Mut zum ersten Schritt

KI in der Produktion: Chancen und Herausforderungen


Der Einsatz von KI in der Produktion kann Unternehmen effizienter und wettbewerbsfähiger machen, vor allem für KMU sind die Hürden zum Einstieg jedoch oftmals hoch. Die KI-Experten Markus Friedrich und Christoph Hoffmann sprechen im Interview über mögliche Anwendungsfelder und erste Schritte dorthin.

Wie verbreitet ist KI in der Produktion bereits?
Markus Friedrich: Hierzu existieren ja bereits zahlreiche Studien, die Aufschluss über die Quoten liefern. Was uns an diesen Statistiken sehr freut ist, dass, selbst wenn im befragten Unternehmen noch keine direkten KI-Anwendungen existieren, ein Einsatz geplant ist oder zumindest diskutiert wird. Das bedeutet für uns: Die Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema und es ist eine gewisse Neugier vorhanden! Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen sind die Hürden für den Einsatz oder gar die Entwicklung eigener KI-Anwendungen jedoch oftmals sehr hoch. Beim Überwinden dieser Hürden und beim Spezifizieren der genauen Anwendungsbereiche versuchen wir dann zu helfen.
Christoph Hoffmann: Als Forschungseinrichtung waren wir beispielsweise in einem technisch sehr fortschrittlichen Unternehmen, deren Fokus auf dem Deployment von KI-Modellen mittels MLOPS lag. Dabei geht es um einen Ansatz, wie man KI-Modelle kontinuierlich weiterentwickelt und sie in der Produktion fortwährend bereitstellt, mit Sicherheitschecks, Datenaufbereitung, Neutraining und allem, was dazu gehört. Hier wurden also KI-Anwendungen schon sehr intensiv im laufenden Betrieb eingesetzt. Einige andere Unternehmen befassen sich zunächst mit Insellösungen, mit Leuchtturmprojekten, bei denen es darum geht, erste Erfahrung mit der Technologie zu sammeln und im Unternehmen aufzuzeigen was möglich ist, um auch eine Motivation für Mitarbeiter zu schaffen und Zweifel oder Verunsicherungen zu beseitigen. Wieder andere Unternehmen sind dabei erst einmal Anwendungsfälle zu identifizieren und überlegen, inwiefern KI ihrem Unternehmen helfen kann.

Was sind mögliche Anwendungsfelder von KI in der Produktion?
Hoffmann: KI wird in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen eingesetzt. Im Allgemeinen geht es um Prozessautomatisierung. Als konkretes Beispiel haben wir in unserem Projekt ProEnergie Energiebedarfe von Produktionsanlagen analysiert. Mit Hilfe von Produktionsdaten und Wetterinformationen konnten wir einer KI beibringen, wie der zeitliche Verlauf des energetischen Energieverbrauchs aussieht. Im nächsten Schritt ist es mit Produktionsplanungsdaten möglich diese Verläufe vorherzusagen. Wenn ich also weiß, was ich wann produziere, kann ich durch diese Prognosen analysieren, wo ich z.B. Lastspitzen haben werde, und kann Maßnahmen ergreifen, um diese zu verhindern und um Kosten zu sparen, da die Kosten sich meist an den Lastspitzen orientieren.
Friedrich: Im Vordergrund vieler unserer Projekte steht meist die Optimierung von Produktionsprozessen, die speziellen Ziele können dabei vielfältig sein. Generell können durch die Analyse von Produktions- und Prozessdaten mithilfe von KI bspw. Engpässe identifiziert, der Ressourceneinsatz optimiert und somit die gesamte Produktion effizienter gestaltet werden. Ein weiterer Fokus ist es, die Mitarbeitenden des Unternehmens durch den Einsatz von KI zu unterstützen. Weit verbreitet sind dabei Anwendungen im Bereich Predictive Maintenance, indem durch die KI-basierte Analyse von Daten (bspw. Sensordaten) der Zustand von Werkzeugen oder Maschinen analysiert und vorhergesagt wird, um Wartungsbedarfe frühzeitig zu erkennen, was wiederum eine vorausschauende Instandhaltung ermöglicht, ungeplante Ausfallzeiten und insgesamt Aufwände minimiert. Ein weiteres Beispiel ist aus dem Bereich der Qualitätskontrolle und -sicherung. Im Rahmen eines Projektes bei einem Automobilzulieferer konnten wir zum Beispiel mithilfe von KI bildbasierte Qualitätskontrollen durchführen und so Fehler in Echtzeit erkennen und das maschinenbedienende Personal mit Empfehlungen hinsichtlich der Prozessparametereinstellungen unterstützen, um Ausschuss zu vermeiden.

