Sourcingchancen auf dem Westbalkan

Der Westbalkan ist für deutsche Unternehmen ein Beschaffungsmarkt vor der Haustür. Innerhalb von nur 24 Stunden sind die Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien auf dem Landweg erreichbar. Gerade in der Metall-, Holz- und Kunststoffverarbeitung sowie Textilindustrie, Landwirtschaft und IT bieten sich Möglichkeiten zum Sourcing.

Handel mit EU nahezu zollfrei

Die meisten Waren zwischen der EU und dem Westbalkan können dank Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zollfrei gehandelt werden. Auch der Handel innerhalb der sechs Staaten ist aufgrund des Central European Free Trade Agreements größtenteils zollfrei. Die letzten Handelshemmnisse sollen fallen: Die Westbalkanstaaten haben der EU zugesagt, innerhalb von vier Jahren einen gemeinsamen Markt aufzubauen.
Der Außenhandel blüht bereits auf. Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und den sechs Westbalkanstaaten wuchs bis zur Coronapandemie dynamisch: Zwischen 2015 und 2019 legte er um fast 61 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro zu. Zudem investieren immer mehr ausländische Unternehmen direkt in der Region. Zwischen 2015 und 2018 stiegen die ausländischen Direktinvestitionen um rund 44 Prozent.
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Lohnfertigung zum Einstieg

Ausländische Kunden beginnen die Geschäftsbeziehungen meist mit Aufträgen in Lohnfertigung. Sie konzentrieren arbeitsintensive Schritte auf dem Balkan. So profitieren die Auftraggeber von günstigen Lohnkosten. Im weiteren Verlauf investieren sie dann in die Qualifizierung des Zulieferers oder die Modernisierung des Maschinenparks. Ein Geschäftsmodell, dass sich vor allem für Zulieferungen aus der Metall-, Holz- und Kunststoffverarbeitung sowie der Bekleidungsindustrie anbietet.
Die Metall verarbeitende Industrie ist eine Schlüsselbranche in der Region. Über die zahlenmäßig stärkste Metallverarbeitung verfügt Serbien. Diese ist von kleinen und mittleren Betrieben geprägt. Die Exporte der Branche erreichten 2019 insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Besonders stark ist Serbien dabei in den Bereichen der Autozulieferindustrie, der Herstellung von Werkzeugen und bei Gussprodukten.

Von Massenware bis zum Designerstück

Die international erfolgreiche Holz verarbeitende und Möbelindustrie muss sich ebenfalls nicht verstecken. Grundlage dafür ist eine ausgezeichnete Rohstoffbasis. Alleine in Bosnien und Herzegowina sind 50 Prozent der Fläche von Wald bedeckt. IKEA und andere Möbelgiganten nutzen die Region bereits als Beschaffungsmarkt. Aber auch für hochwertige Holzprodukte ist der Westbalkan bekannt: Auszeichnungen wie der Red Dot Design Award gingen schon mehrere Male dorthin.
Hochwertige Produkte kann ebenfalls die Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie mit ihrer langen Tradition in der Region vorweisen. Heute sind die Länder ein beliebter Standort für die Lohnfertigung. Namhafte Hersteller wie Dolce & Gabbana oder Versace lassen dort produzieren. Die Ausfuhren in Albanien oder auch Serbien durchbrechen dabei jährlich die Marke von 1 Milliarde Euro. Größter Vorteil der Region ist die Möglichkeit, flexibel, hochqualitativ und auch in geringen Stückzahlen produzieren zu können.

Himbeeren für den EU-Markt

Serbiens Landwirtschaft ist regional führend und produziert heute mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Produkte auf dem Westbalkan. In manchen Bereichen gehört das Land sogar zur internationalen Spitze, zum Beispiel beim Anbau von Himbeeren. Rund 60 Prozent aller gefrorenen Himbeeren in der EU stammen aus Serbien. Potenzial besteht hier außerdem im Vertragsanbau. Dabei wird mit lokalen Zulieferern zusammengearbeitet und dann vor Ort oder im Ausland weiterverarbeitet.

