Wasserstoff: Daran erinnern, dass es die Lausitz gibt

Im Juli hat der Verbund aller Erdgasnetzbetreiber in Deutschland seine Pläne zum Aufbau des Wasserstoff-Pipelinenetzes in D (H₂-Kernnetz) bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) prüft nun diese Anmeldung. Der für Ostdeutschland (inkl. Brandenburg) zuständige Erdgasnetzbetreiber Ontras hat dabei für Brandenburg Fakten auf dem großen Wasserstoffnetzwerk-Treffen Ende September in Schwarze Pumpe präsentiert – und offenbarte eine wesentliche Lücke.
Positiv wird konstatiert, dass die von Berlin über Rüdersdorf (Cemex-Zementproduktion mit H2) über Eisenhüttenstadt (Arcelor Mittal – H2-Stahlproduktion) bis in der Lausitz (Gas/Wasserstoffgrundlastkraftwerke in Schwarze Pumpe, Jänschwalde und Boxberg) neu zu bauende Wasserstoffpipeline weiterhin fester Bestandteil der Pläne zum Aufbau des H2-Kernnetzes ist. Negativ jedoch fällt auf, dass bei dieser neu zu bauenden Lausitzer H2-Pipeline in der Anmeldung der Ferngasnetzbetreiber bei der Bundesnetzagentur der „Vorhabensträger“ fehlt. (Der Vorhabensträger baut die Trasse und betreibt sie dann auch.)

Erhebliche Lücken in der Lausitz


In der Lausitz gibt es deshalb Irritationen über den Antragsentwurf der Ferngasnetzbetreiber bei der BNetzA zum Aufbau des Wasserstoffkernnetz in Deutschland und in der Lausitz.
Jens Krause, IHK Cottbus, Sprecher des brandenburgisch-sächsischen Wasserstoffnetzwerks „DurcH2atmen“, erklärt: „Wir sind sehr verwundert, dass in der Beschreibung der neu zu bauenden Wasserstoffpipeline von Berlin nach Rüdersdorf, weiter nach Eisenhüttenstadt und weiter nach Spreetal in der Lausitz, in den Begleitunterlagen zum Kernnetz‚ kein Vorhabensträger für dieses Vorhaben benannt ist‘. Die BNetzA und die Fernleitungsnetzbetreiber müssen schnellstmöglich Transparenz darüber schaffen, wer die Verantwortung für den Bau und den Betrieb der geplanten Pipelines trägt.“
Zudem müssten Bund und Länder gemeinsam die Netzbetreiber daran erinnern, dass es die Lausitz gibt. Es bedürfe einer engen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, der EU und den lokalen Fürsprechern.

Wer übernimmt Verantwortung für die Trasse?

Die fehlende Planungssicherheit bestätigte Ontras-Referentin Martina Schulz-Zentner auf dem großen Treffen des Wasserstoffnetzwerk. Ohne Vorhabensträger fehle eine Organisation, die Verantwortung für die Trasse übernimmt. Zudem sei die Finanzierung nicht gesichert. Verzögerungen könnten nicht nur Investoren, sondern auch die Entwickler der Infrastruktur hart treffen, betonte Schulz-Zentner.
„Ohne eine schnelle und leistungsfähige Anbindung der Lausitz an eine Wasserstoffleitung wird es keinen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in der Lausitz geben“, warnte sie.

Entspricht nicht den Zielen des Strukturwandels

Jens Krause nimmt an, dass darin eine versteckte Priorisierung der H2-Pipeleineneubauprojekte durch die Ferngasnetzbetreiber zu vermuten ist. Konkret würde das für die neu zu bauende H2-Pipeline Berlin-Spreetal eine niedrigere Priorität in der Umsetzung und höchstwahrscheinlich eine zeitlich nachgelagerte Umsetzung bedeuten.
„Dies können wir weder als Wasserstoffnetzwerk noch als IHK Cottbus mittragen. Eine derartige Vorgehensweise entspricht auch nicht den Zielen des Strukturwandels und wäre ein entscheidender Wirtschaftsraumnachteil für die betroffenen Unternehmen, die zwingend auf eine schnelle und leistungsfähige Anbindung an das Deutsche Wasserstoffpipelinenetz angewiesen sind. Wir fordern deshalb die BNetzA auf, entsprechende Korrekturen in den Plänen der Ferngasnetzbetreiber zu den Wasserstoffkernnetz-Planungen vorzunehmen, um große Teile von Ostdeutschland und die Lausitz nicht von der geplanten Wasserstoffpipelineinfrastruktur abzukoppeln.“
In einem Brief an die Bundesnetzagentur nimmt Hendrik Fischer, Staatssekretär beim Brandenburger Wirtschaftsministerium (MWAE), dazu Stellung und bestätigt die Sorgen: „Dies ist insofern unverständlich, da bereits … ein Zuwendungsbescheid an die Firma Ontras übergeben wurde.“ Seitens des BMWK bzw. der Netzagentur „muss daher zügig daraufhin gewirkt werden, dass sich hier ein Vorhabenträger bekennt oder alternativ einer benannt wird.“