Welche Vorteile kann der Einsatz bieten?
Hoffmann: KI wird sicher nicht alle Probleme in der Produktion lösen, aber immer dann, wenn es um die Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben oder die Bewältigung großer, komplexer Informationsmengen geht, kann der Einsatz von KI dazu beitragen die Produktivität zu steigern.
Friedrich: Der Einsatz von KI kann generell dazu beitragen ein Unternehmen agiler, effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Die Vorteile des Einsatzes von KI umfassen dabei unter anderem die Verbesserung von Effizienz, Qualität und Flexibilität der Fertigungsprozesse. Wichtig dabei ist es, die KI als eine Art Werkzeug zu verstehen, das Menschen bei ihrer Arbeit unterstützen kann.

Wie können Unternehmen den Einstieg finden?
Friedrich: Der erfolgreiche Einstieg gelingt am besten durch einen strukturierten und schrittweisen Ansatz. Vornan stehen eine sorgfältige Planung mit entsprechender Ressourcenallokation und konkrete mit dem Einsatz von KI verbundene und greifbare bzw. quantifizierbare Ziele, wie beispielsweise Steigerung von Effizienz, Qualität oder Senkung der Produktionskosten. Dann geht es darum Potenziale im eigenen Unternehmen zu finden. Dies gelingt entweder durch eigenes, entsprechend geschultes Personal oder durch das Hinzuziehen externer, fachkundiger Beratung durch bspw. etablierte KI-Unternehmen oder Forschungseinrichtungen. Wir bieten zum Beispiel entsprechende Weiterbildungsprojekte oder aber auch speziell auf produzierende Unternehmen zugeschnittene Workshops an, bei denen wir zunächst kompakt auf die KI-Technologien und Potenziale im Allgemeinen und danach gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Unternehmens auf die speziellen Potenziale im Unternehmen eingehen. Denn niemand kennt die eigenen Prozesse und somit Stellen, an denen die KI ansetzen kann besser als die eigenen Mitarbeitenden. Die so identifizierten Potenziale, gilt es schließlich im Rahmen von Pilotprojekten umzusetzen und zu validieren. Nur wenn man die ersten Schritte wagt, können entsprechende Erfahrungen gesammelt werden, die es ermöglichen weitere potenzielle Anwendungsbereiche zu identifizieren.
Hoffmann: Dem kann ich mich nur anschließen. Ein erfolgreicher Einsatz von KI setzt immer eine sorgfältige Planung sowie eine Schulung und vor allem das Abholen der Mitarbeiter voraus. Es werden, wie bei allen Veränderungen, Mitarbeiter benötigt die offen sind für neue Technologien und Herangehensweisen. Daher ist dieses Grundverständnis bzgl. der KI-Technologien wichtig und muss aus meiner Sicht zuerst aufgebaut werden. Es geht darum Möglichkeiten erst einmal identifizieren und einordnen zu können. Im nächsten Schritt macht man sich dann Gedanken um die Ziele und Erwartungen, die durch den Einsatz von KI im jeweiligen Bereich erreicht werden sollen, bevor man schließlich mit einem ersten verhältnismäßig leicht umzusetzenden Leuchtturmprojekt beginnt. Dass ein Unternehmen ohne Vorerfahrung nicht direkt ein Vorreiter im Bereich der KI-Entwicklung und Implementierung wird, steht außer Frage. Aber mit diesem strukturierten Vorgehen, wie von Herrn Friedrich beschrieben, um Schritt für Schritt vom Grundverständnis, über die Identifikation von Potentialen, auf die Umsetzung und Implementierung von KI-basierten Anwendungen zu kommen, kann der Einstieg sehr gut gelingen. Genau aus diesem Grund haben wir auch unsere KI-Workshops in Teilschritte aufgebaut, mit dem Ziel Mitarbeitende zur Bewertung von Lösungen zu befähigen und am Ende gemeinsam mit den Mitarbeitenden gewinnbringende KI-Anwendungsfälle zu definieren und schließlich auch umzusetzen.

