Unternehmensbewertung

Der Unternehmenswert ist einer der zentralen Aspekte bei der Übergabe von ‎Unternehmen. Den absolut richtigen und objektiven Unternehmenswert gibt es nicht. Viel‎mehr ist – zumindest außerhalb der steuerlichen Betrachtung – der Kaufpreis das Ergebnis ‎längerer, häufig zäher Verhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer und die Preisfindung ‎ist letztlich von Angebot und Nachfrage beeinflusst.‎
Die Unternehmenswerkstatt Baden-Württemberg, ein gemeinsames Online-Portal der IHKs für die Themenbereiche Unternehmensgründung, -sicherung und -nachfolge, beinhaltet seit Neuestem einen kostenfreien Unternehmenswertrechner.

Vorbereitung einer Unternehmensbewertung

Eine umfassende Analyse des Unternehmens ist Grundlage für die Berechnung des Unternehmenswertes. 
Bei der Unternehmensanalyse sind die in der Vergangenheit erzielten Zahlen und Daten heranzuziehen und das Ergebnispotenzial der nächsten Jahre einzuschätzen, basierend auf der zukünftigen Umsatz- und Kostenstruktur, den Vermögens- und Schuldenpositionen und der Chancen und Risiken. Komplexe Einflussfaktoren und teilweise konträre Wirkmechanismen sind zu beachten, wie zum Beispiel
  • Aufbauarbeit und „Entlohnung“ des Übergebers
  • Erfolgswahrscheinlichkeit einen Nachfolger zu finden
  • Finanzierbarkeit des Kaufpreises durch den Käufer
  • Übernommene monetäre, rechtliche und moralische Verpflichtungen
  • Persönliche Faktoren von Übergeber und Übernehmer
  • Branchenperspektive
  • Image
Der „Wert“ eines Unternehmens variiert aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen und Wert ≠ Preis.
Der erzielbare Preis bewegt sich zwischen verschiedenen Wertansätzen: So kann es beispielsweise bei einer familieninternen Nachfolge zu einem „Familiendiscount“ kommen, bei einer Übernahme des Unternehmens durch eigene Mitarbeiter kann ein „Loyalitätsdiscount“ oder bei einem Börsengang ein „Liquiditätsdiscount“ eine Rolle spielen, wogegen Finanzinvestoren eine „Kontrollprämie“ oder strategische Investoren eine „Synergieprämie“ bereit sind zu bezahlen.
Die Industrie- und Handelskammern führen keine Unternehmensbewertungen durch!
Dieses Merkblatt kann Ihnen jedoch die Bewertungsverfahren erläutern und Anhaltspunkte für die individuelle Kaufpreisermittlung geben. Um Näherungswerte zu ermitteln, empfehlen wir die vergleichende Anwendung mehrerer Bewertungsmethoden.
Bitte wenden Sie sich für eine Unternehmensbewertung an Ihren Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater! Häufig empfiehlt sich deren Einschaltung für eine neutrale Wertermittlung als Grundlage der Verhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer. Kontakte zu entsprechenden Fachleuten erhalten Sie beispielsweise über das RKW Baden-Württemberg.

Bewertungsverfahren für mein Unternehmen

Im Folgenden werden die in der Praxis wichtigsten Verfahren zur Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen in ihren Grundzügen vorgestellt. Das sind
  • das Multiplikatorverfahren,
  • das Ertragswertverfahren und
  • das Substanzwertverfahren.
Ein allgemein gültiges Verfahren gibt es nicht.

Multiplikatorverfahren

Das Multiplikatorverfahren hat als Bezugsgröße
  • den Umsatz oder
  • das operative Betriebsergebnis (Gewinn vor Zinsen und Ertragssteuern).
Kalkulatorische Kosten (insbesondere der kalkulatorische Unternehmerlohn) sind zu berücksichtigen.
Bei beiden Varianten wird der Durchschnitt des Umsatzes beziehungsweise des Gewinns aus insgesamt sechs Geschäftsjahren gebildet: Aus den letzten beiden Geschäftsjahren und aus dem prognostizierten Wert des aktuellen Geschäftsjahres sowie der folgenden drei Jahre. Das Ergebnis, der sogenannte nachhaltige Umsatz bzw. der nachhaltige Gewinn, wird dann mit einem Faktor der entsprechenden Branche multipliziert.
Differenzen zwischen dem Unternehmenswert anhand des Gewinn- und des Umsatzmultiplikators weisen auf eine über-/unterdurchschnittliche Profitabilität des Unternehmens im Vergleich zum Branchendurchschnitt hin. Für die Praxis der Unternehmensbewertung ist der Gewinnmultiplikator deutlich relevanter als der Umsatzmultiplikator.
Vorteil dieses Verfahrens ist die einfache Handhabung, da die Komplexität der Unternehmensbewertung stark reduziert wird. Problematisch ist jedoch die Annahme, dass das Gesamtrisiko beziehungsweise die Zukunftsaussichten primär von der Branchenzugehörigkeit des jeweiligen Unternehmens abhängen. Insbesondere bei kleineren Unternehmen können andere Aspekte, wie der Standort oder die Inhaberabhängigkeit, für den Zukunftserfolg wesentlich wichtiger sein.
Auch wenn das Multiplikatorverfahren nicht allein angewendet werden sollte, ist sie unter anderem für die Überprüfung der Ergebnisse der Ertragswertmethode auf Plausibilität und als Argument in Kaufpreisverhandlungen gut geeignet.