Risiken bilden Bürokratie und Politik

Risiken fürs Geschäft sind übersteigerter Nationalismus, politische Instabilität, ethnische Konflikte, intransparente Bürokratie und Korruption. Die politische Lage in der Region ist weiterhin komplex. Vor allem in Bosnien und Herzegowina. Dort dauert auch rund drei Jahre nach den Wahlen die Regierungsbildung noch an. Auch Serbien und Kosovo liegen in einem Dauerkonflikt.
Dennoch ist das Interesse der politischen Akteure an Investitionen, steigenden Exporten und Beihilfen der EU sehr hoch - und daher genießen diese Priorität. Selbst kleine und mittlere Unternehmen werden massiv unterstützt. In Serbien zum Beispiel bemüht sich Präsident Aleksandar Vučić vor allem um deutsche Investoren und lässt es sich nicht nehmen, regelmäßig bei Standorteröffnungen das rote Band zu durchschneiden.
Die Einkaufsinitiative Westbalkan bietet interessierten Unternehmen die Möglichkeit Lieferanten aus dem Westbalkan in B2B-Treffen kennenzulernen: www.ixpos.de/markterschliessung
Weitere Informationen über die interessantesten Lieferbranchen sowie zur Markterschließung inklusive Kontaktanschriften. bietet die GTAI-Publikation „Im Fokus: Sourcingchancen auf dem Westbalkan“:
Von Martin Gaber und Christian Overhoff / Germany Trade & Invest

Iprotex aus Münchberg  gründete Tochterfirma in Nordmazedonien

Die Iprotex ®GmbH & Co. KG hat ihren Sitz im oberfränkischen Münchberg. Als führender Entwickler und Produzent von innovativen textilen Lösungen für Automotive, Industrie und Verkehr ist die Iprotex-Firmengruppe weltweit aktiv. Mit einer Tochterfirma in IIinden, Nordmazedonien, wurde der neunte Standort  eröffnet.
Über den neuen Standort in der Republik Nordmazedonien sprachen wir mit Gunnar Osburg, Business Development Manager des Unternehmens.

Warum hat iprotex Nordmazedonien als Standort ausgewählt?

Nach der Entscheidung, einen neuen Standort in Südosteuropa zu entwickeln, haben wir umfangreiche Recherchen und Analysen durchgeführt, inklusive Orientierungsreisen, um die Länder und mögliche Standorte besser kennenzulernen. Am Ende ist die Wahl aus verschiedenen Gründen auf Nordmazedonien gefallen, wo wir für uns das beste Gesamtpaket aus einem idealen Standort in einer Sonderwirtschaftszone, guter Arbeitskräfteverfügbarkeit und attraktiven Benefits gefunden haben.

Wer hat Sie beim Aufbau der Tochterfirma unterstützt?

Wir haben in der Recherchephase Unterstützung der AHK in Skopje bekommen, die uns mit ihrem großen Netzwerk vor Ort weitergeholfen hat. Außerdem haben wir bei der Gründung der Tochterfirma rechtliche Beratung einer lokalen Anwaltskanzlei in Anspruch genommen. Auch die mazedonische Wirtschaftsförderungsagentur „Invest North Macedonia“ hat uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort?

Wir sind sehr zufrieden damit, wie es bisher gelaufen ist. Nach anfänglichen Verzögerungen, auch durch die Corona Pandemie, ist es uns gelungen, einen sehr guten Start hinzulegen. Wir haben vor Ort ideale Bedingungen für unsere Produktion vorgefunden und der neue Standort entwickelt sich sehr dynamisch weiter – nicht zuletzt dank der wirklich hochmotivierten und fleißigen Mitarbeiter.

Was würden Sie anderen Unternehmern raten, die in dieser Region Geschäfte  machen wollen?

Ich würde dazu raten, auf jeden Fall verschiedene Länder in Betracht zu ziehen und sich mit den örtlichen Gegebenheiten und dem wirtschaftlichen, aber auch dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld vertraut zu machen. Am besten sollte man Orientierungsreisen vornehmen (bei Planung und Durchführung helfen bei Bedarf die AHKs), sich selbst vor Ort ein Bild machen und mit den Leuten im Land sprechen. Ein wichtiges Kriterium, das man einbeziehen sollte, sind mit Sicherheit auch mögliche Fördergelder und andere Maßnahmen wie Steuererleichterungen. Diese fallen in den Ländern des Westbalkans unterschiedlich hoch aus, meist je nach Höhe des Investitionsvolumens und Anzahl der Arbeitsplätze, die durch die Investition geschaffen werden.

Was ist für Sie das Besondere an dieser Region?

Der Westbalkan ist eine hochinteressante und aufstrebende Region mit hervorragender logistischer Anbindung, industrieller Tradition und einer Vielzahl an internationalen Zuliefererunternehmen aus allen Bereichen. Das interessante Lohngefüge und motivierte Arbeitskräfte sowie Anreize für investierende Unternehmen bieten ein sehr attraktives Gesamtpaket für expandierende oberfränkische Zulieferer.
Das Gespräch führte Cornelia Kern.
IHK für Oberfranken Bayreuth
Bahnhofstraße 25
95444 Bayreuth
Tel.: 0921 886-0
E-Mail: info@bayreuth.ihk.de
Internet: bayreuth.ihk.de