Gründung und Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft (oHG)

1. Was ist eine oHG?

Die oHG ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Gesellschaftern, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, nämlich den Betrieb eines Handelsgewerbes unter einer gemeinschaftlichen Firma, ohne dass eine Haftungsbeschränkung der Gesellschafter gegenüber Gläubigern besteht. Die Gesellschafter bilden somit eine Tätigkeits-, Vermögens-, Risiko- und Haftungsgemeinschaft.

2. Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Gründung einer oHG?

Gesellschafter
Die Gesellschafter einer oHG können sowohl inländische als auch ausländische natürliche oder juristische Personen sowie Personengesellschaften sein, nicht jedoch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Für die Gründung der Gesellschaft sind mindestens 2 Gesellschafter notwendig. Eine Maximalanzahl von Gesellschaftern ist nicht vorgeschrieben, wobei zu beachten ist, dass ein hohes Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern erforderlich ist.
Kapital
Für die Gründung einer oHG ist kein Mindestkapital vorgeschrieben. Die Gesellschafter können innerhalb des Gesellschaftsvertrages festlegen, ob Einlagen erbracht werden, wie hoch die einzelnen Einlagen sein und in welcher Form – Bar- oder Sacheinlage – sie eingebracht werden sollen.
Gegenstand
Die oHG ist auf den Betrieb eines Handelsgewebes gerichtet. Ein Handelsgewerbe ist jeder vollkaufmännische Gewerbebetrieb unter Ausschluss freiberuflicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit. Es muss demnach ein konkreter Tätigkeitsrahmen, der sich innerhalb des o. g. gesetzlichen Bestimmungen befindet, festgelegt werden.
Firma
Die Firma ist der Name, unter dem die oHG im Geschäftsverkehr auftritt und im Handelsregister eingetragen ist. Zulässig sind Personen-, dem Unternehmensgegenstand entlehnte Sach- sowie Phantasiefirmen oder auch Kombinationen dieser Elemente. Um als Firma geeignet zu sein, ist es zwingend notwendig, dass die Bezeichnung Unterscheidungskraft besitzt. Außerdem muss die Firma den Rechtsformzusatz „offenen Handelsgesellschaft” oder die Abkürzung „oHG” enthalten, da nur so die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse offengelegt werden können.
Es empfiehlt sich, die Firmenbildung vor deren Abfassung und vor der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages mit der IHK abzusprechen, um frühzeitig eine eventuelle Verwechslungsgefahr oder mögliche Bedenken hinsichtlich der Firmenwahrheit und Firmenklarheit auszuschließen.

3. Wie vollzieht sich die Gründung der oHG?

Schritt 1: Abschluss des Gesellschaftsvertrages
Die oHG wird durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen den beteiligten Gesellschaftern gegründet. Der Gesellschaftervertrages ist formfrei, sollte zweckmäßigerweise schriftlich verfasst werden.
Er muss zwingend die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks, zu dessen Förderung sich die Gesellschafter verpflichtet haben, sowie die Vereinbarung über gemeinschaftliches Auftreten nach außen enthalten. Ferner sollte der Gesellschaftsvertrag die Firma der oHG, die Kündigung und das Ausscheiden eines Gesellschafters, Entnahmen, eingebrachte Sachen, Grundstücke u. ä., ggf. Abweichungen von der Einzelvertretungsbefugnis jedes Gesellschafter sowie auch ggf. eine Schiedsgerichtsklausel enthalten. Jedoch ist zu beachten, dass dann der Gesellschaftsvertrag ausnahmsweise formbedürftig ist, wenn ein Gesellschafter darin eine Verpflichtung übernimmt (bspw. ein Grundstück wird in die Gesellschaft eingebracht), die nur in bestimmter Form übernommen werden kann.
Schritt 2: Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister
Die Firma der Gesellschaft ist vor oder unverzüglich nach Beginn der Geschäftstätigkeit durch die Gesellschafter (alle) zum Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung muss die Namen der Gesellschafter – incl. Adresse, Geburtsdatum –, die Firma und deren Sitz, Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft, ggf. Abweichungen von der Einzelvertretungsbefugnis eines jeden Gesellschafters sowie den Geschäftszweig enthalten und von einem Notar beglaubigt werden.