Ertragswertverfahren

Das klassische Ertragswertverfahren ist die theoretisch korrekte und bei Rechtsstreitigkeiten überwiegend anerkannte Methode. Sie berechnet die Höhe des Kaufpreises unter der Prämisse, dass der erwartete Gewinn eine angemessene Verzinsung darstellt und dass die Erträge zur Deckung aller Zins- und Tilgungszahlungen sowie zur Finanzierung neuer Investitionen ausreichen. Entscheidend ist die zukünftige Ertragskraft.
Beim Ertragswertverfahren wird zuerst der durchschnittliche und um verschiedene Posten bereinigte Gewinn der letzten Jahre errechnet. Basierend auf dem Betriebsergebnis der Vergangenheit werden dann die Erträge beziehungsweise Cash-Flows der nächsten Jahre geplant. Der Unternehmenswert wird durch Diskontierung der zukünftigen Überschüsse beziehungsweise Gewinne ermittelt: Mit Hilfe der Formel der „ewigen Rente“ werden die Überschüsse über den Kapitalisierungszinssatz abgezinst.
Dieser wird durch einen Basiszinssatz zuzüglich eines Risikoaufschlags von etwa 2 bis 20 Prozent gebildet. Die Schritte sind:
1. Schritt: Analyse der Gewinn- und Verlustrechnung der letzten drei bis fünf Jahre

Ausgehend vom EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Ertragssteuern) ist das Ergebnis zu bereinigen, gegebenenfalls um Positionen wie
  • außerordentliche, sonstige Aufwendungen und außerordentliche, sonstige Erträge, die nicht durch die eigentliche Betriebstätigkeit entstanden sind
  • kalkulatorischer Unternehmerlohn
  • kalkulatorische Miete
  • privat verursachte Kosten (zum Beispiel Reisen, Fahrzeuge)
  • Auszahlungen an Familienmitglieder (zum Beispiel Mieten, fiktive Anstellung)
  • nicht-marktgerechtes Lohnniveau von Familienmitgliedern
2. Schritt: Ermittlung der zukünftigen Erträge unter Berücksichtigung des Zukunftsrisikos
Die Planung der künftigen Umsätze, Kosten und Gewinne unterliegt komplexen, wechselseitigen Einflüssen vieler Faktoren. Detaillierte Branchenkenntnisse sind erforderlich; Branchenvergleichszahlen jedoch nur eingeschränkt nutzbar. Der Due Diligence-Ansatz berücksichtigt potentielle Risiken.
3. Schritt: Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes
Der Kapitalisierungszinssatz legt jene Verzinsung fest, die der Kapitalgeber unter Beachtung alternativer Kapitalanlagen mit vergleichbarem Risiko erwartet.
Der Kapitalisierungszinssatz besteht in der Regel zumeist aus zwei Komponenten
  • Basiszinssatz, der die Verzinsung einer alternativen Kapitalanlage, zum Beispiel in sicheren Staatsanleihen, darstellt und
  • Risikoaufschlag für das externe und das interne unternehmerische Risiko.
Die Ermittlung des internen unternehmerischen Risikos gestaltet sich insbesondere bei kleinen Unternehmen schwierig. Da diese Unternehmer einen großen Teil ihres Vermögens in das Unternehmen investieren beziehungsweise investiert haben, scheidet die Anwendung standardisierter, kapitalmarktbezogener Risikoprämien aus. Die Inhaberabhängigkeit und betriebsspezifische Risikofaktoren, die auch nach dem Verkauf eine Zeit lang nachwirken, verlangen eine individuelle Bewertung.
4. Schritt: Berechnung des Ertragswertes
Vereinfachte Darstellung:
Ertragswertverfahren
     Jahresüberschuss
+  Aufwendungen
./. Erträge
= bereinigter Gewinn
Ertragswert =
bereinigter Gewinn x 100
___________________________
Kapitalisierungszinssatz

Vereinfachtes (steuerliches) Ertragswertverfahren

Für die Berechnung des Ertragswertes ist der zukünftig nachhaltig realisierbare Jahresüberschuss mit einem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Die Bewertungsgrundlage bildet dabei der durchschnittliche bereinigte Jahresüberschuss der letzten drei Wirtschaftsjahre.
Der Kapitalisierungsfaktor errechnet sich aus dem aktuell veröffentlichten Basiszinssatz und einem pauschalen Risikozuschlag von 4,5 Prozent. Der Kapitalisierungszins liegt somit bei 5,6 Prozent.
Durch die anhaltende Niedrigzinsphase wurde der Kapitalisierungsfaktor mit dem Gesetz zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vom 04. November 2016) rückwirkend für das Jahr 2016 und für die folgenden Jahre auf 13,75 festgeschrieben.

