Wirtschaft und Wissenschaft in der Praxis vereint

Gründungsbedingungen im Vergleich: Berlin und die IHK-Region Bodensee-Oberschwaben

Die folgende Studie wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Zeppelin Universität in Kooperation mit dem ZEPPELIN-Lehrstuhl für International & Digital Economics erstellt. Ziel der Arbeit war es, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über regionale Gründungsbedingungen zu gewinnen und daraus praxisnahe Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Gründungsförderung abzuleiten.
Start-ups gelten als Motor für Innovation, wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wandel. Doch die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen unterscheiden sich je nach Standort erheblich. In der vorliegenden Untersuchung stehen die Start-up-Hochburg Berlin und die ländlich geprägte IHK-Region Bodensee-Oberschwaben im direkten Vergleich – mit besonderem Fokus auf Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen.

Ausgangspunkt der Forschung

„Kapitalbeschaffung für Existenzgründungen und Start-ups – wie unterscheiden sich die Gründungsbedingungen zwischen der Großstadt Berlin und der IHK-Region Bodensee-Oberschwaben?“

Unterschiede in der Finanzierung – und was sie bedeuten

Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede bei der Kapitalbeschaffung. Während Start-ups in Berlin von einem dichten Netzwerk aus Investorinnen und Investoren, Förderprogrammen und Venture-Capital-Gesellschaften profitieren, finanzieren sich viele junge Unternehmen in der IHK-Region Bodensee-Oberschwaben überwiegend selbst. Auffällig ist, dass in der Region Bodensee-Oberschwaben weniger externes Kapital verwendet wird – nicht zuletzt, weil das Angebot an entsprechenden Finanzierungsinstrumenten deutlich geringer ist. Viele Unternehmen greifen daher auf klassische Bankkredite zurück, die jedoch schnell an ihre Grenzen stoßen, da Kreditinstitute bei neuen, innovativen Geschäftsmodellen das Risiko häufig nicht allein tragen können.
Hier kommen Business Angels ins Spiel. Sie können nicht nur Kapital bereitstellen, sondern auch mit ihrer Erfahrung, ihren Netzwerken und ihrem unternehmerischen Know-how entscheidend zum Wachstum beitragen. In Verbindung mit einer stärkeren Vernetzung zwischen Start-ups, Hochschulen und den zahlreichen mittelständischen Unternehmen der Region kann so ein dynamischeres Gründungsökosystem entstehen.
Dieses Muster zeigt eine überregionale Herausforderung: In urbanen Zentren hat sich über Jahre eine dynamische Gründungskultur etabliert, die in kleineren Städten und ländlichen Räumen nur schwer reproduzierbar ist. Dabei spielen nicht nur der Zugang zu Kapital, sondern auch Netzwerke, Mentoring-Angebote und ein positives Gründungsimage eine zentrale Rolle für den Erfolg.

Chancen und Potenziale im ländlichen Raum

Trotz dieser Unterschiede bietet die IHK-Region Bodensee-Oberschwaben hervorragende Voraussetzungen für eine lebendige Start-up-Landschaft. Große Unternehmen erwirtschaften hohe Gewinne, der Tourismus floriert, und mit Friedrichshafen gehört eine der wohlhabendsten Städte Deutschlands zur Region. Zudem bestehen starke industrielle Kompetenzen – insbesondere in der Luft- und Raumfahrt –, die als Grundlage für thematische Schwerpunkte und neue Innovationsfelder genutzt werden können.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auch hier visionäre Ideen Realität werden können: Schon Graf Zeppelin musste vor über 100 Jahren um Unterstützung für seine Luftschiffe kämpfen. Sein Durchhaltevermögen und sein Glaube an die eigene Idee führten schließlich zum Erfolg – ein Beispiel, das auch heute noch für Gründerinnen und Gründer relevant ist.

Handlungsempfehlungen für eine starke Gründungsregion

Auf Basis einer quantitativen Umfrage unter Start-ups beider Regionen leitet die Arbeit konkrete Handlungsempfehlungen ab:
  • Stärkere Vernetzung: Hochschulen, etablierte Unternehmen und Gründungsinitiativen sollten enger zusammenarbeiten, um ein unterstützendes Ökosystem zu schaffen.
  • Einbindung von Business Angels: Erfahrene Gründerinnen und Gründer können jungen Unternehmen wertvolles Wissen vermitteln, den Zugang zu Netzwerken erleichtern und die Finanzierungslücke schließen.
  • Gezielte Themenschwerpunkte: Die Fokussierung auf regionale Stärken – etwa Luft- und Raumfahrt – kann eine klare Identität und internationale Sichtbarkeit erzeugen.
  • Investitionen in Infrastruktur und Veranstaltungen: Formate wie der „Investor Summit Bodensee“ sollten ausgebaut werden, um Kapitalgeber und Start-ups besser zu vernetzen.

Fazit

Die Bachelorarbeit zeigt: Während Berlin durch ein stark ausgebautes Start-up-Ökosystem überzeugt, liegen in der IHK-Region Bodensee-Oberschwaben ungenutzte Potenziale. Mit gezielten Maßnahmen, einer gemeinsamen Strategie und einer stärkeren Vernetzung kann die Region zu einem attraktiven Standort für innovative Gründungen werden.
Die Region weist im bundesweiten Vergleich bereits eine solide Gründungsaktivität auf. Viele junge Unternehmen haben jedoch Schwierigkeiten, über die Anfangsphase hinaus zu wachsen. Eine verbesserte Kapitalversorgung, mehr Unterstützung durch Business Angels sowie eine engere Zusammenarbeit mit etablierten Mittelständlern können hier entscheidende Impulse setzen.

Bearbeitet von:

Richard Reichel
Studiengang: Corporate Management & Economics
Semester: Spring Semester 2025

Kooperationspartner:

Jürgen Kuhn, IHK Bodensee-Oberschwaben

Betreuer:

Prof. Dr. Jarko Fidrmuc & Dr. Fabian Reck