4. Wie erfolgt die Geschäftsführung und die Vertretung einer oHG?

Die Geschäftsführung (Innenverhältnis) und Vertretung (Außenverhältnis) der oHG erfolgt in erster Linie durch die Gesellschafter als Organe, wobei aber auch eine Bevollmächtigung eines Nichtgesellschafters, insbesondere des Prokuristen, in Betracht kommt.
Grundsatz: „Einzelvertretungsmacht” eines jeden Gesellschafters
Grundsätzlich ist jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft berufen. Jeder Gesellschafter kann dann ohne Mitwirkung der anderen wirksam im Namen der oHG handeln. Der Umfang erstreckt sich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, wobei zu beachten ist, dass lediglich Verkehrsgeschäfte von den außergerichtlichen Rechtshandlungen umfasst sind. Somit sind Grundlagengeschäfte, die das Organisationsverhältnis der Gesellschaft betreffen, wie bspw. die Änderung der Firma, Aufnahme eines neuen Gesellschafters, Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens an einen Dritten, von der „Einzelvertretungsmacht” ausgeschlossen.
Ausnahme
Im Gesellschaftervertrag kann jedoch die gesetzlich normierte „Einzelvertretungsmacht” eines jeden Gesellschafters abweichend geregelt werden. Zu beachten ist jedoch, dass lediglich der Ausschluss einzelner – nicht aller ! – Gesellschafter von der Geschäftsführung sowie von der Vertretung der Gesellschaft zulässig ist. Demnach kann „Gesamtvertretung” durch mehrere oder alle Gesellschafter oder aber „gemischte Gesamtvertretung”, d.h. ein Gesellschafter kann nur zusammen mit einem von der Gesellschaft ernannten Prokuristen handeln, im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Ist diese Vereinbarung ordnungsgemäß ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht worden, so ist das Geschäft nur eines Gesellschafter unwirksam, sofern es nicht genehmigt worden ist.
Beirat
Der Gesellschaftsvertrag der oHG kann einen Beirat vorsehen. Kompetenzen des Beirats sind die Kontrolle und Beratung der geschäftsführenden Gesellschafter sowie die Entscheidung über Maßnahmen, bei denen die geschäftsführenden Gesellschafter die Entscheidungsgewalt entzogen worden ist. In Betracht kommt die Einsetzung eines Beirates i. d. R. nur dann, wenn die Geschäftsführung einen einzelnen Gesellschafter obliegt oder eine Patt-Situation lösen soll.

5. Wie haften die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten?

Die Gesellschafter einer oHG haften den Gläubigern persönlich und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Der Gläubiger kann die Leistung nach seinem Belieben ganz oder zum Teil von jedem Gesellschafter fordern bis sie vollständig erfüllt ist. Die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten kann nicht innerhalb des Gesellschaftsvertrages gegenüber Dritten ausgeschlossen oder begrenzt werden, lediglich im Innenverhältnis, also unter den Gesellschafter. Wer sich an einer oHG beteiligt, haftet für die zum Zeitpunkt des Eintritts bestehenden Schulden. Ausgeschiedene Gesellschafter müssen noch bis 5 Jahre nach dem Austritt für die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten haften.

6. Buchführung und Jahresabschluss?

Die oHG ist kraft Gesetzes Vollkaufmann und somit verpflichtet, Bücher zu führen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die oHG hat zu Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeit und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Dauer im Gesellschaftsvertrag festgelegt, darf allerdings 12 Monate nicht überschreiten) einen Jahresabschluss aufzustellen. Aus der Abschlussbilanz muss das Verhältnis des Vermögens zu den Schulden der oHG ersichtlich sein. Ferner ist für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. Der Jahresabschluss ist von den geschäftsführenden Gesellschaftern unter Angabe des Datum zu unterzeichnen. Der Jahresabschluss hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu enthalten. Der Umfang des Jahresabschlusses und die Publizitätspflichten richten sich nach der Größe der Gesellschaft.