Keine finale Kraftwerksstrategie

Was auf den ersten Blick nicht logisch erscheint und in der Begründung für Nicht-Insider eher abstrakt klingt, hat, so Jens Krause, letztlich einen klar betriebswirtschaftlichen Grund. Es ist nach wie vor nicht sicher, ob die Leag neben ihren Kohlekraftwerken in Schwarze Pumpe, Jänschwalde oder Boxberg neue Kraftwerke für Gas und Wasserstoff errichten kann. Dies liegt daran, dass das BMWK noch immer keine finale Kraftwerksstrategie vorgelegt hat
„Ein typisches Henne- Ei-Problem“, kommentiert Roland Peine, ASG-Geschäftsführer und Industrieparkmanager Schwarze Pumpe. „Die Lausitzer Investoren, die auf Wasserstoff setzen, warten auf die Pipeline, während die Pipelinebauer auf feste Abnehmer warten.“
Schlicht und einfach rechnet sich der Betrieb der Trasse in die Lausitz für die Ontras nicht, wenn neben einiger kleinerer Abnehmer und Lieferanten beispielsweise im Industriepark oder beim Green Areal Lausitz (GRAL) Jänschwalde nicht seitens der Leag ein großer Kraftwerksabnehmer existiert.

Viele kleine Produzenten zu teuer

Per Wiesner, Wasserstoff-Projektleiter bei der Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz mbH (ENO), bestätigt das: „Der Netzausbau ist einseitig an Verbrauchern orientiert. Viele kleinere Produzenten sind für den Betreiber des Verteilnetzes zu teuer. Auf die ländlichen Regionen kommt es an, wenn man mehr Grünstromproduzieren will, dasselbe gilt für Wasserstoff. "
Ist das große Potenzial der Lausitz für die Produktion von grünem Wasserstoff deshalb eher ein Nachteil? Obwohl ein Kernprodukt der Energiewende und wesentlicher Bestandteil des mittlerweile in Fahrt gekommenen Strukturwandel, obwohl durch das exklusive Angebot der Europäischen Union für Net Zero Valley Lausitz bestätigt wurde – könnte die Region, was die Entwicklung des dafür notwendigen deutschen Wasserstoffnetzes betrifft, also ins Hintertreffen geraten.

Ontras-Pläne korrigieren

„Wir fordern die Bundesnetzagentur auf, die Ontras-Pläne zu korrigieren, damit nicht große Teile Ostdeutschlands (für das H2-Projekt in Nordwestbrandenburg gibt es ähnliche Probleme) und die gesamte Lausitz von der geplanten Wasserstoffpipeline abgekoppelt werden“, so Jens Krause und seine Mitstreiter vom Netzwerk.

Erdgasleitung Opal als Alternative?

Welche Alternativen gibt es, wenn seitens des Bundes keine verbindliche Entscheidung getroffen wird?
Dann müsste die Nutzung der bereits vorhandenen Opal-Leitung geprüft werden, erläutert Jens Krause. Die Trasse, ursprünglich für den Transport russischen Erdgases angelegt, kommt aus Lubmin an der Ostsee, führt westlich an Berlin vorbei und zieht sich bis Tschechien. Eine Röhre wäre frei, so der Sprecher von DurcH2atmen.
Aber das allein genüge natürlich nicht. Um- und Ausbauten wären nötig, Nebentrassen zu den Abnehmern müssten gebaut, Infrastruktur installiert werden. Das wiederum sei ohne Unterstützung des Landes Brandenburg nicht möglich.
Das MWAE in Potsdam teilte dazu jedoch auf Anfrage nur wiederholend mit, dass man sich dafür einsetze, „dass für die im Kernnetz bisher ohne Vorhabenträger ausgewiesene Trasse … ein Vorhabenträger gefunden und benannt wird.“
Brandenburg führe zudem intensive Gespräche mit dem Bund und den Gasnetzbetreibern; das weitere Verfahren und die abschließende Entscheidung lägen jedoch ausschließlich in der Hand der BNetzA bzw. rechtlich beim BMWK. Hier sei die für Mitte Oktober angekündigte finale Festsetzung des Kernnetzes abzuwarten.
„Wir prüfen zudem alle Möglichkeiten, die aktuell vorherrschenden Marktrisiken zu reduzieren, sodass sich zeitnah ein Vorhabenträger für die betroffenen Trassenabschnitte bekennt. Hier sind die Möglichkeiten des Landes jedoch begrenzt. Es kommt jetzt darauf an, die geplanten Wasserstoffprojekte in den
betroffenen Regionen gegenüber der BNetzA und dem BMWK gut sichtbar zu machen.“ Noch im Oktober sollte eine verbindliche Karte zum Ausbau des Wasserstoffkernnetzes öffentlich gemacht werden. . Die Ergebnisse lagen bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Der Artikel für das FORUM 11/2024 wurde geschrieben von Jörg Tudyka.