Ohne Ausschreibung zum Auftrag
Leichtere Vergabe, zügigere Erbringung von Leistungen: Die Erhöhung der Wertgrenzen bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen durch die Brandenburger Landesregierung soll die Unternehmen entlasten. Öffentliche Aufträge können seit Juni bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 Euro direkt beauftragt werden, ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens (Position der Brandenburger IHKs). Bisher lag die Grenze bei 1000 Euro beziehungsweise 3000 Euro. Mit der Anhebung der Werte solle die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand vereinfacht und entbürokratisiert werden, so das Wirtschaftsministerium in Potsdam. Das könne ein Beitrag sein, um den Investitionsstau aufzulösen und die kommunalen Verwaltungen von Bürokratie zu entlasten.
Für Unternehmen bedeuten die neuen Wertgrenzen eine Erleichterung, bestätigt Kay Behrendt, Inhaber des Elektrogroßhandels Behrendt in Cottbus mit 45 Beschäftigten. „Der bürokratische Aufwand wird deutlich minimiert“, sagt er.
Bisher habe es sich oft nicht gelohnt, sich an öffentlichen Ausschreibungen mit einem kleineren Auftragsvolumen zu beteiligen. Mehrere Tage Arbeitszeit kostet es das Unternehmen, dafür die gesamten Formulare und geforderten Unterlagen zusammenzustellen. Hinzu kommen oft sogar noch Kosten für den Download der Ausschreibungsunterlagen. Wenn für eine Direktvergabe ein normales Angebot erstellt wird, ist das mit bedeutend weniger Aufwand verbunden. Und zu bedenken ist auch: Häufig geht ein Unternehmen bei einer Ausschreibung leer aus. Nur der billigste Bieter bekommt schließlich den Zuschlag. Die bürokratische Arbeit muss daher oft viele Male erledigt werden, da die Auftraggeber verschiedene Formulare verwenden und unterschiedliche Wünsche an Nachweisen haben.
Ein weiterer Vorteil der Direktvergabe: Der Auftraggeber kann sehr viel schneller reagieren und Investitionen können schneller umgesetzt werden. „Das kann zum Beispiel bei den Strukturwandelprojekten in der Lausitz wichtig sein“, gibt Kay Behrendt zu bedenken, der auch Mitglied der Vollversammlung und des Haushaltsausschusses der IHK Cottbus ist.
Schließlich seien viele der Fördermittel termingebunden und könnten verfallen. Bei Ausschreibungen mit kleinerem Volumen gibt es nach Beobachtung von Kay Behrendt bislang in manchen Fällen gar keine Bewerber mehr, weil die Unternehmen den hohen Aufwand der Dokumentation scheuen. Er begrüßt es daher sehr, dass die Brandenburger Landesregierung an den Vergabeprozess herangegangen ist. Zu den Kunden des Elektrogroßhandels Behrendt gehören unter anderem die Deutsche Bahn, die Bundeswehr, der Bundestag oder auch kommunale Auftraggeber. Für das Unternehmen spielt die Änderung daher eine große Rolle.
Auftragsberatungsstelle unterstützt die Unternehmen
Bisher hat allerdings auch Kay Behrendt noch keine Erfahrungen mit dem neuen Verfahren gesammelt. „Wir sind in positiver Erwartung“, sagt er. Zur Seite steht den Brandenburger Unternehmen bei allen Fragen rund um öffentliche Aufträge die Auftragsberatungsstelle Brandenburg, eine gemeinschaftliche Einrichtung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern im Land Brandenburg (Mehr Information zur Auftragsberatungsstelle).
Auf deren Webseite sind auch die neuen Wertgrenzen für Vergabeverfahren detailliert beschrieben. Petra Bachmann, die Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle, weist allerdings darauf hin, dass in Brandenburg wegen der Nähe zu Polen die sogenannte Binnenmarktrelevanz zu beachten ist.
„Das bedeutet, dass ein öffentlicher Auftrag, obwohl er unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt, für Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten interessant sein könnte“, sagt Petra Bachmann.