Ähnlich dem Ertragswertverfahren: Discounted-Cash-Flow-Methode

Das Bewertungsprinzip des Discounted-Cash-Flows ähnelt dem des Ertragswertverfahrens: eine Überschussgröße wird auf den Gegenwartswert diskontiert. Im Unterschied zum Ertragswertverfahren wird bei dieser Methode der zukünftige Cash-Flow des Unternehmens (bei einem angenommenen Verschuldungsgrad von null) als Basis herangezogen.
Der Cash-Flow zeigt an, welcher eigenerwirtschaftete Betrag im Unternehmen für Investitionen, Kredittilgungen, Steuern, Ausgleich von drohenden Engpässen und so weiter zur Verfügung steht. Einfach ausgedrückt ist der Cash-Flow die Differenz zwischen den unternehmensbezogenen Einnahmen und den unternehmensbezogenen Ausgaben innerhalb einer bestimmten Periode. Somit sagt der Cash-Flow mehr über die Finanzkraft eines Unternehmens aus als der Gewinn.
Bei der Discounted-Cash-Flow-Methode wird der ermittelte Cash-Flow für drei Planjahre hochgerechnet und über den Kapitalisierungszins auf den heutigen Kapitalwert abgezinst.

Substanzwertverfahren

Der traditionelle Substanzwert bezeichnet den Betrag, den ein Käufer für die Errichtung einer „Kopie“ des Unternehmens aufwenden müsste.

Teilreproduktionswert

Im ersten Schritt werden die Positionen des betriebsnotwendigen Vermögens (zum Beispiel Warenbestand, Fuhrpark, Maschinen) einzeln und entsprechend ihrer Wiederbeschaffungskosten bewertet. Von dem so ermittelten Wert sind die zu übernehmenden Schulden abzuziehen. Ergebnis ist der sogenannte Teilreproduktionswert.

Vollreproduktionswert

Die Inventarliste enthält weder die immateriellen Wirtschaftsgüter (zum Beispiel selbst geschaffene Patente und Software) noch den Firmenwert (zum Beispiel Kundenstamm, Lieferbeziehungen, Standort, Know-how der Mitarbeiter). Im zweiten Schritt ist daher zu überlegen, welche Aufwendungen erforderlich sind, um die entsprechenden immateriellen Wirtschaftsgüter und den Firmenwert zu rekonstruieren. Hierbei ist man auf Schätzungen angewiesen. Werden zum bereits ermittelten Teilreproduktionswert die immateriellen Werte hinzugerechnet, ergibt sich der Vollreproduktionswert.

Liquidationswert

Bei dieser Variante des Substanzwertverfahrens werden die Vermögensgegenstände laut Inventarliste nicht mit den Wiederbeschaffungskosten, sondern mit den am Markt erzielbaren - teilweise deutlich niedrigeren - Verkaufspreisen bewertet. Es wird der Wert ermittelt, der bei der Zerschlagung des Unternehmens erzielt werden kann. Der Liquidationswert markiert damit die Wertuntergrenze.
Vereinfachte Darstellung:
Substanzwertverfahren
      Wiederbeschaffungswert
+   Forderungen
./.  Verbindlichkeiten                                          
      Liquidationswert der
      Wirtschaftsgüter
+   Forderungen
./.  Verbindlichkeiten
= Substanzwert - Teilreproduktionswert = Liquidationswert
+   geschätzter Wert der immateriellen 
      Güter 
+   Firmenwert
= Substanzwert - Vollreproduktionswert

Der Vorteil des Verfahrens liegt in der einfachen Anwendung. Eine Zukunftsprognose ist nicht erforderlich, was wiederum auch ein Nachteil sein kann. Problematisch ist die Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen (zum Beispiel Markenname, Kundenstamm), da diese kurzfristig nur schwer reproduzierbar sind. Es handelt sich um eine Einzelbewertung, dass heißt das Zusammenspiel der einzelnen Wirtschaftsgüter wird nicht betrachtet und unter Umständen wird damit ein unprofitables Unternehmens „reproduziert“.
Die Bewertungsmethode kann sich jedoch bei solchen Unternehmen eignen, bei denen ein hohes Anlagevermögen vorhanden ist und immaterielle Wirtschaftsgüter und Firmenwerte nur im geringen Umfang vorhanden sind.

Hinweise, Literatur und Links

Experten für die Ermittlung des Unternehmenswertes sind spezialisierte Steuerberater, Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer. Diese sind unter anderem zu finden über:
Wichtig bei der Auswahl externer Berater ist sowohl die Erfahrung in Bewertungen, als auch die Kenntnis über die Marktsituation von Unternehmen aus der Branche. Beratungskosten können unter bestimmten Voraussetzungen durch die Beratungsförderung des Bundes bezuschusst werden. Von einer Förderung ausgeschlossen sind jedoch Beratungen, die überwiegend gutachterliche Stellungnahmen zum Inhalt haben.
Dieser Artikel ist ein Service der IHK. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Quelle: IHK für München und Oberbayern