Transformation ja – aber nicht um jeden Preis

Die Wirtschaft in Oberfranken will den Wandel mitgestalten – doch sie stößt zunehmend an ihre Grenzen. Das zeigt das aktuelle Energiewende-Barometer der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken Bayreuth.

Oberfränkische Wirtschaft warnt vor wachsenden Risiken der Energiewende

„In vielen Betrieben ist die Energiewende längst kein Fortschrittsprojekt mehr, sondern ein ernstzunehmender Risikofaktor“, sagt Johannes Neupert, IHK-Referent für Energie und Dekarbonisierung. Klar ist: Die Transformation gelingt nur, wenn die Wettbewerbsfähigkeit nicht verloren geht. An Engagement und Entschlossenheit im Kampf gegen den Klimawandel mangelt es den Unternehmen nicht.

Stimmung bleibt im Keller – vor allem in der Industrie

Auf einer Skala von minus 100 (sehr negativ) bis plus 100 (sehr positiv) beurteilen die Unternehmen im Kammerbezirk die Energiewende und ihre Folgen aktuell mit einem Barometerwert von minus 25 zwar etwas besser als im Vorjahr (minus 34), aber weiterhin klar negativ. Besonders in der Industrie überwiegt die Sorge um die eigene Wettbewerbsfähigkeit: 56 Prozent der Industrieunternehmen schätzen die Auswirkungen der Energiewende auf ihre Position im internationalen Wettbewerb als negativ ein.
Wir deindustrialisieren gerade schnell und ungebremst.
Der Energiepreis ist einer der Gründe dafür.

Oberfränkisches Industrieunternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden

Klimaziele klar – aber der Weg dorthin ist blockiert

Trotz aller Herausforderungen hält die Mehrheit der Unternehmen an ihren Klimazielen fest. Zwei Drittel der befragten Betriebe wollen bis zum gesetzlich verankerten Zieljahr 2045 CO2-neutral wirtschaften, 43 Prozent sogar früher. Zehn Prozent gaben an, bereits heute klimaneutral zu sein.

Doch der Weg dorthin ist steinig: fehlende Planungssicherheit, zu viel Bürokratie, langwierige Genehmigungsverfahren und nach wie vor hohe Energiekosten. Viele Unternehmen (61 Prozent) berichten von gestiegenen oder anhaltend hohen Preisen für Strom und Wärme in den vergangenen zwölf Monaten. Ein klarer Standortnachteil – vor allem für die energieintensive Industrie. Durch die Diversifizierung der Gasversorgung hin zu verflüssigtem Erdgas (liquefied natural gas, kurz LNG) sind die Strom- und Gaspreise in Deutschland nun stärker an das globale Marktgeschehen gekoppelt. Dies führt zu einer deutlich höheren Schwankung als bisher und zu einem weiterhin spürbar höheren Preisniveau.

„Wer in Deutschland produziert, zahlt für Strom und Gas vielfach mehr als die internationale Konkurrenz – das ist Gift für Investitionen in die Zukunft“, macht Neupert klar. Die Umfrageergebnisse belegen das. Immer mehr Unternehmen stellen Investitionen zurück, insbesondere im Bereich Klimaschutz. Besorgniserregend: Bereits 67 Prozent der befragten großen Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden schränken aufgrund der hohen Energiekosten ihre Produktion im Inland ein oder planen dies zu tun. Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 56 Prozent. Ein deutlicher Anstieg und ein alarmierendes Signal für den Standort Oberfranken.

Wirtschaft fordert entschlossene Kurskorrektur

Die Unternehmen fordern eine verlässliche Energiepolitik und spürbare Entlastungen. IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm stellt klar: „Die oberfränkische Wirtschaft ist bereit zur Transformation, aber sie braucht praktikable Lösungen, nicht zusätzliche Hürden. Die Politik muss jetzt liefern: mit einer Energiestrategie, die Sicherheit schafft, Bürokratie abbaut und Investitionen ermöglicht. Sonst droht der Wandel zur Sackgasse zu werden.“

Mehrheitliche Forderungen an die Politik, um die Energiewende und den Klimaschutz sicher, bezahlbar und umweltverträglich zu gestalten:

93 93 Prozent: Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge (PPAs) verbessern
85 85 Prozent: Stromsteuern und -abgaben weiter senken
78 78 Prozent: Höhere Priorisierung einer stabilen Energieversorgung
77 77 Prozent: Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit als Leitprinzipien für Energieeffizienz
55 55 Prozent: CO2-Abscheidung, -Transport und -Nutzung bzw. -Speicherung ermöglichen
Johannes Neupert
Energie/Dekarbonisierung