt wird, muss der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats ab der Einreise und generell innerhalb sechs Monaten ab dem ersten Tag der Genehmigung mit der Arbeit beginnen. Ansonsten wird die Erlaubnis annulliert.

Sozialversicherung

Gegenüber den türkischen Behörden muss das Unternehmen nachweisen, dass der Mitarbeiter in der Türkei sozialversichert ist. Zu diesem Zweck muss eine für ihn ausgestellte „T/A Bescheinigung” vorlegt werden.
Im Zusammenhang des sogenannten Anwerbeabkommens mit der Türkei, welches 1961 unterzeichnet wurde, kamen viele türkische Arbeitskräfte nach Deutschland. Um den türkischen Arbeitnehmern das Recht auf soziale Sicherheit zu gewähren, wurde am 30. April 1964 ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei unterzeichnet, welches am 1. November 1965 in Kraft trat. Entsprechend dieses Abkommens haben Arbeitnehmer aus der Türkei das Recht auf soziale Sicherheit in Deutschland. Da dieses Abkommen auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruht, sind deutsche Arbeitnehmer auch in der Türkei sozialversichert, sofern sie vor der Einreise die Bescheinigung T/A 1 vorlegen und sich nach der Einreise mit dieser Bescheinigung bei der SGK (türkische behördliche Sozialversicherungsanstalt) anmelden.
Die T/A 1 Bescheinigung ist maximal 183 Tage gültig. Arbeitet der Mitarbeiter länger als 183 Tage in der Türkei, muss er vom ausländischen Betriebsteil oder Kooperationspartner seines Arbeitsgebers bei der SGK als türkischer Arbeitnehmer angemeldet werden.

Steuerrecht

Bezüglich der Versteuerung von Einkünften gilt in Deutschland und in der Türkei das sogenannte „Territorialprinzip“. Dieses gestattet einem einzelnen Staat, die auf seinem Territorium erzielten Einkünfte aus einer sogenannten Betriebsstätte zu besteuern. Entsprechend müsste in vielen Fällen zweimal, nämlich sowohl in der Türkei als auch in Deutschland, Einkommensteuer (Lohnsteuer) für den entsandten Mitarbeiter und Körperschaftssteuern für die Betriebstätte entrichtet werden. Um dies zu verhindern, wurden und werden internationale Abkommen zur Vermeidung dieser sogenannten Doppelbesteuerung abgeschlossen. Zwischen Deutschland und der Türkei wurde ein solches Doppelbesteuerungsabkommen am 19.09.2011 abgeschlossen.
Dieses Abkommen legt die Kriterien für die Besteuerung fest, wenn beide Staaten für die Besteuerung zuständig sind. Die Kriterien gelten ohne Rücksicht auf die Art der Steuererhebung.  
Bei der Besteuerung im Fall von Mitarbeiterentsendungen in die Türkei sind insbesondere zwei Arten der Steuern wichtig: Lohnsteuer für den entsandten Mitarbeiter und Körperschaftsteuern für die in der Türkei gegründete Betriebsstätte.
Für die Lohnsteuer ist der Begriff „des Ansässigen“ maßgeblich. Wer in einem Vertragsstaat aufgrund seines Wohnsitzes, seines ständigen Aufenthalts, des Ortes seiner Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, ist dort „ansässig“. Wie diese vertragliche Bezeichnung zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens. Nach der Bestimmung der Ansässigkeit wird der Lohn gemäß Art. 15 des Abkommens besteuert. Für eine mehr als 183-Tage andauernde Entsendung sind die Einkünfte von der türkischen Behörde zu versteuern. Allerdings ist die Lohnsteuer in Deutschland zu zahlen, wenn die Entsendung weniger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten dauert und sich die Ansässigkeit des Arbeitnehmers auf Deutschland bezieht und die Vergütung vom in Deutschland ansässigen Arbeitgeber bezahlt wird.
Wenn der Arbeitgeber in der Türkei keine gewerbliche Tätigkeit ausübt und nicht beabsichtigt, Einkünfte zu erzielen, erkennt das türkische Einkommensteuergesetz eine Befreiung der Einkommenssteuer an. In diesem Fall muss das Gehalt in Euro gezahlt werden. Allerdings ist auch bei dieser Befreiung die Körperschaftsteuer für eine Betriebstätte von der türkischen Behörde zu erheben, obwohl die Betriebstätte keine feste Geschäftseinrichtung ist.   
Für die Körperschaftsteuer spielt der Begriff „Betriebstätte“ eine wichtige Rolle. Übt ein Unternehmen in der Türkei eine Tätigkeit durch eine Betriebsstätte aus und bekommt er durch diese Ausübung Gewinn, ist dieser Gewinn von den türkischen Behörden zu besteuern. (Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 DBA) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
Grundsätzlich erfordert die steuerliche Beurteilung einer Mitarbeiterentsendung detaillierte Informationen, wie für welche Tätigkeiten und welchen Zeitraum die Entsendung geplant ist. Auch ist für die Beurteilung relevant, welche Staatsangehörigkeit der Mitarbeiter besitzt. Daher ist es empfehlenswert, mit sich diesbezüglich mit der Auslandshandelskammer und/oder einem regionalen Steuerberater zu besprechen.
Quelle: IHK Stuttgart