Wegen dieser Binnenmarktrelevanz müssen Vergabestellen ihre beabsichtigten Direktaufträge vorher – oder im Fachjargon ex ante – bekannt machen. Solche ex-ante-Bekanntmachungen sind auf dem Vergabemarktplatz Brandenburg zu finden. Unternehmen sind gut beraten, so Bachmann, sich dort regelmäßig zu informieren und bei interessanten Aufträgen gegenüber der Vergabestelle ihr Interesse zu bekunden, damit sie gegebenenfalls berücksichtigt werden. Zu finden sind sie auf der Webseite https://vergabemarktplatz.brandenburg.de unter Nutzung der Suchfunktion „Beabsichtigte Ausschreibung“. Die Auftragsberatungsstelle bietet regelmäßige Schulungen zu vergaberechtlichen Themen an und unterstützt zudem Vergabestellen bei der Durchführung von Vergabeverfahren. Im vergangenen Jahr hat sie ein Vergabehandbuch mit einem Überblick über die Rechtslage und Praxisbeispielen herausgegeben, das von Unternehmen kostenlos angefordert werden kann.
Grundsätzlich gilt: Gerade für kleine Betriebe ist es wegen des komplexen Vergaberechts nicht einfach, sich an Vergaben zu beteiligen. In Brandenburg ist die Mehrzahl der Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern kleinbetrieblich strukturiert. Nur die wenigsten Unternehmen verfügten aber über einen Mitarbeiter mit vergaberechtlicher Expertise, sagt Rechtsanwältin Petra Bachmann.
„Dies führt dazu, dass von einer Beteiligung an lukrativen Vergabeverfahren doch abgesehen wird oder aber, dass unternehmerseits Fehler gemacht werden, die eine Beauftragung verhindern“, berichtet die Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle Brandenburg.
Die Auftragsberatungsstelle ist auch eine zugelassene Präqualifizierungsstelle. Die Präqualifizierung ist eine vorgelagerte und auftragsunabhängige Prüfung und Beurteilung, ob ein Unternehmen die grundsätzlichen Anforderungen an die Eignung in einem Vergabeverfahren erfüllt. Die Unternehmen, die das Verfahren durchlaufen haben, werden in das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis Brandenburg (ULV) sowie in das Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen im Liefer- und Dienstleistungsbereich (AVPQ) aufgenommen. Sie müssen dann die geforderten Eignungsnachweise nicht mehr jedes Mal von Neuem zusammenstellen und einreichen, es sei denn, es sind auftragsbezogen weitergehende Eignungsnachweise erforderlich. Auch für den Auftraggeber verringert sich mit der Präqualifizierung der mit der Prüfung der Nachweise einhergehende Aufwand.
Vergabekonferenz am 13. November in Cottbus
Die IHK Cottbus ist gemeinsam mit Partnern aktiv, um Unternehmen beim Thema Auftragsvergabe zu unterstützen. Ein wichtiges Datum ist dabei die Vergabekonferenz am 13. November von 9:00 - 14:00 Uhr, welche erstmals regional ausgeweitet wird auf die Stadt Cottbus und den Landkreis Spree-Neiße. Unter dem Motto „Ganz großes Kino“ zieht die Konferenz diesmal in den traditionsreichen Weltspiegel Cottbus. Link zur Vergabekonferenz.
Nach dem Erfolg im vergangenen Jahr wird sie in diesem Jahr ausgeweitet, berichtet René Handreck, IHK-Regionalmanager Cottbus/ Spree-Neiße. „Die Vergabekonferenz 2024 war sensationell gut besucht. Es sind mehr als 200 Teilnehmer gekommen“, so Handreck.
Über 200 Gäste kamen im letzten Jahr zur ersten Vergabekonferenz in Cottbus.
Mehr als doppelt so viele Anbietende wie im Vorjahr haben fünf Wochen vor Anmeldeschluss am 14. Oktober bereits über 380 Vergaben angekündigt.
Die große Nachfrage ist auch als Zeichen zu werten, dass es sehr viel Informationsbedarf zu den Fragen der Auftragsvergabe gibt. In diesem Jahr, mit der im Juni in Kraft getretenen Neuregelung, dürfte sich das nicht geändert haben, denn für viele Unternehmen dürften in dieser Hinsicht noch Fragen offen sein.
Die große Nachfrage ist auch als Zeichen zu werten, dass es sehr viel Informationsbedarf zu den Fragen der Auftragsvergabe gibt. In diesem Jahr, mit der im Juni in Kraft getretenen Neuregelung, dürfte sich das nicht geändert haben, denn für viele Unternehmen dürften in dieser Hinsicht noch Fragen offen sein.
FORUM/ Brandenburg Media / Ulrich Nettelstroth