Unternehmensstimmen in Europa stärken

700 Unternehmen aus der EU fordern von EU-Spitzenpolitik mehr Gehör

© Iris Haidau Photography
Im November 2023 fand das Europäische Parlament der Unternehmen in Brüssel statt. Die Veranstaltung wird alle zwei Jahre von Eurochambres organisiert und durchgeführt, dem Dachverband der europäischen Industrie- und Handelskammern. Dabei beraten Unternehmerinnen und Unternehmer aus allen EU-Ländern zu Themen, wie der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, den Umgang mit der Energiekrise und den aktuellen Stand der Binnenmarktintegration. Für Oberfranken war die Ebermannsstädter Unternehmerin Nathalia Rašek-Abach des Ingenieurs- und Prüfbüros EMCCons DR. RAŠEK GmbH & Co. KG vor Ort. Um mehr Praxis nach Brüssel zu tragen, ist sie zusammen mit 700 anderen Unternehmerinnen und Unternehmern in die EU-Hauptstadt gefahren.

„Bei den deutschen Unternehmen, die an der Veranstaltung teilgenommen haben, gab es einen guten Mix aus allen Branchen, jungen Gründern und erfahrenen Traditionsunternehmern,“ berichtet Rašek-Abach im Nachgang. „Viele äußerten höchste Bedenken und ihren Unmut an der aktuellen Wirtschaftspolitik und den Auswirkungen auf den deutschen und europäischen Wirtschaftsstandort. Insbesondere höhere Kosten und steigende Berichtspflichten sorgen bei Unternehmerinnen und Unternehmern für Frust. Das wurde auch in den Diskussionen mit den Spitzenpolitikern vor Ort deutlich. Mich hat überrascht, dass meine Erfahrungen und Einschätzungen von Unternehmern aus ganz Europa geteilt wurden. Auch bei den Unternehmensabstimmungen im Parlament, bei der alle Teilnehmer wählen konnten, waren nationale Unterschiede kaum erkennbar. Wir alle haben EU-weit die gleichen Probleme.“
„Die europäische Unternehmerschaft hat in Brüssel ein starkes Signal an die Politik gesendet, dass der europäische Mittelstand mehr Gehör finden und in die Umsetzung von Regularien mit einbezogen werden muss.“

Nathalia Rašek-Abach

„Europaweit muss der Mittelstand mehr Gehör finden“

Die Veranstaltung endete mit einer Abstimmung, bei der sich die „Unternehmens-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier“ zu entscheidenden Fragen positionieren konnten. © Iris Haidau Photography
„Die aktuelle Situation und die Transformationsprozesse bedürfen innovativer Ideen und Umsetzungen, insbesondere der Mittelstand sei innovativ und könne den Prozess mitgestalten, wenn man ihn mit einbinde“, macht Rašek-Abach deutlich. „Europaweit muss der Mittelstand mehr Gehör finden und darf nicht durch indirekte Betroffenheiten, wie bei Lieferkettenregelungen und Nachhaltigkeitsberichtsstandards zusätzlich belastet werden. Einige Probleme entstehen aber auch nicht in der EU. Lange Umsetzungsphasen und nationale Verschärfungen der EU-Richtlinien, sogenanntes 'Goldplating', sind Probleme, die auf nationaler Ebene entstehen. Deutschland und andere Länder tun damit den Unternehmen oft keinen Gefallen, sondern bauen weitere Hürden im innereuropäischen Handel auf.

Mit Blick auf die EU-Wahl 2024 betont Rašek-Abach: „Ohne die EU geht’s nicht. Der Binnenmarkt und die einhergehenden Freiheiten sind essenziell für Unternehmen, die auf anderen Märkten aktiv sein wollen. Aber die Handlungsfähigkeit auch von kleineren und mittleren Unternehmen muss bei der Gestaltung der Gesetze stärker im Fokus stehen. Ich würde es begrüßen, wenn mittelständische Unternehmen insbesondere in die Umsetzung mehr einbezogen werden. Außerdem muss die EU an ihrer Kommunikation arbeiten. Viele Gesetzesvorhaben werden erst spät und dann unnötig kompliziert kommuniziert. Ebenso die Umsetzung. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der CO2-Grenzausgleichsmechanismus und die vierteljährlichen Berichte, die Unternehmen seit kurzem abgeben müssen.“

Binnenmarktumfrage von Eurochambres bestätigt Erfahrungen

Nathalia A. Rašek-Abach
Geschäftsführerin
EMCCons DR. RAŠEK GmbH & Co. KG
Ebermannstadt
© CHRISTOPHMADERER.COM
Die Erfahrungen von Rašek-Abach spiegeln sich auch in der aktuellen Binnenmarktumfrage von Eurochambres wider. Rund 1.000 Unternehmerinnen und Unternehmer aus der gesamten EU schilderten Eurochambres ihre Erfahrungen. Zu den wichtigsten Hindernissen für grenzüberschreitende Geschäfte mit EU-Partnerländern zählen demnach uneinheitliche vertragliche und rechtliche Praktiken, unterschiedliche nationale Zustellungsvorschriften und der eingeschränkte Zugang zu Informationen über nationale Vorschriften beziehungsweise Anforderungen.

Die Befragten plädieren für praktische Lösungen, um diese Hürden abzubauen. Auf Platz eins der gewünschten Maßnahmen steht eine Stärkung zentraler Online-Portale, die umfassende und leicht zugängliche Informationen für den Handel im Binnenmarkt bieten. Fast ebenso wichtig erscheint den Teilnehmenden die Straffung bürokratischer Prozesse, der Abbau von Bürokratie und die Verringerung von Berichtspflichten. Die Studie verdeutlicht, wie wichtig es ist, die besonderen Herausforderungen zu berücksichtigen, mit denen kleine und mittlere Unternehmen konfrontiert sind. Und nicht zuletzt bestätigt sie die wertvolle Rolle der europäischen Industrie- und Handelskammern bei der Beratung der Betriebe, die dadurch besser informiert sind und strategischer handeln.
Janina Kiekebusch
Europäischer Handel und EU-Politik