Standortfaktor Innenstadt
Urbane Produktion: Innerstädtische Standorte für KMUs?
Produzierende Unternehmen in der Innenstadt? Warum nicht, denn dort gibt es gerade für kleine und mittelständische Betriebe ausreichend Leerstand. Die Firma Klocke Nanotechnologie hat es probiert und erklärt, wie es gehen kann.
Die Leerstände in den Innenstädten können eine Chance für den Mangel an Gewerbeflächen bieten.
Wer als produzierendes kleines beziehungsweise mittelständisches Unternehmen (KMU) neue Räume in den Industriegebieten in der Region sucht, wird sich wundern, wie wenig Angebote es gibt. Nicht zuletzt im Impulspapier “Gewerbeflächen potenziale erhöhen durch flächensparende Kompensation” der Industrie- und Handelskammern im Rheinland von wird dringend angemahnt, dass es in vielen Städten und Gemeinden zu wenig Gewerbe- und Industrieflächen gibt und Kommunen immer häufiger ansiedlungswillige Unternehmen abweisen müssen. Allein im Stadtgebiet Aachen fehlen laut Analyse der Bezirksregierung Köln für die nächsten 25 Jahre rund 200 Hektar Gewerbeflächen.
Und wenn eine mögliche Gewerbeimmobilie gefunden wurde, dauert jeder Versuch einer Anmiete inklusive Nutzungsänderung beziehungsweise erforderlichen Bauantrag einige Monate. Sollte der Änderungsantrag am Ende abgewiesen werden oder sich die Vertragspartner nicht einigen können, gehen bei der Suche nach einem alternativen Standort wieder Monate ins Land. Zeit, die die Unternehmen in der Regel nicht haben.
“Deswegen ist es wichtig, auch außerhalb der gängigen Wege Ausschau zu halten”, erklärt Dr. Volker Klocke, Geschäftsführer der Klocke Nanotechnik GmbH. “Als wir 2022 die Kündigung unserer circa 300 Quadratmeter großen Produktionsräume am Standort Aachen wegen Eigenbedarfs bekamen, hatten wir zwei Jahre Zeit, einen neuen Standort zu finden. Wir waren bestürzt, wie gering das Angebot war und erweiterten unsere Suche sofort auf die ganzen Städteregion Aachen bis Jülich.”
Der urbane Leerstand als Lösung
Gespräche mit der IHK Aachen, den Technologiezentren und den Kommunen brachten leider keinen Erfolg, da es zu dem Zeitpunkt in der benötigten Größenordnung kein Angebot in den Gewerbe- und Industriegebieten gab. “Dabei lag die Lösung für alle sichtbar vor uns”, erklärt Dr. Klocke sein Erfolgsmodell. “Jedes Mal, wenn ich durch die Innenstädte ging, sah ich leerstehende Geschäfte – wunderschöne Räume in der genau richtigen Größe für uns – und das auch noch in einem äußerst attraktiven Umfeld mit einer Vielzahl von Restaurants, Geschäften, Paketdienstleistern und Busverbindungen direkt um die Ecke.”
Bis er den Schritt gewagt hat, verging aber noch einige Zeit. “Ich wäre im Traum nicht auf die Idee gekommen, mich in der Innenstadt mit meinem produzierenden Unternehmen anzusiedeln. Das hätte ich mich nicht einmal mit einem Ingenieurbüro ohne Produktion getraut”, sagt Dr. Klocke.
Erst auf Drängen seiner Mitarbeiter nahm Dr. Klocke Kontakt zum Vermieter eines ehemaligen Sonnenstudios im Zentrum von Jülich auf. Dieser zeigte sich bereit, über den Tellerrand zu schauen und eine Nutzungsänderung vom Dienstleister beziehungsweise Einzelhandel zum produzierenden Gewerbe zu beantragen. Ein Antrag, der schnell und unkompliziert bewilligt wurde.
“Wir sind begeistert von dieser Lösung, unseren Berufsalltag im Zentrum aller Angebote einer Stadt verbringen zu dürfen. Zeitaufwendige Besorgungen, Arzt- oder Friseurbesuche, mit Besuchern Essen gehen, all dies geht nun sofort, ohne den sonst üblichen Aufwand.”
Mut und neue Konzepte werden gefördert
In Jülich wird das entsprechende NRW-Förderprogramm durch das Citymanagement unter dem Motto “LADENLUST Jülich” vermarktet. Die Jülicher Strategie ist darauf ausgerichtet, die Attraktivität der Innenstadt langfristig durch einen vielfältigen Nutzungsmix zu erhalten und zu verbessern.
“Alle Innenstädte in Deutschland sind in einem umfassenden Wandel – der stationäre Handel schwindet zunehmend und konzentriert sich auf die attraktivsten Lagen. Daraus ergeben sich neue Chancen für industrienahe Dienstleister und kleinere und mittlere Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes”, meint auch IHK-Hauptgeschäftsführer Michael F. Bayer. “Not macht bekanntlich erfinderisch – Urbane Produktion ist ein wichtiger Baustein, um die Innenstädte als attraktive Standorte zu erhalten. In zahlreichen Kommunen ist es aktuell möglich, für leerstehende Ladenlokale für maximal zwei Jahre eine gesponserte Miete zu erhalten, um darin neue Konzepte auszuprobieren oder den Start in die Selbstständigkeit zu wagen.”
Interesse an den Möglichkeiten in Innenstädten?
Die IHK Aachen und die AGIT laden ein zur Veranstaltung “Innenstädte – Neues Leben durch urbane Produktion und Dienstleistung” am 13. Mai 2025, 15 Uhr, im Urban Brand Space, Kleinmarschierstraße 18, 52062 Aachen. Anmeldung ab dem 10. April 2025.