Was sind Hürden, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen?
Friedrich: Die Liste an Hürden kann sehr lang und die einzelnen Hürden oftmals nahezu unüberwindbar erscheinen. Dies wirkt oftmals sehr abschreckend. Hürden umfassen dabei unter anderem den Mangel an qualifiziertem Personal oder Unsicherheiten über die Kosten und den möglichen Return on Investment. Weitere wichtige Hürden sind ethische, soziale und kulturelle Aspekte, wie bspw. der richtige Umgang mit Daten, automatisierter Entscheidungsfindung, Auswirkungen auf Arbeitsplätze oder Widerstände gegen Veränderung. Der Einsatz von KI in der Produktion setzt vor allem die Bereitschaft voraus, dieses Werkzeug auch zu nutzen, wobei gegebenenfalls bestehende Prozesse und Arbeitsweisen angepasst und entsprechend neue Fähigkeiten erlernt werden müssen.

Die aus Entwicklersicht wichtigste Hürde liegt in der (mangelnden) Verfügbarkeit und der Qualität von Daten. Die Leistung von KI-Algorithmen ist sehr stark abhängig von qualitativ hochwertigen Daten. Diese zu erzeugen und zu gewährleisten kann eine Mammutaufgabe sein.

Abschließend sind auch Datenschutz-, Sicherheits- und regulatorische Aspekte nicht zu unterschätzen. Vor allem personenbezogene Daten und Geschäftsgeheimnisse gilt es entsprechend zu schützen und geltende Industriestandards und Gesetze einzuhalten.

Um diese Hürden zu überwinden ist die Entwicklung einer klaren Strategie und die sorgfältige Planung der Ressourcen unabdingbar. Eine schrittweise Einführung in enger Zusammenarbeit mit ExpertInnen (unternehmensintern oder -extern) hilft die Herausforderungen zu bewältigen.
 Hoffmann: Mir stellt sich grundsätzlich eher weniger die Fragen nach Hürden für den Einsatz von KI. Es geht schließlich nicht darum, KI um der KI willen einzusetzen. Aus meiner Sicht sollten Prozessverbesserungsprozesse anwendungsgetrieben und lösungsorientiert sein, unabhängig davon, ob KI zum Einsatz kommt oder nicht. Die Frage, die sich mir hingegen stellt, ist, warum KI bei vielen unternehmensindividuellen Problemstellungen noch nicht berücksichtigt wird. Und genau da spielen diese Themen die Herr Friedrich gerade genannt hat eine entscheidende Rolle. Insbesondere die Fachkenntnisse und Datenqualität sind entscheidend, um Potentiale überhaupt erst identifizieren und bewerten zu können.
Markus Friedrich ist Akademischer Rat auf Zeit und Oberingenieur an der Universität Bayreuth, Lehrstuhl Umweltgerechte Produktionstechnik. Seine Schwerpunkte liegen bei Machine Learning und künstlicher Intelligenz in der Produktion, dezentraler Datenerfassung und -analyse mithilfe eingebetteter Systeme sowie der Entwicklung und Optimierung von Zerspanungswerkzeugen.

Christoph Hoffmann ist Gruppenleiter bei Fraunhofer IPA Schweinfurt – Arbeitsgruppe KI-noW („Künstliche Intelligenz für eine nachhaltig optimierte Wertschöpfung“). In dem Projekt KI-noW werden wertschöpfungsunterstützende Prozesse, Prozesse in der individuellen Massenfertigung und die Beherrschung der Variantenvielfalt in der Montage als Handlungsbereiche adressiert.
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