Nr. 5124592
Recht und Steuern

Umsatzsteuer bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen

Unternehmen, die Ware an Privatkunden oder andere Abnehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer versenden, sollten prüfen, ob sie sich im One-Stop-Shop des Bundeszentralamts für Steuern registrieren lassen.
Innergemeinschaftliche Fernverkäufe sind Lieferungen, bei denen der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates gelangt. Das liefernde Unternehmen ist dabei direkt oder indirekt am Warentransport beteiligt. Die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe umfassen daher nicht die Abhollieferungen. Die Erwerber sind entweder keine Unternehmer oder atypische Unternehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Nicht betroffen sind daher die innergemeinschaftlichen Lieferungen an andere Unternehmen, die über eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügen. Seit dem 1. Juli 2021 unterliegen die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe im Bestimmungsland der Ware der Umsatzsteuer (Bestimmungslandprinzip). Für die Umsatzsteuer ist daher maßgebend, an welchem Ort sich die Ware am Ende des Transports befindet.
Ausnahmen gelten für jene Unternehmen, die in nur einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind und die die Bagatellgrenze von 10.000 Euro weder im vorangegangenen noch im laufenden Kalenderjahr überschritten haben. Dieser Schwellenwert bezieht sich auf den Gesamtbetrag der Entgelte für alle innergemeinschaftlichen Fernverkäufe in der gesamten Europäischen Union. Darüber hinaus sind insbesondere die Umsätze mit digitalen Dienstleistungen an Nichtunternehmer beziehungsweise atypische Unternehmer hinzuzurechnen. Zu diesen Leistungen gehören beispielsweise Webinare sowie der Verkauf von eBooks oder Apps. Wird die Bagatellgrenze nicht überschritten, werden die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe in dem Land versteuert, in dem der Warentransport beginnt. Die Unternehmen können jedoch freiwillig auf die Anwendung der Bagatellgrenze verzichten, falls sie ihre innergemeinschaftlichen Fernverkäufe und digitalen Dienstleistungen lieber im Bestimmungsland der Umsatzsteuer unterwerfen möchten.
Das Bestimmungslandprinzip wird außerdem in folgenden Fällen nicht angewandt:
  • Lieferungen von neuen Fahrzeugen
  • Montagelieferungen
  • Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen und
  • Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren.

Die Umsatzsteuer kann direkt an die Finanzverwaltung des jeweiligen EU-Bestimmungslandes abgeführt werden. Dies erfordert jedoch die umsatzsteuerliche Registrierung in bis zu 27 EU-Mitgliedstaaten. Um diese bürokratische Belastung zu vermeiden, können sich die Unternehmen alternativ im One-Stop-Shop des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) registrieren lassen. Sie deklarieren gegenüber dem BZSt ihre innergemeinschaftlichen Fernverkäufe (und ihre sonstigen Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 5 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG), zu denen insbesondere die oben erwähnten digitalen Dienstleistungen zählen). Sie führen die ausländische Umsatzsteuer an das BZSt ab, das diese an das jeweilige Bestimmungsland weiterleitet. Die Teilnahme am One-Stop-Shop ist nur einheitlich für alle innergemeinschaftlichen Fernverkäufe und Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG möglich. Das Bundeszentralamt für Steuern bietet im Internet detaillierte Informationen zum One-Stop-Shop an.
Unternehmen können den One-Stop-Shop jedoch nicht für Lieferungen nutzen, bei denen die Ware innerhalb eines EU-Mitgliedstaates transportiert wird. Auch das unternehmensinterne innergemeinschaftliche Verbringen (§ 3 Abs. 1a UStG) können sie nicht im One-Stop-Shop deklarieren. Dies betrifft beispielsweise den Versand von Ware an ein Auslieferungslager im EU-Ausland; ein Fall der häufig im Rahmen von sogenannten “Fulfillment-Service”-Strukturen auftritt. Es wird daher auch in Zukunft Fälle geben, in denen sich Unternehmen im EU-Ausland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen müssen.
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Dipl.-VW, Dipl-Finanzwirt (FH)Hagen Hintze
Geschäftsbereich Starthilfe, Unternehmensförderung, Recht