7. Wie wird die oHG besteuert?

Einkommensteuer
Die oHG unterliegt als Personengesellschaft nicht der Einkommensbesteuerung. Steuerpflichtig sind die einzelnen Gesellschafter, sofern es sich bei diesen um natürliche Personen handelt.
Gewerbesteuer
Betreibt die oHG ein gewerbliches Unternehmen und sind die Gesellschafter Mitunternehmer, so ist das Unternehmen ein einheitlicher Gewerbebetrieb und unterliegt der Gewerbesteuer. Die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, der sich aus bestimmten gewerbesteuerlichen Modifikationen des Gewinnes berechnet. Der ermittelte Gewerbeertrag ist auf volle 100 – nach unten abzurunden. Von dem abgerundeten Gewerbeertrag ist ein Freibetrag i. H. v. 24.500,00 – abzuziehen. Für den übrig gebliebenen Betrag wird in Stufen von jeweils 12.000,00 – der Messbetrag von 1 % auf bis zu 5 % erhöht. Der so errechnete Betrag ist die Gewerbesteuerschuld. Die Gewerbesteuer kann im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Umsatzsteuer
Die oHG kann umsatzsteuerlich Unternehmer sein. Das bedeutet, dass auf Leistungen oder Dienstleistungen, die das Unternehmen erbringt, der Regelsteuersatz i. H. v. 19 % bzw. der ermäßigte Steuersatz von 7 % (Bücher, Kunstgegenstände, Lebensmittel, etc.) aufzuschlagen ist. Zu beachten ist, dass bestimmte Leistungen, insbesondere innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhrlieferungen, von der Umsatzsteuer befreit sind. Dieser Aufschlag wird als Vorsteuer bezeichnet. Die Umsatzsteuerpflicht, die eine Gesellschaft dem Finanzamt gegenüber hat, wird um die Vorsteuer gemindert. Daher kann die oHG von ihrer eigenen Umsatzsteuerpflicht die Vorsteuer abziehen.


8. Wie werden die Gesellschafter besteuert?

Einkommensteuer
Handelt es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen, betätigt sich die Gesellschaft gewerblich und hat somit gewerbliche Einkünfte und tragen die Gesellschafter unternehmerisches Risiko bzw. entfalten unternehmerische Initiative (sog. Mitunternehmerschaft), sind die Gesellschafter einkommensteuerpflichtig.
Die Höhe der Einkommensteuer richtet sich nach den gewerblichen Einkünften. Zu diesen zählen u. a. der Anteil am Gewinn, Vergütungen, die der Gesellschafter aufgrund bestimmter Leistungsbeziehungen zu seiner Gesellschaft erhält. Die Einkünfte werden gemeinschaftlich für alle Gesellschafter im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ermittelt und anhand der Besteuerungsmerkmale des einzelnen Gesellschafters in dessen Einkommensteuer-Veranlagung erfasst.
Bei negativen Einkünften darf der Gesellschafter sie im Rahmen der Verlustverrechnungsmöglichkeiten mit anderen positiven Einkünften desselben Veranlagungsjahres verrechnen.

9. Wie wird eine oHG aufgelöst?

Bei der oHG ist zwischen Auflösung und Beendigung zu unterscheiden. Die Auflösung führt noch nicht zur Beendigung der Gesellschaft, vielmehr schließt sich die Abwicklung (Liquidation) an, deren Ziel es ist, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen, das verbleibende Vermögen unter den Gesellschaftern zu verteilen sowie die Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister.
Nachfolgende Ereignisse führen zur Auflösung:
  • Beschluss der Gesellschafter
  • Ablauf der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gesellschaftszeit
  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder über das Gesellschaftsvermögen bzw. wenn der Antrag mangels Masse abgewiesen wurde oder über das Vermögen eines Gesellschafters
  • Ausscheiden eines Gesellschafters
  • Gerichtliche Entscheidung
Die Beendigung der Gesellschaft führt zu deren Erlöschen, die Gesellschaft existiert nicht mehr. Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft entweder aus dem Handelsregister gelöscht worden ist oder die Gesellschaft in eine andere Rechtsform umgewandelt worden oder mit einer anderen Gesellschaft verschmolzen ist.


10. Vor- und Nachteile

Vorteile:
  • der Gesellschaftsvertrag kann relativ frei gestaltet werden
  • das Unternehmen kann flexibel geführt werden
  • hohe Kreditwürdigkeit
Nachteile:
  • volle unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter
  • starkes Vertrauensverhältnis unter Gesellschafter wegen der „Einzelvertretungsmacht” erforderlich
  • Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern können den Bestand der Gesellschaft gefährden
  • Nachfolgeprobleme, falls der Gesellschaftervertrag mit dem Testament nicht übereinstimmt